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Meine Mutter hatte diese schrecklichen Tannengirlanden um die Handläufe der Eingangstreppe gewickelt, die es unmöglich machen, sich bei diesen glatten Stufen festzuhalten.
Strauchelnd komme ich vor der Haustür zum Stehen und fahre mir durch die Haare.

Jetzt einfach cool bleiben. Ich bin mein eigener Mensch und muss mich vor nichts und niemandem rechtfertigen, warum ich so bin, wie ich bin.
Wenn es mir zu viel wird, kann ich auch einfach wieder fahren und Weihnachten in einem Hotel verbringen. Was denke ich da?! Es ist Anfang Dezember! Ich werde einfach zurück nach Kali fahren.

Durchatmen.
Ein letztes Mal fahren meine Finger durch meine welligen Haare. Dann drücke ich auf den silbernen Klingelknopf.
Das Ding-Dong hallt durch das Haus und ich höre Schritte näher kommen. Meine zitternden Hände verstecke ich lieber hinter meinem Rücken.

"Mica! Oh Mica, du bist hier! Wie schön! Mein Junge ist zu Hause!"
Meine Mutter hat die Tür aufgerissen und liegt mir schon in den Armen.
"Hey Mom", sage ich leise an ihr nussbraunes Haar, das sich in ihrer üblichen Dauerwelle befindet. Ich atme ihren zimtigen Geruch ganz tief ein. Und für einen kleinen Augenblick bin ich gar nicht mehr nervös.

Doch mein stolperndes Herz meldet sich sofort zurück, als sie sich von mir löst und mich von oben bis unten mustert.
"Du bist viel zu früh. Dein Vater ist noch gar nicht zu Hause. Ah, der hat sich übrigens wieder den Rücken verdreht. Du musst mir also beim restlichen Schmücken helfen! Junge, lass dich noch mal ansehen. Gut siehst du aus!"

Sie umfasst mein Gesicht mit beiden Händen und schaut aus ihren blauen Augen zu mir auf, die ich genau wie die Haare von ihr geerbt habe.
"Noch einmal bleibst du mir keine drei Jahre fern!"
"Versprochen, Mom", lüge ich. Dieses Versprechen kann ich nicht geben. Erstmal den Verlauf der ersten Tage abwarten.

"Wir kriegen heute noch Besuch. Und über die Feiertage wird das Haus bald aus den Nähten platzen - dass wird ganz wunderbar, jetzt, da du hier bist!"
Sie klatscht euphorisch in die Hände.
"Bist du denn gut hergekommen? Wie waren die Straßen? Hast du auch genug Pausen gemacht? Du weißt ja -"

"Mom! Ist ja alles gut, jetzt bin ich hier", lache ich verlegen und ziehe die Schultern hoch. Mein Atem malt kleine weiße Wölkchen in die Luft. Kurz folge ich ihnen mit den Augen, bis sie verblassen.
Meine Mutter schüttelt nur den Kopf und wischt sich die Hände an ihrer rot-grün gestreiften Schürze ab, die sie immer in der Weihnachtszeit trägt. Sie hat dieses Ding seit ich denken kann.

"Was fährst du denn für ein schrecklich großes Auto?"
Sie lehnt sich aus der Tür und betrachtet meinen schwarzen SUV mit weit aufgerissenen Augen.
Mir fehlen die Worte, also zucke ich einfach nur mit den Schultern. In Wahrheit wollte ich schon immer so einen Wagen.
Er hat kaum Platz in der schmalen Einfahrt vor der Garage.

"Nun du musst es ja wissen. Nimm mir nur nicht den Briefkasten mit", droht sie mir mit erhobenem Zeigefinger.
"Werde ich nicht, Mom", lache ich.
"Jetzt komm endlich rein und steh nicht so unbeholfen auf der Veranda rum. Im Flur wird es schon ganz kalt."

Nachdem ich meine Schuhe abgetreten und neben der Garderobe abstelle habe, ziehen sie endlich Moms Aufmerksamkeit auf sich.
Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit gewesen ist. Aber irgendwo in mir wollte ich genau diesen Schock provozieren.
"Sind das - ist das? Ist das ... Glitzer an deinen, an deinen Schuhen?"
Beinahe vergisst sie das Atmen.

"Entspann dich, Mom."
Bis jetzt ziehe ich die Rolle des Coolen eigentlich recht souverän durch.
Ich schiebe meine Hände in die Vordertaschen meiner Skinny Jeans und betrete das Wohnzimmer.

Meine Mutter hat sich mal wieder selbst übertroffen.
Am Kamin hängen die Weihnachts-Stockings in Reih und Glied, farblich sortiert und im exakten Abstand zueinander.
Vor dem Kamin stehen zwei weihnachtliche Blumengestecke, die perfekt zu der Tannengirlande, die über dem Kamin verläuft, passen.

Und hinten im Wohnzimmer neben dem antiken Esstisch mit den Kerzenleuchtern steht der Weihnachtsbaum.
In all seiner Pracht.
Ich pfeife leise durch meine Zähne. Vor mir stehen gut zwei Meter Tanne mit bunten Lichtern und unzähligen Kugeln in allen erdenklichen Formen.

"Ist das eine Gurke?"
Fragend drehe ich mich um und deute auf ein ganz besonders schönes Exemplar.
"Ja! Cindy hat mir gesagt, die sind dieses Jahr total In!"
Allein wie sie dieses Wort betont, lässt mich lachend den Kopf schütteln.

Mit in die Hüften gestemmten Händen sieht mich meine Mutter mit gespielter Empörung an. Aber diese Maske kann sie nur wenige Sekunden aufrechterhalten.
Ihr Lachen schallt von den Wänden wieder.
"Es ist schön dich so fröhlich zu sehen, Mica", sagt sie, nachdem sie sich wieder gefasst hat.

Ich schenke ihr ein weiteres, ehrliches Lächeln.
"Kalifornien scheint dir wirklich gutzutun. Na ja, vielleicht nicht das erste Jahr! Ich weiß noch, wie du wieder vor unserer Tür standst, völlig runtergehungert und so blass! Und richtige Sachen zum Anziehen hattest du auch nicht mehr."
"Mein Gott, Mutter! Du lässt es ja so klingen, als ob ich geradewegs aus einem Flüchtlingslager hierher kam. Reden wir nicht mehr darüber - bitte."

Sie macht einen Schritt auf mich zu und streichelt meinen Arm.
"Setz dich doch schon mal an den Tisch. Dein Vater müsste jeden Moment kommen und dann trinken wir erstmal einen Punsch. Ich habe da dieses neue Rezept ausprobiert - mit Ananas und Ingwer - und laut deinem Vater, ist es das Beste!"

Wenn Dad das sagt ...
Ich schaue aus dem Fenster in den weißen Garten. Sie haben einen Baum gefällt. In den Essbereich dringt ganz eindeutig mehr Licht.
"Mache ich gerne, aber erst muss ich noch mein Gepäck aus dem Auto holen", wende ich mich wieder an meine Mutter.
Doch die hat den Raum schon verlassen und klappert in der Küche mit den Punschgläsern.

Also schlittere ich die Holztreppe der Veranda wieder nach unten und lade meine Koffer aus. Es waren nur zwei und ihr Inhalt sollte mich gut durch die nächsten vier Wochen bringen.
Ich verriegele meinen SUV und trage die Koffer einzeln die Treppe hoch.

"Mom? Wo ist denn das verdammte Streusalz?", rufe ich durch das Haus.
"Mom?"
Ich betrete das Wohnzimmer und schaue um die Ecke zum Essbereich. Niemand ist da, nur zwei dampfende Tassen.

"Mom? Wo hast du das verdammte -"
Meine Worte blieben mir im Hals stecken, als ich mich schwungvoll umdrehe und sehe, wer da im Flur neben meinen Koffern steht.
Was zur Hölle?!

"Ich glaube, sie stellt das Streusalz immer unter die Treppe der Veranda."
"Was?"
"Das Streusalz. Draußen unter der Treppe."

Ich bringe kein weiteres Wort raus, nur ein unbeholfenes Stammeln.
"Schön, dass du da bist, Mann."
Eine große Hand wird mir entgegengestreckt. Ich ergreife sie mit meinen schwitzigen Fingern.
Bradyn. Mein Traum - ich meine mein Albtraum!

"Bradyn ... was - was machst du hier? Ich meine, was - ähm ..."
"Entspann dich, Mica. Deine Mom hat mich für dieses Weihnachten praktisch adoptiert. Meine ganze Familie besser gesagt. Genau wie letztes Jahr, was du wissen würdest, wenn du da gewesen wärst."
"Ja, verstehe schon. Das schwarze Schaf der Familie hat sich verdrückt und eine Menge Spaß verpasst. Reib es mir nur unter die Nase."

Bradyn lacht auf und legt seinen Kopf in den Nacken und entblößt mir seinen Hals. Ich muss mich zusammenreißen, um mir nicht über die Lippen zu lecken.
Das werden ja ganz fantastische vier Wochen.
Für einen kurzen Moment überlege ich, mir meine Koffer zu schnappen, wieder zum Auto zu rennen und auf dem schnellsten Weg diese verfluchte Stadt zu verlassen.

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Song: Here - Lukas Graham (wunderschöner Song!)

Hallo meine Lieben!
Erstmal vielen, vielen Dank, für das positive Feedback im 1. Kapitel.
Jetzt ist ja schon mal der liebe Bradyn aufgetaucht und Freunde, lasst mich euch sagen ... ihr werdet Bradyn lieben! Und hassen!
hahahaaa ist das nicht die beste Kombi?? I know!

Ich verspreche euch, morgen wird das Kapitel früher kommen! Heute ist mir nur leider was dazwischen gekommen! But i promised u content!

Ich liebe und danke euch von ganzem Herzen!
Habt noch einen schönen 2. Dezember!

Und! Was ist euer größter Weihnachtswunsch dieses Jahr (außer das Corona für immer verschwindet xD)?

All my Love,
Lisa xoxo

magical boy✨[boyxboy] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt