Langsam streifte ich meine Absatzschuhe von meinen Füßen und begann meinen mehr als wackeligen Aufstieg. Meine ganze Konzentration richtete ich darauf ja nicht abzurutschen oder einen Ast zu greifen, der mein Gewicht nicht tragen könne. Die Rinde unter meinen Händen fühlte sich trocken und rau an und nach einiger Zeit waren meine Hände etwas aufgeschürft, doch ehe ich mich versah, hatte ich den Ast erreicht, auf dem sich Dream eben noch aufgehalten hatte. Dieser jedoch stand nun schon ungeduldig mit dem Fuß wippend auf der Mauer und beobachtete meine Bewegungen kritisch.
Ich hievte mich auf den Ast, sodass ich auf ihm saß und atmete erstmal tief durch. Jetzt nur nicht runterschauen George, dacht ich. „Und jetzt stehst du auf und kommst einfach zu mir", erklärte Dream, als wäre es nichts Unnatürliches 3 Meter hoch in einem Baum zu hocken und über einen Ast auf eine Mauer zu gehen. Erneut hielt ich mir vor Augen, was die andere Option wäre und entschlossen richtete ich mich trotzdem fruchtbar zitternd auf.
Als ich jedoch aufblickte, war Dream auf einmal verschwunden. Verwirrt schoss mein Blick umher, doch nirgendwo auf der Mauer war seine Gestalt zu erkennen. Mein Herz beschleunigte sich und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wohin war er verschwunden? Dieser verdammte Idiot! Hatte er kein Verständnis für mich? Konnte er nicht nachvollzeihen, dass ich meine komfortable Zone heute schon des Öfteren verlassen hatte und es nicht gerade als Zuckerschlecken empfand über einen Ast zu laufen?
Geh einfach weiter, George, auf der Mauer bist du sicherer.
Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und schlich so mit ausgebreiteten Armen über den dicken Ast. Es war beängstigend. Es war furchterregend und ich musste mich so auf meine mit Socken bedeckten Füße konzentrieren, um nicht in den Abgrund unter mir zu blicken. Der Ast schien unter meinem Gewicht sich qualvoll zu biegen und ich bekam es mehrmals mit der Angst zu tun, er könnte durchbrechen und ich würde mir bei einem harten Aufprall sämtliche Knochen brechen oder sogar dabei sterben.
Als ich endlich auf der Mauer angekommen war konnte ich mein Glück kaum fassen. Es wollte sich schon ein Lächeln auf meine Lippen schleichen, doch dann erinnerte ich mich daran, dass ich keinen Plan hatte wohin dieser verdammte Verbrecher verschwunden war. Ich wendete meinen Blick nach links, die Mauer entlang und nach rechts, ebenfalls die Mauer absuchend, doch weit und breit keine Spur. Wo war er? Panik stieg in mir auf. Warum konnte nicht einmal etwas gut gehen? Ich unterdrückte ein Seufzen und blickte zum dunklen Himmel hinauf, das Universum beschimpfend, dass es mir so ein schweres Schicksal aufgetragen hat.
Würde ich nun umkehren müssen, ich wüsste nicht was passieren würde. Was würde mein Onkel mit einem weggelaufenen Prinzen anstellen? Er würde es wahrscheinlich zu seinem Vorteil ausnützen und behaupten, dass ich trotz all der guten Erziehung dem Thron nicht würdig bin und sich im Endeffekt selbst darauf setzen. Ich wollte am liebsten schreien anfangen, doch nicht einmal dies konnte ich tun. Es war alles so frustrierdend. Ich stand hier, die Socken an meinen Füßen konnten die Kühle der Mauer nicht fernhalten und meine festlichen Klamotten wirkten so fehl am Platz wie noch nie. Ich schloss meine Augen und versuchte mich zu beruhigen, versuchte zu erkennen was der nächste kluge Schritt war, jetzt wo ich auf mich alleinegestellt in einer Welt überleben müsste, von der ich keine Ahnung hatte.
„Kommst du langsam? Ich habe verdammt noch mal nicht den ganzen Tag Zeit!"
Ich riss meine Augen auf. Die Stimme war laut, genervt und ich konnte sie nicht zuordnen, doch sie war eindeutig von unter mir gekommen. Hektisch versuchten meine Augen in der schummrigen Nacht etwas am Boden der Mauer auszumachen, als plötzlich etwas Weißes aufblitze und ich sogelich in eine bleiche Maske mit einem lächelnden Gesicht blickte. Der Träger jedoch schien keinesfalls in einer Stimmung zum Lächeln zu sein, als er erneut rief: „Wenn du nicht in 10 Sekunden hier unten bist, dann bin ich weg!"Dream. Es war Dream. Er hatte die ganze Zeit dort unten gestanden und ich wäre nie auf die Idee gekommen auch nur einen Blick nach unten zu werfen. Ein schwerer Stein fiel von mir ab und ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden, da ich mir sicher war, dass er seinen Dorhung ernst meinte, nahm ich das eben erspähte Seil, welches in den alten Stein der Mauer mit einem eisernen Haken geschlagen war, und schwang mich zugegeben langsam von der Mauer.
Als ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, sagte ich: „Mach das nie wieder!"
Dream schien nicht zu wissen, was ich meinte und murrte nur: „Warum habe ich mich nur auf soetwas eingelassen?"
Ich tat so als hätte ich diesen Satz nicht gehört und fing an mich weiter zu besvhweren: „Das nächste mal warte auf mich, bevor du dich von einer drei Meter Mauer abseilst." Er wandte sich ab und zuckte nur mit den Schultern, packte das Seil und riss es mit einer kräftigen Armbewegung nach unten.
Ich beobachtete wie der Hacken von oben auf uns herabfiel und mit einem dumpfen Aufprall neben mir liegen blieb. Ich wollte mich gerade bücken, um ihn aufzuheben, als eine warme kräftige Hand die kurz meine Schulter berührte mich davon abhielt. „Lass es liegen!" Dream wirkte sichtlich angespannt und am Ende mit seinen Nerven, dabei war doch er es der sich wie ein Arschloch benahm.
„Tut mir leid, dass ich helfen wollte", erwiderte ich in schnippischem Tonfall und verschrenkte meine Arme vor der Brust. Was hatte er denn? Warum durfte ich den Hacken nicht aufheben? Egal, Wenn er sich so benehmen wollte, dann konnte ich das auch. Ich würde mich nicht von einem Verbrecher wie ihm tyranisieren lassen auch wenn ich völlig von ihm abhängig war.
Er hatte das Seil aufgerollt und ging nun zu der Mauer um es dort irgendwo zu verstecken, während er sprach: „Du willst mir helfen? Dann tu genau was ich sage und bleib nicht jede Minute stehen sondern folge mir sofort." Sein Ton war befehlend und verlangte keinen Widerspruch, doch ich war es nicht gewöhnt Befehle von irgendwelchen Fremden kommentarlos entgegenzunehmen, weshalb ich erneut erwiderte: „Ich glaube du hast vergessen, dass ich immer noch königliches Gewand anhabe und zusätzlich meine Schuhe noch auf der anderen Seite dieser Mauer stehen. Ich war auch noch nie so hoch in einem Baum oder habe mich von einer Mauer abgeseilt!" Dream wandte sich plötzlich zu mir um und fixierte mich mit seinem Blick, den ich selbst durch die Maske auf meiner Haut spürte und mir kalte und warme Schauer über den Rücken liefen. Es war wie in der dunklen Gasse, als ich das erste mal die Träne der Königin, welche nun schwer um meinen Nacken lastete, ihm gegenüber erwähnt hatte. Ich schien wieder der Mittelpunkt der ganzen Welt zu sein und es stellten sich die kleinen Häärchen auf meinen Armen auf. Dieser intensive Blick machte mich ganz wahnsinnig. Er schien wie rastlos auf der Suche nach etwas über mich zu fliegen und dabei jedes Detail genau zu beurteilen, nie zufriedengestellt.
„Was hast du erwartet? Dass ich dich aus diesem Schloss trage?", er stopte sich kurz, schien einmal durchzuatmen und setzte dann mit etwas weniger Wut in der Stimme fort: „Lass deine Schuhe und dein Gewand mal meine Sorge sein und folg mir einfach." Er richtete seinen Blick wieder woanderst hin, sodass ich mich nicht mehr fühlte, als würde mir die Haut vom Leibe gebrannt werden. Ich seufzte und beschloss in diesem Falle einfach nachzugeben, da mir sowieso nichts anderes übrig blieb. Dream saß am längeren Hebel, er konnte jederzeit einfach abhauen und sein normales Leben ohne mich verbringen, während ich völlig aufgeschmissen wäre. Nun fing er an unseren Fluchtweg fortzusetzen und folgte ihm stillschweigend.
Hoffe ihr habt einen wundervollen Tag <3
~S.~
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Die Träne der Königin// DNF
FanfictionGeorge, der Prinz von Tortanien, ist nach dem Tod seines Vaters mit der Aufgabe konfrontiert der neue König zu werden. Doch alles, was er wirklich will, ist Freiheit. In Freiheit sein Leben endlich leben und in Freiheit er selbst sein. George entwic...