13.Schlaf

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Ich schrecke hoch und sitze in Sekunden schnelle, kerzengerade in meine Bett. Habe ich das gerade nur geträumt oder hab ich das wirklich getan.

Schnell nehme ich mein Handy in die Hand und sofort springt mir der Chat von Julian auf Insta entgegen. Ich kneife mich einmal um sicher zugehen ,dass das hier die Realität ist.

<Das hab ich nicht getan. Das kann doch nicht mein Ernst sein> rede ich mir ein, als ich mein Handy wegschmeiße und meine Hände vors Gesicht schlage.

Doch plötzlich erstarre ich und greife nach meinem Handy und was steht da klein unter meiner Nachricht? "Gelesen".

Womit habe ich nur so viel Pech verdient.

Obwohl ich eigentlich irgendwo auch froh sein kann, denn geantwortet hat er nicht, daher sah es wohl nicht mehr so aus also ob er das was er bei der Einweihungsfeier gesagt hatte, so ernst meinte.

Obwohl das ja genau das war was ich wollte, tat es mehr weh als es sollte.

Nachdem ich fast zwanzig Minuten nur auf die Nachricht starre und überlege, ob das jetzt gut oder schlecht ist, dass er es ignoriert hat, weiß ich einfach nicht mehr wohin mit meinem Gefühlen. Ich will einfach nur schreien oder irgendwas zerstören.

Da Maddie aber noch schläft und ich auch keine Boxsack in meinem Zimmer habe, nehme ich mir ein Kissen zur Hand und halte es vor mein Gesicht und ich schreie einmal ganz laut in dies hinein. Ich hoffe, dass es meinen Schrei so gut wie möglich abgestumpft hat, doch diese Hoffnung wurde im nächsten Moment auch schon wieder zerstört, als die total verschlafene Maddie in meinem Türrahmen steht.

< Geht's dir noch gut. Es ist 7 Uhr früh. Ich will schlafen> motzt sie mich an.

< Es tut mir total leid. Ich habe echt versucht so leise wie möglich zu sein...aber.... Wenn du schon wach bist, kann ich dir die Situation auch jetzt erklären.
Dauert aber warscheinlich ein bisschen, also mach's dir lieber in meinem Bett bequem.>

<Ich hoffe die Story ist es wert, dass ich meinen Schlaf aufgebe>

Mit diesen Worten setzt sie sich gegenüber von mir aufs Bett und kuschelt sich in die Bettdecke ein. Dann fange ich an ihr alles zu erzählen, alles über Julian und mich, das ich Gänsehaut bekomme, wenn wir uns länger in die Augen schauen und auch die Situation auf dem Balkon und generell die ganze Therapiestunde.

Ich hatte Maddie davon bis jetzt nichts erzählt, weil es sich so viel realer anfühlt wenn man es ausspricht und das es real wird, wollte ich nicht. Ich wollte das alles gar nicht erst soweit kommen lassen. Ich wollte, dass -wie vieles in meinem Leben- mit mir selbst aus machen.

Maddie hört mir teilweise aufmerksam zu, manchmal fallen ihr dann doch ein bisschen die Augen zu, doch endgültig wach ist sie, als ich ihr von gestern Abend erzähle und das ich ihm wirklich geschrieben habe und das er es gelesen hat, aber ich nicht weiß was ich davon halten soll.

Mit aufgerissenen Augen reißt sie mein Handy an sich. < Du hast es wirklich getan> sprudelt es aus ihr heraus und hat dabei noch ein Grinsen auf den Lippen.

< Was soll denn jetzt bitte das Grinsen bedeuten ?> frage ich sie mit gerunzelter Stirn und ziehe das Handy wieder an mich.

< Ganz ehrlich was Martina zu dir gesagt hat macht einfach nur Sinn und Augen habe ich auch im Kopf. Deine Blicke zu ihm und umgekehrt sind mir auch nicht entgangen. |.....| Da ist etwas zwischen euch und das du gestern Abend überhaupt ihm geschrieben hast, zeigt nur das du das auch weißt. >

Nach einer kurzen Stille, fange ich an zu reden< Naja, ob ich dran glaube ist jetzt sowieso egal, sieht nicht danach aus als wenn er das genau so sieht und wie gesagt ich bin mehr als okay damit> damit beende ich meinen Satz und setzte ein nicht gerade perfektes Lächeln auf.

< Mich musst du nicht anlügen und glaub mir, dass er noch nicht zurück geschrieben hat heißt gar nichts. Warte nur ab > erwidert Maddie.

Da ich jetzt schon dabei bin Maddie die Wahrheit zu erzählen, mache ich damit gleich weiter< Da ist noch was. Genauso habe ich meine Mum geschrieben, ob sie heute Zeit hätte zu telefonieren....Ich muss ihr erklären warum ich Weihnachten noch nicht zu Hause feiern kann. Martina hat gesagt, dass ich es ihr ehrlich beantworten soll, ohne beschönigen.> Ich mache eine kurze Pause und führe dann fort< Ich habe einfach Angst, dass sie das nicht versteht>

< Soll ich dir mal eins sagen, du verletzt sie nur mehr wenn du gar nicht mehr mit ihr redest. Nur Ehrlichkeit bringt euch wieder zusammen> antwortet mir Maddie, die mich damit direkt in den Arm nimmt.

Als wir uns wieder lösen, versucht mich Maddie ein bisschen aufzumuntern.< Oh Gott, so viele Informationen vor 11 Uhr sind echt zu viel für mich. Nicht meinen Zeit> Dann wird sie aber wieder ernster.< Aber hey, ich bin heute gerne dabei wenn du mit deiner Mum telefonierest und mach dir nicht mehr so viele Gedanken über Julian, der wird sich schon melden...falls es überhaupt das ist was du willst>

Gute Frage ob ich das noch will.

Um ehrlich zu sein hat es mich echt überrascht das es selbst Maddie aufgefallen ist, dass da was zwischen uns ist, denn zusammen gesehen hat sie uns nur einmal. War das echt so offensichtlich?

Doch Maddie riss mich aus meinen Gedanken. < Eins muss ich noch loswerden. Ich bin so unfassbar stolz auf dich und du solltest das auch sein. Hallo, hättest du vor einem Jahr gedacht, dass du überhaupt irgendwann mal wieder mit deiner Mum redest und jetzt...jetzt willst du auch noch so offen und ehrlich zu ihr sein. Das zeigt, auch wenn es mal kleine Schlenker gibt, dass du auf dem richtigen Weg bist> als sie gerade ihren Satz beendet, laufen die ersten Tränen ihre Wangen runter.

< Keine Sorgen nur Freudentränen> wirft sie schnell ein und dabei formen sich ihre Lippen zu einem Grinsen.< Danke, dass bedeutet mir so unendlich viel. Ohne dich wäre ich gar nicht erst soweit gekommen und glaub mir wenn ich du gewesen wäre, hätte ich mich schon 10 tausend mal aufgegeben, aber du...du hast das nie. > sage ich und drücke sie drauf hin ein Zweites mal fest an mich.

Nachdem wir eine Weile so verweilen, flüstert Maddie mir ins Ohr <Können wir aber jetzt nochmal eine Runde schlafen ?> Was mir wieder ein Grinsen aufs Gesicht zaubert und uns beide zum kichern bringt.
< Gerne> gebe ich als Antwort als wir uns wieder voneinander lösen. Schnell haben wir uns in mein Bett eingekuschelt und mit einem leisen Gute Nacht verschwinden wir beide wieder ins Land der Träume.

Zwei Stunden später liege ich schon wieder wach da, während sie friedlich neben mir schläft und leise schnarcht.

Leise hüpfe ich aus dem Bett und nehme mir einen Pulli aus meinem Kleiderschrank und ziehe mir diesen dann über. Dann gehe ich weiter in die Küche um die Kaffeemaschine anzustellen, um mich mit meinem warmen Cappuccino auf unseren Balkon zu stellen.

Durch die Wolken kann ich sehen wie die Sonne langsam aufgeht. Kleine Sonnenstrahlen finden ihren Weg durch den grauen Wall. Vorsichtig nippe ich an meinem Becher und muss an die Worte meines Vater denken, welche er mir jedem Morgen zum Aufwecken ins Ohr geflüstert hat.

'Neuer Tag neues Glück'

Doch ich kann mich schon gar nicht mehr an das letzte mal erinnern als er das überhaupt gesagt hat und genauso blieb dieses Glück bei mir auch aus. Und schon fühlt sich all das was ich tue, all die Mühe die ich mir gebe, wieder so sinnlos an. Als hätte man eine Vase zerbrochen und man versucht sie wieder zusammen zukleben, doch Teile fehlen und egal wie lange man sie sucht, sie bleiben verschwunden. Ich weiß genau welches Teil bei mir fehlt und genauso ist mir klar, dass dieses niemals wiederkommen wird.

Die erste Träne läuft meine Wange herunter.

Da ist wieder diese Frage: Was wäre wenn? Was wäre gewesen wenn ich nicht so egoistisch gewesen wäre ? Was wäre gewesen wenn ich da gewesen wäre ?

Eigentlich auch die tödlichste Frage. Man kann die Vergangenheit nicht mehr ändern. Man kann seine Taten nicht rückgängig machen, also warum überhaupt darüber nachdenken. Und trotzdem lassen mich diese Fragen seit dem Tag nicht mehr los.

Und jedesmal lassen sie mich spüren wie sehr es meine Schuld war.

Besser später als nie hahah

You don't need to know my nameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt