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Naira ließ sich so viel Zeit, wie es nur möglich war. Der Gedanke, dass sie sich mit Thranduil unterhalten musste, sobald sie den Thronsaal wieder betrat, ließ sie mit einem inneren Zwiespalt zurück. Einerseits interessierte es sie, wie es Thranduil ergangen war, seit die beiden sich das letzte Mal gesehen hatten. Andererseits hatte sie Angst davor in welche Richtung dieses Gespräch gehen würde. Was, wenn sie wieder etwas Falsches sagte ohne es zu merken? Was würde er dann tun? Mit einem leisen Seufzen sah sie an sich herunter und musterte das graue Kleid. Sie musste es wohl selber herausfinden, was passieren würde.
Nach einer halben Ewigkeit war sie wieder im Thronsaal angekommen, der Umweg um die Briefe für Thranduil abzuholen war ganz zu ihrem Leidwesen kein Umweg gewesen. Der König schien kaum Notiz von ihr zu nehmen, als sie ihm die Briefe übergab.

Thranduil nickte ihr dankbar zu, als sie ihm die Briefe übergab. Sie war nicht weggelaufen nach seinem Angebot. Das war wohl ein Fortschritt, wenn auch ein kleiner. Misstrauisch ließ er seinen Blick über die Briefe in seinen Händen tanzen. Die meisten würden wohl Zusagen für den Ball beinhalten, der in wenigen Wochen stattfinden sollte. Thranduil hasste diese geheuchelten Worte, die sich in den Briefen befanden. Die dachten wohl alle er würde nicht merken, was ihr Plan war
Kopfschüttelnd hielt er Naira die Briefe wieder hin.
»Die könnt ihr wegwerfen!« Sein Blick huschte über die Elbin, die nicht wirklich bei ihm zu sein schien. Ihr Blick war an die weit entfernte Wand gerichtet. Über was dachte sie nach? Nachdenklich studierte er ihren Gesichtsausdruck.
»Naira?« Die Elbin reagierte nicht.
Mit einem leisen Seufzen widmete Thranduil sich wieder den Briefen und öffnete diese. Er konnte sich vorstellen, mit welchen Gedanken sich die Elbin befasste und es gefiel ihm nicht. Er hatte es anscheinend immer noch nicht geschafft, dass sie sich bei ihm wohl fühlte. »Naira?« Weiterhin keine Reaktion. Naira hatte sich ganz in die Welt ihrer Gedanken zurückgezogen.

Waren ihre Eltern gesund? Waren sie zurück in Lothlórien? Dachten sie überhaupt an sie oder wollten sie sie einfach nur nach Hause holen, weil es Thranduil war, der sie hier gefangen hielt? Sie würde wohl keine Antwort auf diese Fragen bekommen, so lange sie hier war. Unzufrieden lenkte Naira ihre Aufmerksamkeit wieder auf Thranduil. Es würde nichts bringen ihn nochmal zu fragen, ob sie gehen durfte. Immerhin hatte er seine Absichten mehr als deutlich gemacht. Schwerfällig richtete sie sich auf und nahm ihm die Briefe ab, die er ihr immer noch entgegenhielt. Hatte er etwas gesagt?
Ohne sie anzusehen wiederholte sich Thranduil: »Ihr könnt die Briefe wegwerfen. Das wäre dann alles für heute. Ihr könnt gehen!«

Nachdenklich musterte die Naira den König dabei, wie seine Augen über die geschriebenen Zeilen des Papiers huschten. Es war ein müder Ausdruck, der sich in seinen Augen widerspiegelte und auch die besorgte Falte an seiner Stirn entging ihr nicht. Thranduil schien sich um irgendetwas so zu sorgen, dass es ihm in der Nacht den Schlaf raubte. Sollte sie ihn darauf ansprechen? Mit einem schnellen Kopfschütteln wendete sie sich ab und verließ den Thronsaal mit schnellen Schritten.
Trotzdem hatte sich das Bild von Thranduil, wie er dort saß, in ihren Kopf eingebrannt. Er hatte den Königstitel früh annehmen müssen. Ein halbes Jahr, nachdem Naira das Königreich mit ihren Eltern verlassen hatte, war die Nachricht in ganz Mittelerde verkündet worden. Er war viel zu jung gewesen und offensichtlich hatte es ihn alles gekostet. Sein Lachen, seine Vertrauten, seine Sorglosigkeit und noch vieles mehr.

Nairas Füße hatten sie unbemerkt zur Burgmauer getragen. Was war, wenn sie diejenige war, die ihm Unrecht tat? Er war allein, von aller Welt missverstanden. Vielleicht wollte er ja tatsächlich nur jemand, auf den er sich verlassen konnte? Damals, vor dem Streit ihrer Väter war sie das immer gewesen. Er hatte ihr blind vertraut. In ihrem Kopf schossen Bilder hin und her, wie der junge Thranduil lachend auf sie zugelaufen kam und ihr stolz den selbstgemachten Boden präsentierte. Damals war er glücklich und jetzt sorgte er dafür, dass andere litten. Sowohl er, als auch Naira hatten irgendwo auf dem Weg, den sie alleine bestreiten mussten ihr Lachen verloren.

Thranduil || Flammendes Herz √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt