~14~

1.4K 74 36
                                    

Die Verzweiflung raffte Naira dahin. Sie war bis in jede Ecke ihres Körpers geströmt und nur mit äußerster Selbstbeherrschung konnte sie sich davon abhalten, nicht auf der Stelle zusammenzubrechen.

»Mir Zeit geben…«

Sie wiederholte ihre Forderung flüsternd, beinahe so leise, dass sie fast von der angespannten Stille im Raum verschluckt wurde.

»Zeit?«

Auch Thranduils Stimme war nur noch ein leises Flüstern, während er die Elbin vor sich direkt ansah. Er hatte mit allem gerechnet aber nicht mit dieser Antwort. Sie brauchte Zeit? Hatte er ihr nicht genügend gegeben? Er konnte an ihrer Haltung, an ihrer Mimik, sogar an der Art und Weise wie sie wütend Funken aus ihren Augen schoss erkennen, dass es sie gerade alles kostete um so vor ihm zu stehen. Dabei war sie einfach nur verzweifelt.

Er konnte nicht anders. Vorsichtig streckte er seine Hand aus und legte sie sanft auf Nairas Schulter. Eine kleine Geste, dass er ihr nichts tun würde. Dass er sie verstand und dass sie keine Angst vor ihm zu haben brauchte. Die Elbin vor ihm schluckte schwer. Von dem Moment ab, wo Thranduil sie berührte hatte sie all ihren Widerstand aufgegeben. Langsam lehnte sie sich in die Berührung und atmete tief durch.

Einige Momente zuvor hatte sie noch mit stolz erhobenem Kopf vor Thranduil gestanden. Sie hatte ihn hassen können mit all der Wut, die sich über die Jahre in ihr aufgebaut hatte. Allerdings hatte es nur eine sanfte Berührung seinerseits gebraucht und Naira war in sich zusammengefallen. Ihre vorher noch angespannten Schultern waren nach unten gesackt und die aufgestaute Wut hatte sich in Luft aufgelöst. Sie fühlte nur noch den Schmerz, der sich wie eine Schlange langsam um ihr Herz geschlängelt hatte, bevor er zugebissen hatte. Immer und immer wieder. All die Lügen, die alles verschlimmert hatten und die ihr mitgenommenes Herz nur noch mehr in Mitleidenschaft zogen.

»Ihr habt gesagt ihr braucht mich? Werde ich am Schluss auch hingerichtet, weil ihr mich so sehr braucht?« Es war ein letzter Versuch ihm etwas entgegenzusetzen. Ihn so zu verletzen, wie er es getan hatte.

Thranduils Blick huschte über Naira. Er hatte spüren können, wie sie unter seiner Hand langsam in sich zusammensackte und sich ihm so verletzlich wie noch nie präsentierte. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Hätte sie ihn weiter angeschrien, dann hätte er sie zurechtweisen können aber so? Ihre geballte Enttäuschung traf ihn härter, als ihre Wut es jemals hätte tun können und ihre Angst, die Angst die sie vor ihm hatte lag wie ein dunkler Schleier über ihm, der seinen Weg bis tief in sein Herz fand und alles dunkel werden ließ.

»Ich…«

Er suchte nach den richtigen Worten aber alle schienen ihm falsch vorzukommen. Seine Kehle war zugeschnürt und als er weitersprach kam nur eine raue krächzende Stimme aus seinem Hals, während sich sein Inneres zusammenzog.

»Ich würde dir niemals etwas antun…« Seine Worte waren ehrlich, aber Naira schüttelte nur den Kopf. Wie sollte sie ihm das glauben nach allem, was er getan hatte.
Langsam löste sich eine Träne und floss ihr über die Wange. Viele Weitere folgten in kurzer Zeit. Es waren nicht die richtigen Worte gewesen, die er benutzt hatte. Die tiefe Verzweiflung drängte Thranduil dazu weiterzusprechen.

»Ich… Es… Es tut mir leid… Ich wollte dich nicht verletzen…« Langsam neigte er seinen Kopf nach unten, um Naira nicht weiter in die Augen sehen zu müssen.
»Bisher ging es immer so, wie ich es wollte… Ich wusste nicht, dass…«, „dass du mehr Zeit brauchst“ hatte er sagen wollen. Trotzdem war er mitten im Satz verstummt, weil er genau wusste, wie lächerlich das klang. Er schämte sich, dass er nicht einmal daran gedacht hatte, dass Naira von all dem hier überfordert war. Dass es ihr nicht gut ging, nur weil er es so wollte. Sie war nicht sein Besitz. Mit dieser viel zu späten Erkenntnis hob er seinen Kopf und sah die Elbin schweigend an. Der Schmerz in Nairas Augen traf ihn unvorbereitet. Irgendetwas in ihrem Innersten war zerbrochen und er war schuld daran. Das und noch viel mehr konnte er aus ihrer Mimik ablesen.

Thranduil || Flammendes Herz √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt