Drei Tage später flogen ich und Max nach England. Der Zustand meiner Mutter hatte sich zunehmend verschlechtert und die Ärzte hatten mir geraten lieber früher als später zu kommen um sich zu verabschieden. Ich war furchtbar nervös. Die letzten Male als ich sie gesehen habe sind alles andere als gut verlaufen. Gipfelnd natürlich in der Gerichtsverhandlung.
Trotzdem traf ich mich am Tag darauf mit Matt. Max wich nicht von meiner Seite und fuhr gemeinsam mit uns ins Krankenhaus. "Soll ich draußen warten?", fragte Max und ich nickte. Auch wenn ich furchtbar nervös war und den Tränen nahe stand musste ich da allein durch. Matt war ja auch noch bei mir. Er war schon vor ein paar Tagen hier.
Ihm war es etwas leichter gefallen als mir. Er hatte sie allerdings auch jahrelang nicht gesehen. Vielleicht viel ihm der Abschied deshalb etwas leichter. Es nahm ich ebenfalls mit, dass schon, aber ich hatte das Gefühl, er hatte in gewisser Weise bereits mit ihr abgeschlossen. Bei mir war das anders.
Tief in mir hatte ich immer die Hoffnung, dass wir uns doch noch einmal zusammenreißen würden und zumindest ein einigermaßen normales Verhältnis pflegen würden. Natürlich hatte sich mit der Klage so einiges geändert, aber spätestens seit der Gerichtsverhandlung war wieder alles anders.
So wütend ich auch sein wollte, fiel es mir nicht leicht. Ich wusste ganz genau, dass dies die letzten Momente mit meiner Mutter sein würden. Egal was sie getan hatte, diese Chance wollte ich auf keinen Fall verpassen. Sie war doch die Frau bei der ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht hatte. Auch wenn sie mir über Jahre ein schlechtes Gefühl gegeben hat, war sie doch diejenige, die mich am Ende des Tages großgezogen hatte.
Sie hatte sicher ihre Fehler und trotzdem würde ich nicht sagen, dass sie ein schlechter Mensch war. Sie war nur keine gute Mutter. Gut, seien wir ehrlich, auch wenn sie im Sterben liegt, sie war eine furchtbare Mutter. Sie war eigentlich immer damit überfordert. Was ich aber oft vergaß, war dass sie zumindest bei Matts Geburt noch sehr jung war. Ich war wohl auch kaum geplant, denn sonst hätte sie es meinen Vater wohl nicht verschwiegen.
Ich knetete meine Hände als Matt die Tür öffnete. Er warf mir einen aufmunternden Blick zu, der wohl lieb gemeint war, die Situation, aber leider nicht wirklich besser machte. Unsere Mutter war kaum wiederzuerkennen. Ihre Haut war noch blasser als sonst. Ihr Kopf wurde von einem rosa Tuch bedeckt, welches sie sonst immer getragen hatte, wenn sie putzte.
Sie starrte aus dem Fenster und ich war mir nicht sicher ob sie uns bemerkt hatte. Zum Glück war sonst niemand im Zimmer. Es war kein Einzelzimmer, aber es war wohl gerade einfach keiner da. Matt ging um das Bett herum und griff vorsichtig nach ihrer Hand. Sie schreckte auf. "Matt! Du bist es.", sagte sie mit einer brüchigen Stimme.
Es verpasste mir einen Stich, sie so zu hören. Ihr Blick wanderte zu mir. "Aria! Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst.", sagte sie. "Es tut mir leid, ich bin nicht ganz bei mir. Die Schmerzmittel. Ich hoffe ich bilde mir das gerade nicht nur ein.", sagte sie dann. Ich schüttelte leicht den Kopf. "Du bildest dir das nicht ein. Ich habe mich tatsächlich für dich in ein Flugzeug gesetzt. Ich weiß das hätten wir alle nicht erwartet."
"Matt würdest du mich und deine Schwester alleine lassen. Ich habe ihr etwas zu sagen.", sagte meine Mutter dann. Mir war es nicht recht, dass er ging. Wenn ich aber ehrlich war interessierte mich doch sehr was sie mir noch zu sagen hatte. Matt verließ den Raum und ich lehnte mich ans Fensterbrett. Schwach sah sie mich an.
"Aria, ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich weiß, dass ich keine gute Mutter war. Im Nachhinein hätte ich meine Prinzipien einfach über den Haufen werfen sollen. Ich habe euch nicht gut behandelt und meine Bedürfnisse über eure gestellt. In den letzten Tagen ist mir das bewusst geworden. Ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Es gibt so viel für das ich mich entschuldigen möchte."
Sie machte eine kurze Pause und ich konnte mir einen Kommentar nicht verkneifen. "Wie wäre es mit Dad?", fragte ich. "Das bereue ich wirklich. Ich hätte es Christian sagen sollen. Er war ein guter Kerl. Ich hätte dir auch Matt nicht vorenthalten sollen. Christian ist sicher ein viel besseres Elternteil als ich je sein könnte. Ich war nicht bereit mein eigenes Leben für euch einzuschränken. Vielleicht war ich einfach zu jung. Ich weiß, dass das alles meine Fehler waren."
Keine Ahnung was ich von dieser Entschuldigung denken sollte. Es war zum einen das was ich immer hören wollte und zum anderen änderte es doch nichts. Meine Kindheit war bereits im Eimer. Es ließ mich trotzdem nicht kalt als ich bemerkte, wie ihr eine Träne über die Wange lief. "Es gibt noch eine Sache die ich dir sagen will. Ich bin stolz auf die Frau, die du geworden bist und ich weiß, dass du es nicht wegen mir sondern trotz mir geschafft hast. Ich weiß auch, dass ich Max unrecht getan habe. Ich kenne die Bilder von diesem Wochenende. Ich sehe wie glücklich er dich macht und das freut mich ehrlich. Zu guter Letzt, noch eine Sache, auch wenn du mir wohl nicht glauben kannst, aber ich liebe dich Aria. Wirklich das habe ich immer und mir tut alles leid was ich dir angetan habe."
Für einen Moment blieb ich einfach nur stumm. Die Tränen waren in mir hochgestiegen. Ich konnte nicht verhindern, dass ihre Worte in mir so einiges auslösten. Ich konnte meine Emotionen nicht beschreiben. Es war zwischen Wut, Trauer, Erleichterung, Freude und Verwirrung alles dabei.
So überfordert war ich wohl mein ganzes Leben noch nicht. Wie in Trance ging ich auf sie zu. Ich konnte meine Mutter kaum sehen, denn die Tränen nahmen mir die Sicht. Ich wischte sie mir aus den Augen und griff nach ihrer Hand. Als die nächsten Worte über meine Lippen kamen, war ich mir nicht sicher ob ich sie wirklich so meinte. Vielleicht meinte es ein Teil von mir wirklich so. Es gab aber auch einen Teil, der es ihr leichter machen wollte. Ich wusste ich würde nicht mehr viele Chance haben mit ihr zu reden. Vielleicht war es sogar meine letzte Chance.
"Ich vergebe dir!"
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A new life
FanfictionEin Brief sollte Arias ganzen Leben verändern. Für sie beginnt ein neues Abenteuer zwischen Familientragödien, komplizierte Beziehungen und der Formel 1... Die Geschichte spielt in 2018, Rennergebnisse und andere Rahmenbedingungen sind so gut wie m...