Kapitel 54

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Als ich das Blatt Papier sah, auf dem Aiden die ganze Zeit geschrieben hatte war ich mehr als nur beeindruckt. Ich konnte nicht glauben, dass er das nur aufgeschrieben hatte während ich geredet hatte. Auf der linken Seite standen allerlei Argumente gegen meine Mutter und auf der rechten Seite standen die Beweise. Für mich sah es fast schon so aus als könnte man damit vor Gericht ziehen, aber ich hatte natürlich keine Ahnung.

"Weißt du das alles spricht gegen deine Mutter. Ich werde sehen was sich gesetzlich noch tun lässt, aber ich glaube, selbst wenn sie gesetzlich einen Anspruch auf Unterhalt habe wirst du nichts an sie zahlen müssen.", erklärte Aiden und ich sah ihn verwirrt an. "Aber wenn ihr das Gesetz recht gibt." Aiden hatte wieder ein Lächeln auf den Lippen, wie eigentlich die meiste Zeit. "Ja, aber vor uns sitzt kein Gesetzbuch, sondern ein Richter. Diesem Richter müssen wir klar machen, dass sie es nicht verdient hat. Der Sinn von einem Rechtsstaat ist nach wie vor Gerechtigkeit und wenn ich mir deine Fall ansehen, dann ist es nicht gerecht, wenn deine Mutter Geld von dir bekommt."

Ich nickte. Aiden hatte ja Recht. Sie hat mir mein Leben nicht unbedingt schöner gemacht und, dass hatte auch jeder gemerkt. In meiner Schulzeit haben mich einige Lehrer angesprochen, weil meine Mutter mich teilweise verwahrlosen ließ. Nur sehr selten hat sie mir neue Klamotten gekauft. Meistens habe ich dann Matts alte Klamotten angezogen oder von Freundinnen oder meinen Nachbarinnen etwas bekommen. So etwas hatte sie nie interessiert.

"Also Aria, im Moment brauche ich nicht mehr von dir. Jetzt werde erst einmal ich die Arbeit übernehmen." Er stand auf und reichte mir seine Hand. Dann verließ ich das Büro und hatte das erste Mal seit ich den Brief von meiner Mutter bekommen hatte wieder ein Lächeln auf den Lippen. Aiden hatte mir wieder Mut gegeben und Hoffnung nichts zahlen zu müssen. Ich würde für mich arbeiten und nicht um meiner Mutter jeden Monat Geld zahlen zu können.

Ich fuhr wieder zurück nach Hause. Aiden hatte mir wieder etwas Mut gegeben. Max musste an diesem Tag wieder nach Hause fliegen. Er war seit dem Rennen nicht mehr in Monaco gewesen und langsam wurde es Zeit. Ich beschloss allerdings erst einmal hier zu bleiben. Die aktuelle Situation war einfach ungünstig. Ich wollte hier sein, falls Aiden etwas von mir brauchte. Trotzdem war ich furchtbar genervt. Ich und Max hatten gerade erst unsere Beziehung auf die Reihe bekommen und jetzt das.

Wir wären schon wieder getrennt. Auch wenn ich wusste worauf ich mich eingelassen hatte. Ich und Max würden uns nicht so oft sehen wie die meisten Paare. Vor allem nicht bis ich fest in Monaco wohnte. Der Job eines Formel 1 Fahrers war stressig und er hatte nicht viel Zeit. Ich akzeptierte das, aber könnte ich es mir aussuchen, dann hätte ich mir einen anderen Job für ihn gewünscht.

Es kam für mich trotzdem nicht in Frage jemals einen anderen Mann in mein Leben zu lassen. Max gab mir so viel Kraft. Er hatte mich nie verurteilt und mich immer so akzeptiert wie ich war. Egal wie unsicher ich gewesen war oder unbeholfen. Er hatte meine verrückten Ideen kompromisslos akzeptiert. Er konnte mich beruhigen, wenn ich aufgebracht war und ich musste mir nie Gedanken darüber machen ob ich ihm etwas anvertrauen konnte.

Ich hatte so lange Selbstzweifel, doch das war völlig unnötig. Max war ernst und hörte mir zu wenn es nötig war, aber er brachte mich auch zum Lachen wenn ich das brauchte. Manchmal hatte ich etwas Zweifel, weil ich mein engstes Umfeld nur seit wenigen Monaten kam, doch sie bewiesen mir immer allesamt, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Matt war die einzige Person, die ich länger kannte, doch ihn hatte ich dafür seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.

Verrückt. Ohne Max hätte ich Matt wohl nicht wieder getroffen. Ich hatte Geri damals zwar versprochen mich bei meiner Mutter zu melden, doch ich wäre wahrscheinlich niemals hingefahren, wenn mir Max nicht seine Familie beim vierten Treffen vorgestellt hätte. Ich hatte zwar überlegt für ein Treffen zu meiner Mutter zu fahren, doch eigentlich wollte ich das nicht. Ich hatte schon geahnt, dass das nicht besonders romantisch oder lustig werden würde.

Dann dachte ich mir allerdings, dass Max es verdient hatte meine Mutter kennen zu lernen. Auch wenn ich seine tatsächlich noch nicht getroffen hatte, doch sie würde zum übernächsten Grand Prix kommen. Dort wollten wir das nachholen. Diese vierte Treffen von Max hatte so viel in Gang gebracht. Ich musste ihm das unbedingt noch sagen. Ich glaube, dass war ihm nicht bewusst.

Wenn er mir nicht seine Schwester und seinen Vater vorgestellt hätte, dann wären wir nicht zu meiner Mutter gefahren, dann hätte ich nicht den Brief von der Universität von Monaco gefunden. Das hätte bedeutet, dass ich nicht zu ihm gezogen wäre. Außerdem wären wir dann auch nicht Matt begegnet und ich hätte meinen Bruder nicht wieder.

Vielleicht wären wir dann gar nicht zusammen. Im Moment konnte ich mich daran klammern, dass ich ihn öfter sehen würde, wenn ich in Monaco war, doch bis dahin hatten wir eine Fernbeziehung. Nach wenigen Tagen Beziehung zu ihm zu ziehen wäre allerdings auch etwas übereilt. Ich würde es nicht riskieren wollen, dass es nicht funktionieren würde.

Als ich das Haus betrat wartet Max bereits mit zwei Koffer auf mich. "Fährst du jetzt?", fragte ich, während ich mich in seine Arme fallen ließ und er mir einen Kuss auf den Haaransatz gab. Max grinste mich an und ich versank wie so oft in seinen Augen. Sie zogen mich immer noch so in ihren Bann wie am ersten Tag.

Ich musste daran denken, wie ich meinen gesamten Kaffee auf meinem T-Shirt verteilt hatte als ich seine Augen zum ersten Mal gesehen hatte. "Ich dachte du kommst vielleicht mit." Ich blickte verwirrt auf. "Aber...", wollte ich einwenden, doch er unterbrach mich sofort. "Aria, du hast bis zum nächsten Rennen nichts zu tun. Selbst wenn der Anwalt etwas von dir braucht, dann könnt ihr immer noch telefonieren. Ich würde dich nur ungerne alleine lassen in dieser Situation. Ich kann eh schon nicht so viel für dich da sein wie es gerne wäre."

Seine Worte brachten mich zum Grinsen. "Sag einfach ja!", forderte er mich auf, nachdem ich nicht antwortete. Er hatte ja Recht. Wie zu erwarten wurde ich weich. Es fiel mir schwer Max einen Wunsch abzuschlagen. "Na gut. Ja! Ich muss nur noch schnell meinen Koffer packen." Ich wollte gerade nach oben gehen als Max mich aufhielt. "Habe ich schon!", sagte er und reichte mir einen der beiden Koffer, die neben ihn standen.

Etwas verdutzt griff ich danach. Max hatte gewusst das ich ja sagen würde. Früher hätte mich über so etwas aufgeregt, doch jetzt musste ich einfach nur lächeln. Ich wurde gerne berechenbar, wenn ich dafür Max an meiner Seite hatte.

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