Kapitel 97

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Am Freitag Abend telefonierte ich noch einmal mit Matt. "Hallo mein Lieblingsbruder. Wie geht es dir so?", fragte ich ihm mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich war gut drauf, auch wenn es das letzte Rennwochenende für eine Weile sein würde. An die Tatsache, dass Daniel bei einem anderen Team fahren würde, müsste ich mich wohl erst noch gewöhnen, aber trotzdem war ich froh hier zu sein.

"So wie du dich anhörst, wohl nicht so gut wie dir. Wie wäre es, wenn Emily und ich euch in der Winterpause besuchen. Ich bin sowieso noch ein paar Tage in Monaco.", schlug Matt direkt vor. "Gerne, aber ich und Max sind noch bis Donnerstag in England und fliegen nächsten Monat dann in den Urlaub.", sagte ich dann. "Ich sehe was sich machen lässt und melde mich dann noch einmal bei dir."

"Konntest du irgendetwas wegen deinem Vater herausfinden?", frage ich dann. Mir war durchaus bewusst, dass es kein leichtes Thema war, aber es interessierte mich doch brennend. Matt machte eine kurze Pause, bevor er antwortete. "Ich musste es am Ende doch wissen, was aus ihm geworden war. Relativ schnell konnte ich herausfinden wer hinter diesem Namen steckte. Aiden hat da einige sehr gut Kontakte."

Ich war unglaublich gespannt. Vielleicht würde Matts Geschichte, ja ähnlich ausgehen wie meine und er könnte eine gute Beziehung zu seinem Vater aufbauen. "Relativ schnell hat sich herausgestellt, dass mein Vater tot ist. Er ist vor fünf Jahren bei einem Autounfall verunglückt. Aiden konnte die Telefonnummer von seiner Mutter, meiner Großmutter herausfinden, aber ich glaube ich werde nicht anrufen. Ich will mit dem Thema einfach abschließen.", erzählte er dann.

"Das tut mir leid.", murmelte ich etwas abwesend, obwohl ich diesen Mann nicht kannte und auch nicht mit ihm verwandt war, so stimmte es mich doch traurig. "Willst du nicht wissen was für ein Mensch er war?", fragte ich dann. "Eigentlich nicht. Ich weiß, dass ich ihn nicht kennenlernen kann und das reicht. Ich habe eine sehr gute Beziehung zu Bill und Andrea, meinen Schwiegereltern und außerdem auch zu Christian. Ich möchte nichts über einen Mann erfahren, den ich sowieso nicht mehr kennenlernen kann."

Ich versuchte ihn irgendwie zu verstehen, doch es fiel mir ehrlich gesagt schwer. Ich wollte schon mein ganzes Leben erfahren wer mein Vater war und selbst wenn er bereits gestorben wäre, dann hätte ich alles über ihn erfahren wollen. Matt war allerdings anders als ich und das würde ich akzeptieren müssen. "Vielleicht sollten wir uns in England gemeinsam mit Dad treffen.", sagte ich dann noch leise und Matt stimmte zu.

Wir sprachen noch eine Weile miteinander, doch als Max das Hotelzimmer betrat, legte ich bald auf. Morgen würde ein langer Tag werden. Am Abend gingen mir viele Gedanken durch den Kopf.

Ich hatte mir fest vorgenommen das Wochenende zu genießen. Nicht nur weil es das letzte Wochenende von Daniel bei Red Bull sein würde, sondern auch, weil es danach in die Winterpause gehen würde und mit Formel 1 Rennen erst einmal für eine Weile Schluss sein würde.

Mein Studium fing dann auch an und ich wusste jetzt schon kaum wie ich alles unter einen Hut bekommen sollte. Zwischen den Wochenenden musste ich mir dann wirklich Zeit für mein Studium nehmen. Sonst hatte ich Max auch gerne mal zu einem Pressetermin begleitet oder wir waren doch noch für ein paar Tage in England bei meinem Vater.

Mein Leben würde wesentlich stressiger werden. Dank meinem Vater hatte ich nämlich auch einen Job. Ich war nicht unbedingt die wichtigste Person im Team, aber umso länger ich bei den Rennen dabei war umso mehr Aufgaben konnte ich übernehmen und wenn ich nur Akten für ein Meeting sortierte oder den Marketingteam beim Aufbauen für irgendeinen Videodreh oder Fotoshooting zu helfen.

Auch wenn ich sicherlich entbehrlich war, so hatte ich doch einen Arbeitsvertrag an den ich mich halten musste. In letzter Zeit quälten mich diese Sorgen immer mal wieder. Am Ende des Tages wusste ich ja doch nicht wie es werden würde und alles was ich mir jetzt ausmalte war nur Spekulation. Ich beschloss also mich wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren.

Am Tag des Qualifyings wachte ich gemeinsam mit Max auf. Nachdem wir beide kurz unter die Dusche gesprungen waren, machten wir uns auch schon auf den Weg zur Rennstrecke, die zum Glück nicht weit entfernt von unserem Hotel war. Es gab Grund dafür optimistisch zu sein. Bisher waren beide Autos in den freien Trainings sehr gut gewesen.

Es war trotzdem zu erwarten, dass Mercedes am Ende schneller sein würde. Es war nicht untypisch, dass sie in den Trainings noch nicht ganz so schnell waren, wie im Qualifying. Eine gute Startposition würde allerdings reichen. Es war sowieso das letzte Rennen und die Weltmeisterschaft war längst entschieden.

Das war allerdings für Max noch lange kein Grund nicht alles zu geben und trotzdem versuchen zu gewinnen. Er war ja auch noch sehr jung und seine Zeit als Weltmeister würde kommen, da war ich mir vollkommen sicher. An diesem Tag möchte ich einfach nur an seiner Seite sein. Wie immer gab ich ihm noch einige letzte Worte mit auf den Weg bevor ich zu meinem Vater an den Kommandostand ging.

Das Qualifying verlief nicht ganz so gut, wie die freien Trainings und Max und Daniel konnten nur Fünfter und Sechster werden und mussten sich am Ende beiden Mercedes und beiden Ferrari geschlagen geben. Trotz all dem war es nicht unbedingt die schlechterste Voraussetzung für das Rennen am nächsten Tag.

Der restliche Abend verlief sehr ruhig und trotzdem verging die Zeit extrem schnell. Gefühlt waren wir gerade erst angekommen, als auch schon der Renntag vor der Tür stand. Es waren ja immer nur ein paar Tage, die wir an einem Ort verbrachten und trotzdem waren mir die anderen Wochenenden immer länger vorgekommen als dieses hier.

So stand ich, ohne wirklich glauben zu können, dass es schon so weit war, sonntags kurz bevor Max in die Startaufstellung fahren würde an seinem Auto in der Box. Er war bereits eingestiegen. "Also das letzte Rennen für diese Saison.", sagte ich. Max nickte. "Wie fühlst du dich?", fragte ich ihn.

"Eigentlich sehr gut. Irgendwie glaube ich das, dass ein gutes Rennen wird. Zumindest sagt mir das mein Gefühl.", erwiderte er. Ich lächelte und legte meine Hand auf seine Schulter. "Du machst das schon. Ich glaube an dich.", sagte ich, bevor ich mich rasch verabschiedete. Heute hatte ich nämlich noch etwas anderes vor. Ich stattete Daniel einen Besuch ab.

Ich lächelte leicht, auch wenn ich keinen wirklichen Grund hatte mich zu freuen. "Viel Glück für dein letztes Rennen für Red Bull, Daniel.", sagte ich und ich sah wie er anfing zu Grinsen. "Bekomme ich dieses Mal, auch noch einmal ein paar letzte Worte?", fragte er mich. Ich nickte. "Ich dachte ausnahmsweise kann ich dir auch noch einmal viel Glück wünschen."

Ohne das ich es merkte schlich sich auch auf meine Lippen ein Grinsen. "Ach und sonst wünscht du mir kein Glück?", fragte Daniel etwas provokant. Jetzt konnte ich mein Lächeln nicht mehr zurückhalten. "Solange du hinter Max bleibst schon.", erwiderte ich. "Autsch!", sagte Daniel nur. "Nein, ernsthaft. Viel Glück! Mach, dass es ein tolles letztes Rennen wird.", sagte ich dann ernsthaft.

"Danke Aria!", antwortete Daniel. Auch von ihm musste ich mich jetzt verabschieden, denn es wurde Zeit. Beide Red Bulls verließen die Garage und machten sich zum letzten Mal in dieser Saison auf den Weg in die Startaufstellung. Mit einem matten Lächeln sah ich ihnen hinterher. Ich wusste, dass ich die Rennstrecke vermissen würde, aber immerhin hatte ich die Gewissheit, in ein paar Monaten zurückzukommen. Hoffentlich machten Max und Daniel auch noch meinen Wunsch wahr und fuhren ein gutes Rennen.

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