Wo die Iren leben

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Als ich am nächsten Morgen aufwache ist von Hannah noch nichts zu sehen und ich weiß gerade nicht ob ich hoffe das sie es pünktlich zu unserem Flug schafft oder ich sie einfach nicht sehen möchte. Zunächst überprüfe ich mein Handy auf neue Nachrichten und siehe da, Hannah hat mir vor zehn Minuten geschrieben das sie auf dem Weg hier her ist. Ich antworte ihr nicht, denn das hat sie sich keineswegs verdient. Außerdem habe ich noch eine Nachricht von Stephan, der mich fragt wie der letzte Tag in London war und ob ich mich schon auf Dublin freuen würde. 

Natürlich berichte ich ihm nicht von dem Vorfall letzte Nacht, sondern beschreibe nur die Sachen, die für meinen Bruder, meiner Meinung nach, wichtig sein können. Die Nachricht ist beendet und ich mache mich bereit für die Abreise. Eine kurze Katzenwäsche und einen prüfenden Blick in den Spiegel später, bin ich dann auch schon fast soweit. Meine letzten Habseligkeiten wandern noch in meinen großen Rucksack und dann weiß ich nicht was ich noch machen soll um mich zu beschäftigen. 

Gerade als ich zumindest meine Karte schon mal an der Rezeption abgeben möchte, öffnet sich die Tür von außen und eine recht fertig aussehende Hannah steht vor mir. Das interessiert mich aber herzlich wenig und so gehe ich, ohne sie eines Blickes zu würdigen, nach draußen. Ihr gerufenes "Emily warte!" ignoriere ich gekonnt und gehe mit erstarrter Miene in den Eingangsbereich.

Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist bis Hannah ebenfalls runter kommt, aber das ist auch egal so lange wir pünktlich am Flughafen ankommen würden. Schweigend gehen wir zur Haltestelle, wo gleich der Shuttle zum Flughafen kommen würde. Immer mal wieder wirft Hannah mir einen Blick zu, aber ich bleibe Stur. Dieses Mal müsste sie sich entschuldigen, sonst gebe ich immer nach, aber sie ist definitiv die Schuldige in unserem Streit, also kann sie das selbst hinbiegen. 

Die Zeit bis zum Flug habe ich tatsächlich mir Musik hören verbracht und Hannahs bohrenden Blick einfach weiter ignoriert. Im Flugzeug selbst sitzen wir zum Glück nicht nebeneinander. Ein hoch auf Billigflüge, bei denen man seinen Platz nicht irgendwie wählen kann. So hatte ich wenigstens in der Luft ein wenig meine Ruhe.

Der Flug nach Dublin war ziemlich turbulent und hat sich mehr nach einer Schifffahrt als nach einem Flug angefühlt. Ich war zumindest ziemlich froh als wir endlich festen Boden unter den Füßen hatten und auch Hannah schien erleichtert zu sein, das wir heil unten angekommen sind. Unser Transfer zur Unterkunft funktionierte ohne Probleme und dieses mal erwartete uns dort keine böse Überraschung. Außer man hält den Regen hier eben für eine böse Überraschung, wobei man damit immer rechnen muss wenn man sich in England oder Irland rumtreibt.

Da das Wetter nicht unbedingt Lust darauf macht nach draußen zu gehen und ich vom Fliegen irgendwie immer Müde werde, beschließe ich den restlichen Tag im Zimmer zu verbringen und endlich mal in meinem Buch weiter zu lesen. Richtig konzentrieren kann ich mich allerdings nicht, denn Hannahs Blick liegt bohrend auf mir und je mehr ich versuche ihn auszublenden desto penetranter wird er.

Mein Buch lege ich also mit einem Seufzen weg und greife nach meinem Handy, denn mein Instagram Feed benötigt nicht wirklich eine große Aufmerksamkeitsspanne und beschäftigt mich dennoch gut. Irgendwann scheint Hannah dann den Mut gefasst zu haben die Stille zu brechen, denn sie spricht mich mit einem fragendem "Emily?" an. 

Ich antworte ihr nur mit einem leisen "Mhm.", aber das scheint sie schon dazu ermutigen weiter zu sprechen. 
"Es tut mir Leid das dich der Kerl gestern Abend belästigt hat." sagt sie und ich warte ob da noch etwas folgt oder ob das jetzt schon die Entschuldigung gewesen sein soll. Wenn ja, hat sie sich gerade für die falsche Sache entschuldigt. 

"Ach komm schon Emi. Ich habe mich entschuldigt, also rede endlich wieder mit mir." sagt sie nörgelnd und jetzt drehe ich mich doch um.
"Das ist die Sache die dir am meisten Leid tut?" frage ich dann mit einem leicht ungläubigem Ton in der Stimme. 

Irgendwie anders [Domen Prevc]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt