Mama und Papa

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Den gestrigen Tag über habe ich meine Stimme noch komplett geschont, kein Wort kam über meine Lippen und kommuniziert wurde mit Nicken und Kopfschütteln. Heute morgen habe ich dann vor dem Spiegel einen ersten Sprechtest gemacht und war sogar recht zufrieden, habe aber das Gespräch erst auf den Abend angesetzt, damit ich genug Stimme für alle nötigen Erklärungen habe.

Das Springen in Garmisch ist mittlerweile beendet und heute habe ich ehrlicherweise mehr mitbekommen als gestern, was ebenfalls für meinen anstehenden Heilungsprozess spricht. Meine Medizin habe ich brav genommen und auch wenn ich ihn noch immer nicht leiden kann, habe ich auch Tee getrunken.

Damit fühle ich mich bereit für das bevorstehende Gespräch und verlasse mein Zimmer. Langsam tapse ich auf Kuschelsocken in Richtung Wohnzimmer, wo sich meine Eltern aufhalten sollten, und bleibe im Türrahmen stehen.

„Mama, Papa?" Spreche ich meine Eltern an, welche gemeinsam vor dem Fernseher sitzen und den Abend miteinander ausklingen lassen, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Beide sehen hoch, sobald sie meine Stimme hören, und sofort hat meine Mama diesen leicht besorgten Ausdruck im Gesicht, welchen sie schon die letzten Tage mit sich herumgetragen hat.

„Oh, geht es dir besser Liebling?" Fragt sie, vermutlich ein wenig überrascht wie viel Stimme ich doch wieder habe, nachdem gestern nicht mehr als ein klägliches Hauchen über meine Lippen kam.

„Definitiv." Bestätige ich ihre Frage und bleibe in der Mitte des Raums stehen, ein wenig unsicher, wie ich dieses Gespräch beginnen soll. Eben hatte ich mir noch alle Worte zurechtgelegt und jetzt ist es wie, als ob alles aus meinem Kopf in einem kleinen Strudel verschwunden ist.

„Hast du etwas auf dem Herzen?" Fragt mein Vater und versucht so dieses Gespräch in die Wege zu leiten. Beide sehen mich aufmerksam an und ich hoffe wirklich das dieses Gespräch einen positiven Ausgang für mich haben wird.

„Naja, ich würde gerne zurück zu Stephan." Bringe ich mein Anliegen vor und lege meine Arme um mich selbst, eine Reaktion die ganz in meinem Verhaltensschema verankert ist und die immer zum Vorschein kommt, wenn ich ein wenig unsicher bin.

„Emi, du solltest dich wirklich noch ein bisschen ausruhen." Versucht meine Mama mir Vernunft einzureden, aber über diesen Punkt bin ich schon lange hinaus. Vernunft lebt in der Vergangenheit, denn ich muss mich langsam etwas trauen.

„Aber ich muss zurück." Betone ich ein weiteres Mal und meine Stimme wird kurz ein wenig höher. So wie es eben ist, wenn man noch immer heißer ist.

„Warum das denn?" Meine Eltern werfen sich einen Blick zu, welchen ich nicht ganz deuten kann, aber ich denke einfach das ich sie mit meinem Verhalten verwirre. Es ist ja schon ein wenig seltsam, wenn man trotz Krankheit und leichter Gehirnerschütterung unbedingt weg von seinem ruhigen Zuhause möchte.

„Was hat Stephan hierrüber erzählt?" Frage ich zunächst etwas anderes und deute auf mich um mein ramponiertes Auftreten zu betonen, weil ich nicht genau weiß, inwieweit meine Eltern eingeweiht sind. Wage meine ich mich nämlich erinnern zu können das Stephan nicht viel darüber erzählt hat.

„Das du spazieren warst und gestürzt bis. Wieso?" Mein Vater hört sich misstrauisch an und scheint zu ahnen, dass das nicht die wahre oder eher nicht die ganze Geschichte war. Kurz überlege ich, was ich alles in meine Erzählung einbaue und wie ich am besten mein heutiges Ziel erreiche.

„Naja, Stephan und ich haben und vorher ziemlich heftig gestritten und..." Ein Kloß bildet sich in meiner Kehle als ich an seinen wütenden Gesichtsausdruck zurückdenke und wie sich seine Worte ähnlich wie kleine Nadelstiche unter meine Haut gebohrt haben.

„Liebling ihr könnt das sicherlich noch früh genug klären. Stephan weiß doch das es dir nicht gut geht. Er versteht das schon." Beruhigt meine Mama mich und winkt mich näher an sich heran damit sie mich in den Arm nehmen kann. Zwischen Mama und Papa auf der Couch sitzen, lasse ich mich kurz drücken und erkläre dann weiter.

„Wir haben das schon so gut wie geklärt, es geht eher um unseren Streitgrund." Kläre ich sie darüber auf das Stephan und ich zwar nicht ausführlich über den Streit gesprochen haben, aber durchaus wieder normal miteinander umgehen können.

„Du sprichst in Rätseln Emi." Beschwert sich mein Vater schon fast und ich seufze leise, dann muss ich wohl doch mehr ins Detail gehen als ich es eigentlich wollte.

„Ich habe eventuell einen seiner Kollegen geküsst und das fand Stephan nicht wirklich gut. Ich muss mit ihm reden, weil er mich im Wald gefunden hat und wir uns dann lange unterhalten haben, allerdings wusste ich das nicht mehr wirklich und habe ihn damit verletzt. Ich muss also wieder zurück und das klären." Murmele ich leise und glaube schon das meine Eltern mich nicht verstanden haben, da ruft meine Mutter freudig:

„Unsere kleine ist verliebt."

„Mama!" Jammere ich und kann nicht verhindern das meine Wangen rot werden. Warum müssen Eltern immer so peinlich sein?

„Ist es Constantin?" Fragt sie mich und ich ziehe ein verwirrtes Gesicht. Wie kommt sie denn auf den Käse? Die Frage stelle ich auch sogleich und bin schon gespannt darauf was die Antwort ist.

„Naja auf ein paar Bildern seht ihr so vertraut aus." Erklärt meine Mutter und sieht auffordernd zu meinem Vater, wie als ob sie auf ein wenig Unterstützung von ihm hofft, aber er hält ich da raus.

„Es ist definitiv nicht Consti, aber ich möchte, wenn ich ehrlich bin auch nicht sagen, wer es ist, bis wir alles geklärt haben. Okay?" Sage ich und meine es auch ehrlich so. Was zwischen Domen und mir ist geht nur uns beide etwas an, denn schließlich sind wir ja auch die beiden um die sich diese Chaos dreht. Alle anderen sollen sich da raushalten und uns einfach nur mal in Ruhe ein paar klärende Gespräche führen lassen.

Meine Eltern nicken beide, auch wenn es bei meiner Mutter etwas widerwillig aussieht, schließlich würde sie gerne wissen mit wem ich mich so rumtreibe. Allerdings, wenn alles gut laufen sollte, wird sie noch früh genug erfahren wer der geküsste Skispringer ist.

„Also, darf ich zurück?" Frage ich und sehe zwischen den beiden hin und her, in der Hoffnung das sie mir zustimmen, aber sie sehen nicht zu hundert Prozent überzeugt aus. Bevor sie also nein sagen können, spreche ich weiter.

„Ich bleibe auch das ganze Springen über im Container, habe warme Sachen an und trinke Tee. Bitte." Das Angebot Tee zu trinken, lässt die Mundwinkel meines Vaters kurz nach oben zucken. Es ist doch allseits bekannt das ich Tee zutiefst verachte und nur dann zu mir nehme, wenn ich wirklich krank bin.

„Denkst du auch daran deine Medizin zu nehmen?" Fragt meine Mutter nach und ich kann schon ein paar Glücksgefühle verspüren, das kann doch nur in eine gute Richtung gehen.

„Ja, versprochen." Ich nicke artig und ehrlicherweise würde ich noch so viel mehr machen um was sie mich bitten könnte, aber ich hoffe einfach das beide zustimmen und ich mich wieder auf den Weg zurück zur verrückten Skisprungbande machen kann.

Mama und Papa tauschen einen weiteren Blick aus und scheinen über die viele Jahre des Zusammenlebens die nonverbale Konversation gemeistert zu haben. Ich verstehe natürlich nichts und kann nur auf ihre Entscheidung warten.

„Dann darfst du zurück." Verkündet meine Mama schließlich und sofort breitet sich Freude in meinem Körper aus. Ziel erfüllt, Mission gemeistert und ab zurück in meine gewohnte Umgebung der letzten Wochen.

„Vielen Dank, ihr seid die Besten." Rufe ich aus, drücke beide kurz an mich und verschwinde dann wieder in die Richtung meines Zimmers. Mit einem breiten Grinsen lege ich mich aufs Bett und greife mein Handy, um eine Nachricht an Stephan zu tippen.

Mission erledigt, du hast mich wieder an der Backe.



Ich bin müde. Das ist mein erstes Fazit für den Semesterbeginn, dabei haben wir noch gar nicht so viel gemacht. Habe ein paar nette Menschen kennengelernt (Oh graus, ich habe mich sozialisiert) und finde zu all meinen Räumen was ich durchaus erwähnenswert finde, weil unsere Uni riesig ist :D

Das Kapitel habe ich glücklich in meinem Ohrensessel getippt, weil ich mich vor einem Text gedrückt habe den ich lesen muss, aber dem widme ich mich wohl gleich. (Heinrich von Kleist, falls jemandem das was sagt.)

Schöne Woche noch
WOLKE

Irgendwie anders [Domen Prevc]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt