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P.O.V. Mica

Emil und ich haben uns in die hinterste Ecke des Essbereiches zurückgezogen, in der Hoffnung nicht auf dem Präsentierteller zu sitzen, im Auge des Sturms, wo uns die Aufmerksamkeit aller Gäste sicher sein würde.
Emil hat verstanden, dass ich mich zurückhalten will. Aber ich weiß, dass er meine Entscheidung nicht gutheißt.

Meine Mutter eilt zur Haustür, als die ersten Nachbarn klingeln. Sie trägt einen weißen Rollkragenpullover mit Rüschen an den Ärmeln.
Dazu schimmert ein dunkler Braunton auf ihren Lippen, der ihre hellen Augen betont.
Ich bin stolz auf sie. Während ich ihren flinken Schritten mit meinen Augen folge, überkommt mich eine Welle der Zufriedenheit.
Ich kann nicht sagen, woher dieses Gefühl kommt. Ich bin gerade einfach nur dankbar, sie zu haben.

Vom Flur dringen Rufe und lautes Lachen an mein Ohr. Ich konzentriere mich so sehr darauf, zu identifizieren, wer gekommen ist, dass ich Emils leise Stimme neben mir erst nicht wahrnehme.
"Was hast du gesagt?"
Er rollt mit den Augen.

"Ich sagte, dass ich total aufgeregt bin."
Seine blauen Augen verlassen mein Gesicht und ich sehe, wie er sich versteift.
Ich folge seinem Blick und entdecke ein älteres Paar am Ende des Tisches.
Ich erkenne sie nicht. Zu viele Jahre sind vergangen, zu viele Falten zieren die Gesichter derer, die ich einst kannte.

"Mica? Was für eine Überraschung!"
Ich bleibe regungslos sitzen, als die Frau mit den grauen Locken die Arme ausbreitet.
"Erkennst du uns den gar nicht mehr?", lacht sie.
Ich stehe auf, weil ich mir äußerst unhöflich vorkomme und gehe auf die beiden Fremden zu.

"Helfen Sie mir auf die Sprünge", bitte ich lächelnd, reiche ihr meine Hand, werde aber in eine Umarmung gezogen.
Sie riecht nach Vanille und einem viel zu süßem Parfum aus dem Supermarkt.
"Hillary und Robert!"

Hillary schiebt mich von sich und ich betrachte ihr Gesicht.
Die kleinen grau-blauen Augen, die Locken, die spitze Nase und der große Leberfleck am Kinn. Die Frau, die mir immer frisch gebackene Cookies über den Zaun gereicht hat!
Und das hinter ihr muss Robert sein, von dem ich das Holzhacken gelernt habe.

Ich lächle dem Mann mit der Halbglatze und den freundlichen Augen zu.
Er wirkt in seinem schwarzen Anzug fast so, als würde er zu einer Hochzeitsgesellschaft gehören oder auf eine Beerdigung gehen wollen und nicht zu einem Weihnachtsessen.
"Eine Freude dich wiederzusehen, Junge. Ist lange her."

Seine tiefe Stimme erfüllt den stillen Raum, durch den sonst nur beruhigende Weihnachtsmusik klingt.
"Freut mich auch, Robert. Gut siehst du aus."
Ich fahre durch meine Haare und blicke mich zu Emil um.
Ich hasse den üblichen Smalltalk mit Leuten, die man eigentlich nicht mehr kennt, weiß nie, welches Thema ich als Nächstes anschneiden soll.

Emil erkennt meinen Hilferuf und steht auf.
"Ah, ein Freund von dir?", fragt Hillary und reicht Emil die Hand.
Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll, also bleibe ich still. Jetzt ist es an Emil uns einen Titel aufzusetzen - oder eben nicht.
Hillary mustert Emil von oben bis unten.
Seine leicht zurückgegelten schwarzen Haare, das enge, dunkelblaue Shirt.

Ihre Augen verweilen auf seinen glitzernden Boots.
Und da tut Emil das Unerwartete - das Unerwünschte!
Er legt seinen Arm um meine Taille und zieht mich näher zu sich.
Ich drehe den Kopf und blicke ihn an, in den Augen eine Millionen Fragen und Vorwürfe, doch er lächelt einfach nur in Hillarys und Roberts Richtung.

Ein eiskalter Blick aus grau-blauen Augen trifft mich hart und ich bereue auf der Stelle meine Kleiderwahl für den heutigen Anlass.
Mein schwarzes Hemd ist fast durchsichtig und schmiegt sich an mich wie eine zweite Haut.
Ich trage klobige Ringe an den Fingern und meine Haare sind wild. Ich bin nicht mehr der kleine, brave Junge, der still vor ihrem Gartentor stand.

Hillary rümpft die Nase.
"Ach so ist das. Na ja. Robert, wie wäre es, wenn wir uns da an die Heizung setzen?"
Ihr knochiger Finger deuten auf den Stuhl neben ihrem Mann. Dieser nickt nur und setzt sich.
Seine freundlichen Augen streifen uns kein weiteres Mal.

"Ich werde mich dann auch mal lieber setzt. Schön dich wieder gesehen zu haben, Mica. Und ähm ..."
"Emil."
Sie hebt eine Augenbraue und wendet sich ab.

"Es ist ja nicht so, als ob wir uns in einem riesigen Speisesaal befinden", flüstert Emil mir ins Ohr, als wir zu unserem Platz zurückkehren.
Und er hat recht.
Hillary und Robert trennten ganze vier Stühle von uns. Die Musik ist nicht laut genug, um unsere Gespräche zu übertönen und so bleiben wir schweigend sitzen und warten auf Erlösung.

Gerade als meine Vorwürfe mich fast dazu bewegen, aufzustehen und zu gehen, kommt meine Mutter mit einem bekannten Gesicht zurück.

Barbara. 

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Song: worldstar money - Joji

Naaa, wer weiß noch, wer Barbara ist??? :)

Freunde! Der Schnee ist liegen belieben hehe & ich war heute so lange draußen, dass ich ungelogen das Gefühl in meinen Zehen verloren habe! xD

In diesem Sinne
All my Love,
Lisa xoxo

magical boy✨[boyxboy] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt