Kapitel 83

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Die gesamte Autofahrt über, zurück zu dem Haus meines Vaters starrte ich wie paralysiert aus dem Fenster. Ich bekam gar nichts mehr um mich herum mit und das wollte ich ehrlich gesagt auch nicht. Max hielt die gesamte Zeit über meine Hand, aber ich nahm seine Berührung kaum wahr. Es war nicht so wie sonst, wo sich ein geradezu elektrisierendes Gefühl in meinem ganzen Körper breit machte.

Es fiel mir schwer meine Emotionen zu beschreiben. Unter Wut, Trauer, Verzweiflung und vielleicht sogar ein kleines bisschen Freude war alles dabei. Alles in allem ließ sich die Situation wohl am besten mit einem Wort beschreiben: Überforderung! Ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte oder wie ich damit umgehen sollte. Meine Emotionen spielten verrückt und es schien nichts dagegen zu helfen.

Fast hätte ich es nicht mitbekommen, dass wir Zuhause angekommen waren. Wir stiegen aus dem Wagen und ohne etwas zu sagen, ging ich einfach nach drinnen und ließ mich im Wohnzimmer auf das Sofa fallen. Max setzte sich neben mich. "Brauchst du irgendetwas? Soll ich dir etwas bringen?", fragte er und strich mir fürsorglich über den Arm.

"Irgendetwas mit viel Alkohol.", antwortete ich. Max zog seine Augenbrauen nach oben. "Sicher?", fragte er noch einmal nach mit einem Grinsen auf den Lippen. Ich nickte. "Gut, dann betrinken wir uns." Sein Pragmatismus war manchmal Gold wert. Ich war wirklich froh, dass er nicht groß hinterfragte, was ich gerade gesagt hatte, sondern tatsächlich aufstand und dann mit ein paar Gläsern Wein wiederkam und einer Flasche.

Mein Vater war mit Geri in der Küche, aber Matt und Aiden waren mittlerweile angekommen. "Sehr gut. Wein, den kann ich jetzt sehr gut gebrauchen.", sagte Matt und wandte sich dann an Aiden: "Du fährst?" Aiden nickte und ließ sich neben Matt fallen. "Das ist heute ja etwas anders gelaufen als erwartete.", murmelte dieser dann.

Es war komisch hier im Wohnzimmer mit Aiden zu sitzen. Er war eigentlich mein Anwalt und wir hatten uns fast ausschließlich in seinem Büro gesehen, doch jetzt war er als Matts Freund hier. Das Gerichtsverfahren war jetzt allerdings vorbei und bis auf einige wenige Formalien, hatte ich wohl nichts mehr mit Aiden zu besprechen.

Ich nippte an meinem Wein. Keine Ahnung wann ich das letzte Mal etwas getrunken hatte. Oft war es wenn dann nur sehr wenig. Das letzte Mal betrunken, war ich wohl mit Max. Das war so lange her. Was in der Zwischenzeit alles passiert war. Ich konnte es kaum glauben, aber am Ende des Tages war ich für die letzten Monate mehr als dankbar.

Der baldige Tod meiner Mutter hätte mich wohl viel mehr getroffen, wenn das alles nicht passiert wäre. Sonst hätte ich niemanden mehr. Aktuell konnte ich es allerdings noch nicht wirklich glauben. Ich schob das Thema einfach von mir weg und versuchte an etwas anderes zu denken. Das nächste Rennen war in Mexico. Darauf freute ich mich irgendwie ebenfalls. Hoffentlich würde das Rennen gut für Max ausgehen.

Es waren nicht mehr viele Rennen bis die Saison vorbei war. Nur noch drei. Ich und Max waren schon dabei uns zu überlegen was wir in der Winterpause tun würde. Zuerst wollten wir auf jeden Fall Urlaub machen. Wir hatten uns noch nicht ganz entschieden wo wir hin wollten. Vielleicht fahren wir einfach für ein paar Tage nach Österreich in die Alpen. Dann könnte Max noch etwas Skifahren und ich würde es mir in einem Wellnesshotel gut gehen lassen.

Außerdem war ich nur in Österreich als ich für das Formel 1 Rennen dort war und natürlich als ich selbst ein paar Runden fahren durfte. Es war so lange her. Außerdem war auch nicht wirklich viel Zeit. Das ist bei den Rennen nie der Fall. Trotzdem war die Kulisse wunderschön. Ich war auf jeden Fall nicht abgeneigt, noch einmal dort hinzufahren und alles in Ruhe anzusehen. Vielleicht nicht direkt zur Strecke, aber die Alpen im Allgemeinen.

Zuerst würden wir auf jeden Fall ein paar Tage in Monaco verbringen. Ich hatte mir auch vorgenommen mal wieder bei Madame Laurent vorbeizuschauen. Im Gegensatz zu noch vor ein paar Monaten hatte ich diesmal tatsächlich das Geld mir ihre Klamotten zu leisten. Am Ende der Winterpause sind wir in England. Max wollte sich eine Wohnung in der Nähe von Milton Keynes anschauen um nicht immer in einem Hotel bleiben zu müssen. Er hatte in der Factory einiges an Saisonvorbereitung zu tun und mir war das ehrlich gesagt auch ganz recht, weil ich so wieder etwas länger bei meiner Familie bleiben konnte.

Heute war auch nicht wirklich der Tag, an dem ich mit den Kindern spielen würde. Dazu war ich nun wirklich nicht in der Verfassung. Außerdem trank ich gerade Wein und betrunken mit den Kindern zu spielen sollte ich nun wirklich lassen. Ich merkte jeden Schluck, da ich so selten trank reagierte ich wohl schneller auf den Alkohol.

Es gab noch eine Sache, die ich mir für die Winterpause vorgenommen hatte. Ich wollte auch unbedingt Emily und Matt besuchen. Vielleicht konnte ich das tun, wenn Max irgendwelche Termine hatte, was wohl auch in der Winterpause vorkam. Auch wenn er erst einmal ein paar Wochen frei hatte. Eines musste man über Formel 1 Fahrer wirklich sagen: Sie hatten einen extrem stressigen Job. Da blieb nicht viel Zeit für andere Dinge. Wobei das Max nicht zu stören schien. Er liebte das was er tat. Vielleicht wollte er sogar mitkommen. Immerhin würden wir Weihnachten auch Max' Familie besuchen.

Ich freute mich auf diese Winterpause und fing jetzt schon an alles durchzuplanen. Es war das erste Mal, dass ich wirklich Zeit mit Max verbringen konnte und wir nichts anderes im Kopf haben mussten. Vielleicht wäre sogar mal wieder Zeit für irgendeine verrückte Aktion. Woran ich in diesem Moment gar nicht dachte, was aber wohl auch auf uns zukommen würde, war die Beerdigung unserer Mutter. Ich hatte keine Ahnung wie lange sie noch genau hatte, aber ich hielt es nicht für unwahrscheinlich, dass es nur noch wenige Monate waren und dann würde es genau in die Winterpause fallen.

In diesem Moment verdrängte ich aber einfach jeden Gedanken an meine Mutter. Ich versuchte an nichts zu denken, was mit ihr zu tun hatte und es funktionierte.

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