Wir waren wieder zurück in die Haupthöhle gegangen und Dream hatte mir gezeigt, wo er die Schwerter und sonstige nützliche Werkzeuge verstaute. Leider hatte ich dabei mit vor Scham rotem Kopf feststellen müssen, dass ich zu klein war, um an das oberste Regal, in dem die Schwerter aufbewahrt wurden, ranzukommen. Dream jedoch hatte dies mit keinem Wort kommentiert, was ich mit Erleichterung hinnahm.
Nachdem wir beide etwas Wasser aus dem Bach getrunken hatten, saßen wir nun auf einem der Baumstämme und Schweigen herrschte wieder. Jedoch bemerkte ich schon einen gewissen Unterschied in dieser Stille im Vergleich zu der in der Holzhütte. Es war angenehmer und ich fragte mich, ob dies vielleicht nur daran lag, dass ich von dem Kampf vorhin, der anscheinend über Stunden gedauert hatte, so erschöpft war. Mein Blick war auf den Boden vor mir gerichtet, während mein Kopf in meinen Händen ruhte. Bei jeder Bewegung spürte ich einen Schmerz in meinem Rücken und mir schwante schon Böses, wenn ich an den morgigen Tag dachte. Mit welchen Schmerzen würde ich dann von der harten Matratze aufstehen?
"Willst du etwas zum Essen haben?", fragte mich Dream plötzlich. Ich blickte auf und sah, dass er aufgestanden und schon in Richtung der Vorratskammer gegangen war. Ich brachte nur ein Nicken zustande, zu müde für das Konstruieren von Worten. Daraufhin wandte Dream sich ab und schlenderte aus meinem Blickfeld. Erschöpft ließ ich mich wieder in meine ursprüngliche Haltung zurückfallen und schloss einfach meine Augen. Seit ich mit Dream unterwegs war, hatte ich keinen Tag gehabt, an dem ich nicht eine Sekunde komplett neuen und fremden Eindrücken ausgeliefert war. Ich hatte keine Zeit oder keine Energie mehr zum Nachdenken gehabt, sondern war entweder damit beschäftigt gewesen meine Umgebung staunend zu betrachten oder neue Informationen zu verarbeiten. Kein einziges Mal waren meine Gedanken zu dem Schloss oder zu meinem Onkel abgedriftet und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mir das nicht gut tat. Dass es mir nicht guttat, von allem weg zu kommen und zu vergessen, dass ich ein Prinz war.
"Ich werde dich nun so lange trainieren, bis du einen ordentlichen Kampf gegen mich führen kannst.", ertönte erneut Dreams tiefe Stimme, doch diesmal war sie direkt vor mir, da er schon wieder zurückgekommen war. Er würde mich trainieren? Eine Welle an Freude überkam mich. Ich richtete mich auf und er gab mir Brot und eine Karotte. Enttäuscht blickte ich auf seine Hände. Das nannte er Essen? Mein Magen stimmte mir grummelnd zu, doch ich schluckte meine Beschwerden runter und nahm einen Bissen. Ich war hier nicht Prinz. Ich war hier nicht im Schloss. Ich durfte nicht so heikel sein, denn hier ging es ums Überleben in einer Welt, in der nicht alles mit Gold verziert war.
Dream setzte sich mir gegenüber hin und aß ebenfalls ein Brot, während er weitersprach: "Du lernst schnell und scheinst dich flexibel an Situationen anpassen zu können. Das sind Fähigkeiten, die in einem echten Kampf sehr wichtig sind. Doch sind sie leider auch das Einzige, was positiv war. Der Rest ist eine Sache des Trainings und der Perfektion deiner Stärken" Er verstummte wieder und kaute weiter schweigend. Ich wusste ebenfalls nicht, was ich erwidert sollte und schloss mich ihm einfach an. Es wunderte mich, dass er doch positive Sachen an meiner Perfomance im Kampf gefunden hatte, denn abgesehen von meiner letzten Attacke, die auch sehr unüberlegt war, war ich meines Erachtens mehr als miserabel gewesen. Verdammt es hatte mich Stunden gekostet ihm auch nur ein Keuchen zu entlocken.
"Du hast Potential ein guter Kämpfer zu werden" Überrascht diese Wörter zu hören, riss ich meine Augen auf. Meinte er das ernst? Ich spürte wie mir Röte in die Wangen stieg und schnell richtete ich meinen Blick auf das Brot in meiner Hand. Das konnte doch nicht stimmen, oder? Ich hatte mich teilweise so hilflos gefühlt, als ich versucht hatte ihm Schaden zuzufügen. "Du hast gesagt, ich habe Vorteile dir gegenüber. Welche hast du damit gemeint?", richtete ich meine Frage an Dream, nachdem ich mich wieder etwas gefasst hatte und blickte ihn an. Augenblicklich setzte wieder sein brennender Blick ein und ich fühlte wie eine Gänsehaut meine Arme hinaufkroch.
"Du hattest den Vorteil, dass ich dich aufgrund deiner Gestalt und dem was du mir erzählt hast, als schlecht und unerfahren eingeschätzt habe und daher, dass ich nicht darauf aus war dich zu töten, konzentrierte ich mich auch nicht richtig. Diese beiden Dinge hast du selbst erkannt, weshalb du mich auch am Ende zu Boden bringen konntest. Deine Gestalt ist klein und schmal, was dich flinker macht als viele andere und dass kann ein großer Vorteil sein, auch wenn sie dich in Kraft übertreffen. Mit den richtigen Techniken kannst du dann Muskelprotze in sekundenschnelle überwältigen. Des weitern hättest du deine Füße mehr einsetzten können und auch mit ihnen mir mal versuchen sollen einen Tritt zu verpassen. Ein Beintritt kann vielfältiger eingesetzt werden als ein einfacher Schlag mit der Faust. Du hättest versuchen können mich abzulenken und mir dann einen Schlag zu verpassen, oder mich mal nicht nur frontal angreifen können."
Er beendete seinen Monolog und verschlang den letzten Bissen seines Brotes. Ich war mehr als erschrocken darüber, wie viele Möglichkeiten ich hätte noch ausprobieren können, welche mir wahrscheinlich früher den Sieg gebracht hätten. "Wow", murmelte ich und wusste nicht recht, was ich tun sollte. Sollte ich mich bedanken dafür, dass er mir helfen wollte? Sollte ich ihn weiter nach meinen Fehlern ausfragen? Dream unterbrach erneut meine Gedankenspirale, als er sagte: "Ich würde dir raten, dass du heute früh schlafen gehst, denn morgen werden wir gleich am Morgen laufen gehen, um deine Ausdauer zu verbessern."
Er stand auf und reckte seine beiden Arme in den Himmel, um sich zu strecken und seinen Rücken zu dehnen. "Und du siehst müde aus", fügte er noch hinzu, während er zu den Regalen ging und dort seinen vorher abgelegten Mantel an sich nahm, ihn überzog und die Kapuze über seine Haare streifte. Ich stand ebenfalls auf und erwiderte: "Danke, Dream"
Schon fast wartend stand ich da und dachte er würde sich jeden Moment zu mir umdrehen und mich mit seinem Feuerblick in meine Seele bohren, doch er schien wie erstarrt zu sein. Seine Hand hielt immernoch um den Saum seiner Kapuze fest und die einzige Bewegung, die ich sah, war das Heben und Senken seines Brustkorbes. Ich spürte wie sich eine unangenehme Atmosphäre ausbreite und ich wünschte mir ich könnte meine Worte wieder zurücknehmen. Mochte er es nicht, wenn man ihm dankte? Ich war mehr als verwirrt und war mit meinem müden Gehirn nur dazu fähig wie ein Idiot vor dem queren liegenden Baumstamm zu stehen. Sekunden verstrichen, in dem kein Geräusch der furchtbaren Stille ein Ende setzte, die gefüllt war mit einer seltsamen Anspannung. Nach einem Räuspern meinte Dream schließlich: "Ich gehe noch einmal in den Wald hinaus" Bevor ich auch nur irgendetwas erwidern konnte, war er auch schon aus dem Eingang verschwunden.
Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Tag!
~S.~
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Die Träne der Königin// DNF
FanfictionGeorge, der Prinz von Tortanien, ist nach dem Tod seines Vaters mit der Aufgabe konfrontiert der neue König zu werden. Doch alles, was er wirklich will, ist Freiheit. In Freiheit sein Leben endlich leben und in Freiheit er selbst sein. George entwic...