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Nairas Hals war wie zugeschnürt. Ihr Angreifer zog sie mit sich und all die Anstrengung, mit der sie versuchte, von ihm loszukommen, schien nichts zu bringen. Sie musste hier weg, egal wie sie es anstellen würde. Einfach nachzugeben war keine Option. Wer konnte schon wissen, was ihr Angreifer mit ihr vorhatte. Die Elbin schlug noch stärker um sich, vergeblich. Sie gegen ihren Angreifer nicht einmal den Hauch einer Chance. Der Griff um ihren Oberarm wurde nur noch stärker und sie konnte das laute rasselnde Atmen direkt neben ihrem Ohr hören. Was wollte er von ihr und wo brachte er sie hin?! Ein weiterer Versuch, laut zu schreien, wurde sofort durch eine Hand auf ihrem Mund erstickt. Allein der Geruch dieser Hand sorgte für einen Würgereiz. Sie hätte im Düsterwald bei Thranduil bleiben sollen, dann wäre sie jetzt nicht in dieser Situation.

Das Atmen des Angreifers dröhnte laut in ihren Ohren, während sie mehr schlecht als recht über den Waldboden stolperte und gezwungenermaßen ihrem Angreifer folgte. Aber da war noch etwas anderes, was jetzt an ihre Ohren drang: Lautes Hufgetrappel

Kaum einen Atemzug später kam Naira unsanft auf dem Boden auf und fing an, langsam rückwärts zu robben. Ihr Angreifer hatte von ihr abgelassen, warum?! Aber auch ihr Versuch, sich der Situation zu entziehen, wurde bald unterbunden. Es dauerte kaum eine Sekunde, bevor sie den nächsten Griff an ihrem Arm spürte. Dieser war allerdings um einiges sanfter. Das Knacken einiger Äste ließ Naira mutmaßen, dass sich derjenige vor ihr auf den Boden gekniet hatte.

Mit einer schnellen Bewegung wurde ihr der Sack vom Kopf gezogen und sie musste erst mal blinzeln, um erkennen zu können, wer dort vor ihr auf dem Waldboden kniete. Strahlend blaue Augen sahen sie besorgt an. Es war Thranduil, der ihr zur Hilfe geeilt war. Ein lautloses Schluchzen schüttelte Naira, während sie Thranduil anstarrte. Er war hier. Der Elb, der ihr so viel Leid zugefügt hatte, hatte sie gerettet.

»Naira! Ist alles in Ordnung?«

Was für eine Frage. Natürlich war nicht alles in Ordnung. Das konnte Thranduil sich auch selber beantworten. Die Elbin zitterte am ganzen Körper, ihre sonst so rosigen Wangen waren kreidebleich und mit Tränen verschmiert, das Kleid war am Saum zerrissen und dreckig und vermutlich würden sich an der Stelle, wo der Angreifer sie festgehalten hatte noch der ein oder andere blaue Fleck bilden.

Der Angreifer!

Panisch ließ sie ihren Blick hin und her huschen, bis sie schließlich den Mann fand, der für all das hier verantwortlich war. Er wurde von einem riesigen Hirsch an einem Baum festgehalten. Das Tier war ganz darauf fixiert den Mann mit seinem Geweih einzurahmen und ihn nicht aus den Augen zu lassen. Das war der ganz klare Befehl seines Reiters gewesen und diesen setzte er auch um. Naira musste ihren Blick nur einmal über das samtig glänzende Fell des Hirsches wandern lassen, um zu verstehen, dass er Thranduils Reittier war. Verwirrt starrte sie das Tier an. Sie kannte diesen Hirsch nur zu gut.

Es dauerte eine Weile, bis Naira Thranduil eine Antwort auf seine Frage gab. Vorsichtig versuchte sie aufzustehen, allerdings zitterte sie immer noch am ganzen Körper und ihre Füße wollten ihr Gewicht einfach nicht halten. Es war zu viel, was gerade in ihrem Kopf vor sich ging. Thranduil hatte sie sofort abgefangen, als er gesehen hatte, dass Naira wegknickte.

»J..ja... ihr... ihr habt mich gerettet...«, verwirrt sah sie den großen Elb vor sich an. Vor wenigen Tagen hatte sie noch wetten können, dass ihn nichts interessierte außer sein eigenes Wohl und jetzt stand er hier vor ihr mit gezogenem Schwert und einer Mimik die zum Fürchten war und das nur, weil jemand ihr wehtun wollte.

All das machte keinen Sinn in Nairas Kopf. Sanft steuerte Thranduil sie zu dem Hirsch und ehe Naira verstand, was vor sich ging hatte sie bereits keinen Boden mehr unter den Füßen und saß hoch oben auf dem stolzen Tier. So gut sie konnte klammerte sie sich mit ihren zitternden Händen am Sattel fest, sonst wäre sie vermutlich ein weiteres Mal unsanft auf dem Waldboden gelandet.

Thranduil || Flammendes Herz √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt