Noch zwei Schritte. Ich strecke die Hand aus.
Bradyn schüttelt den Kopf.
Ohne noch einmal darüber nachzudenken, mache ich einen Satz nach vorne und ringe den kleineren nieder.Mit einem dumpfen Geräusch versinken wir im Schnee. Sein Pullover muss sofort durchnässt sein, aber das ist mir völlig egal.
"Auf die harte oder die sanfte Tour?", frage ich, mit dem wohligen Gewissen, dass ich die Oberhand habe.
Bradyn gibt nichts als ein Keuchen von sich.
Das unschuldige Geräusch hallt in meinem Kopf nach und mein Blut gefriert in den Adern, nur um danach wie heiße Lava in meine Körpermitte zu fließen.Ich schüttele den Kopf und ramme Bradyn meinen Arm in die Seite.
Plötzlich ist der Geruch seines Aftershaves in meiner Nase und vernebelt meinen Verstand.
Sein Körper unter mir versteift sich.
Ich bemerke, wie der Stoff meiner Hose an den Knien nass wird, die Kälte kriecht meine Beine hoch und kühlt meinen Verstand."Schlüssel", knurre ich.
Bradyn schluckt. Seitdem ich auf ihm gelandet bin, hat er keine wirkliche Regung mehr von sich gegeben.
"Was? Hat sich der Schneehase etwa was gebrochen?", frage ich spöttisch.
Bradyn schüttelt den Kopf."Ah. Ich verstehe: Die Zuge abgebissen. Na deine Hände wirst du ja noch bewegen können, oder?"
Ich verlagere mein Gewicht und presse ihn tiefer in den Schnee.
Wenn meine Mutter jetzt aus dem Wohnzimmerfenster sehen würde, hätten wir ein Problem.
In diesem unachtsamen Moment schnellt Bradyn hoch, packt mich bei den Schultern und rollt sich auf mich.Alle Luft entweicht aus meinen Lungen und mein Atem trifft in Brayns Gesicht.
"Du verfluchter Mistkerl!"
"Sind wir das?", fragt er.
Ich sehe ihn verwirrt an."Sind wir das?", wiederholt er. "Kleine Kinder, die sich im Schnee prügeln?"
Ich sauge die dringend benötigte Luft in meine Lungen zurück und fluche.
"Das wären wir nicht, wenn du dich nicht so beschissen anstellen würdest. Gibt mir meine Schlüssel und lass mich verdammt noch mal fahren! Ich werde dir nicht den Gefallen tun und mit dir in dieses Haus zurückgehen."
"Aber ich habe es deiner Mutter versprochen."Bradyn legt den Kopf schief.
Verdammt. Wenn er mich so ansieht, könnte mir schwindlig werden. Er ist zu nah. Seine Augen bohren sich in meine und seine Lippen sind nur eine Handbreit von meiner Haut entfernt.
"Bradyn."Er sieht mich fragend an und schiebt seine Lippen vor.
"Hör auf damit."
"Womit?", fragt er unschuldig. Mittlerweile versuche ich es nicht mal mehr, mich zu wehren.
Der kleinere über mir verlagert sein Gewicht und schmiegt seinen Körper an meinen.Ich lege meine Hände an seinen Rücken und spüre den durchnässten, eiskalten Stoff an seinem Rücken. Die Muskeln unter meinen Fingern spannen sich an.
"Was, wenn ich dich nicht gehen lasse?"
Bradyns raue Stimme schneidet in mein Trommelfell."Ich wüsste mir schon zu helfen", gebe ich zurück.
Eigentlich will ich meinen Blick abwenden, aber ich kann nicht. Das Grün seiner Augen hat mich gefangen genommen. Es sind nicht seine Hände und Beine, die mich an Ort und Stelle halten, es sind seine Augen.Um uns herum hat sich eine surrende Stille ausgebreitet, jetzt, wo wir uns so gut wie nicht bewegten.
Ein Vogel fliegt über unsere Köpfe und landet schreiend in einem der Bäume über uns.
Schnee fällt hörbar von einem Ast und Bradyn reißt den Kopf hoch und blickt sich um.
Plötzlich scheint er sich daran zu erinnern, wo er ist.Ein letzter Blick fällt auf mein Gesicht; meine Haare, die in meiner Stirn liegen; meine Lippen und schließlich in meine Augen.
Ich wage es nicht zu blinzeln, aber ich weiß bereits, dass ich ihn an die Realität verloren habe.
Bradyn gibt mich frei und steht auf."Komm einfach mit rein, Mica."
Er streicht sich durch die Haare und lächelt auf mich herunter.
"Deine Schlüssel kriegst du eh nicht wieder."Ich rappele mich auf und klopfe den Schnee von meiner Hose. Alles in mir will mich dazu bewegen, auf Bradyn zuzugehen und ihn zu boxen.
Oder zu küssen. Aber das ist der vernebelte Teil von mir, der kein Mitspracherecht hat.
Ich wische mir über den Mund und lächle den Jungen gehässig an, der erneut - und nach so vielen Jahren - wieder mit meinem Herz spielt."Mica, bitte."
Es ist beinahe ein Flehen, als er meine Autoschlüssel einsteckt und rückwärts von mir weicht.
Ein kleiner Teil sorgt sich, weil er einen nassen Pullover trägt, bei Temperaturen weit unter null.
Ein anderer Teil gibt auf, als Bradyn sich abwendet und mit den Händen in den Hosentaschen geht. Mich alleine lässt. Im Garten, in dem wir als Kinder gespielt haben und auf die höchsten Bäume geklettert sind, um die Welt von oben zu sehen."Mica? Was macht ihr denn hier draußen?"
Meine Mutter schaut um die Ecke der Veranda und sieht uns fragend an. Sie hat Bradyn gar nicht geschickt, um mich zurückzuholen.
Ich fahre durch die Wellen in meiner Stirn und suche nach Worten. Mein Kopf ist leer und kann sich nicht auf die Situation konzentrieren.
"Ich wollte gerade fahren", bringe ich endlich heraus.Meine Mutter will etwas sagen, da schaltet sich Bradyn ein.
"Aber ich konnte ihn überzeugen seine Besorgungen später zu machen. Er will uns erst schmücken helfen."
Er schenkt meiner Mutter ein breites Lächeln und wagt es sich kaum, mir noch einen weiteren Blick zuzuwerfen.
Eine Art Erleichterung huscht über das Gesicht von der Frau, die ich anschreien will. Aber ich atme tief durch und folge Bradyn.Ich bin schwach. Und ich hasse mich dafür, nicht einfach das zu tun, was ich will. Ich folge den anderen, ich passe mich an. Weil es leichter ist.
Die Stimme vom alten Jo hallt durch meinen Kopf. Mach nicht denselben Fehler wie ich. Du bist hier rausgekommen, mach was draus. Ich wünschte, ich hätte Chancen wie du gehabt.Bradyn lässt mir den Vortritt. Ich spüre seine Augen auf mir, aber wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein.
Meine Mutter redete schon irgendwas von Kisten, die noch im Keller stehen und in welche Zimmer sie müssen.
Ich drehe mich zu Bradyn um und verliere mich kurz in seinen Augen."Ich helfe dir gleich, Kali-Boy. Ich zieh mich nur schnell um, dein Koffer ist in deinem Zimmer, oder?"
Ich bringe nicht viel mehr als ein Stottern heraus.
Was hat er vor?Der Idiot kommt wenig später die Treppe herunterkommt und ich sehe das Ergebnis seiner Idee in voller Pracht. Er trägt meine Kleidung.
Die einzige graue Jogginghose, die ich eingepackt habe, schmiegt sich an seine Hüften. Dazu trägt er das schwarze Sweatshirt mit den Nieten und silbernen Ketten an den Ärmeln.
"Wie sehe ich aus?"
Er dreht sich einmal im Kreis."Du ... anderes. Sehr ... heiß."
Meine Ohren werden rot. Das ist mir rausgerutscht!
"Ich meine natürlich, also -"
"Genau das habe ich beabsichtigt. Du hast echt krasse Teile da oben! Sowas findet man in Schenectady nicht."Meine Augen wandern an den Konturen der Jogginghose entlang.
Was ist es nur mit Männern und grauen Jogginghosen? Ich kann meinen Blick kaum abwenden, als Bradyn sich bückt und die erste Kiste ins Wohnzimmer trägt."Ich verstehe, dass du lieber zusehen willst, aber ein bisschen helfen musst du schon", sagt er mit einem Zwinkern.
Ich seufze und nehme den Karton zu meiner rechten. Ich passiere Bradyn und schiebe mich an seinem breiten Kreuz vorbei, während er über meinen Rücken streicht.Eine Falte bildet sich auf meiner Stirn und ich suche seinen Blick, doch er geht schon wieder in den Flur hinaus.
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Song: Lost - Blake Rose
Okay I'm just gonna throw something here... Graue Jogginghosen. Ich meine, können wir drüber reden? Eines dieser Phänomene, die ich nicht verstehe, aber es ist wahr. okay. bye.
Lisa xoxo
P.S. über 800 reads holy hell DANKE
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magical boy✨[boyxboy] ✔
RomanceMica muss über die Weihnachtstage in seine beschauliche Heimatstadt Schenectady zurückkehren. Vor drei Jahren war der das letzte Mal hier und seitdem hat sich nichts verändert. Nur er. Mica ist erwachsen geworden und stehe zu sich selbst, zu den Din...