Es war die richtige Entscheidung Domen nach Slowenien zu begleiten, einfach mal weg von all dem Trubel zu kommen und für einen Moment nur mit ihm im Moment zu leben. Natürlich wird Domen auch in Slowenien nicht den ganzen Tag für mich Zeit haben, das erwarte ich auch gar nicht, schließlich muss er trotz kleiner Wettkampfspause trainieren und dennoch glaube oder hoffe ich das mir der Szeneriewechsel guttun wird.
Stephan war im ersten Augenblick nur mäßig begeistert von meiner Entscheidung nach Slowenien zu reisen. Ich erinnere mich noch ganz klar, wie er schon bei meinen Worten angefangen hat mit dem Kopf zu schütteln, aber nachdem ich meine Beweggründe offengelegt habe, hat er nur geseufzt, mich in seine Arme gezogen und dann zugestimmt. Er würde mich wohl aktuell am liebsten gar nicht zu weit von sich weglassen, damit er mich im Auge behalten kann, aber er versteht auch dass ich das gerade brache. Domens kleine Heimreise bietet sich für eine Auszeit an und so habe ich die Chance einfach ergriffen.
Gemeinsam ging es diesen Morgen für Domen und mich zum Flughafen und während er in freudiger Erwartung auf ein paar Tage bei seiner Familie ist, schleicht sich mir die Nervosität in die Gedanken. Ob seine Familie mich mögen wird? Neben seinen älteren Brüdern gibt es da ja auch noch die zwei jüngeren Schwestern und denen bin ich bis hier hin noch gar nicht begegnet. Wobei, vielleicht mache ich mir sogar mehr Sorgen seine Eltern zu treffen, denn ich weiß nicht, ob ich für diese Begegnung schon bereit bin.
Für diesen Gedankengang ist es wohl zu spät, denn wir fahren gerade auf das Grundstück der Familie Prevc. Der Weg vom Flughafen hier her ist schneller als gedacht vergangen und so habe ich gar keine Zeit mehr mir weitere graue Gedanken zu machen. Wir steigen aus, holen unser Gepäck aus dem Kofferraum und laufen einander an der Hand haltend zur Haustür.
"Bereit?" Fragt Domen, sieht mich aufmerksam an, streicht beruhigen mit seinem Daumen über meinen Handrücken und scheint bereit zu sein, auf der Stelle umzudrehen und wieder zu gehen, je nachdem, was ich auf seine Frage antworte. Da ist noch ein letzter Gedanke, der in den letzten Stunden in meinem Kopf aufgetaucht ist, den ich unbedingt noch aussprechen und Domen fragen muss.
"Was wissen deine Eltern über das, was passiert ist?" Eigentlich möchte ich nicht mit Samthandschuhen angefasst werden, aber ich möchte auch nicht in die Verlegenheit geraten alles erst erklären zu müssen, wenn etwas passiert, was ohne Vorwissen nicht verständlich ist.
"Ich wollte nicht zu sehr ins Detail gehen, weil ich nicht wusste, ob das in Ordnung für dich ist, aber sie wissen zumindest grob, was passiert ist. Einfach damit sie sensibel mit der Situation umgehen können. War das okay?" Plappert Domen, etwas das er immer macht, wenn die Unsicherheit mal wieder aus ihm spricht. Ich bin froh, dass er so feinfühlig an die Sache herangeht und so kann ich gar nicht anders als ihm mit "Ja" zu antworten.
Ich nehme noch einen tiefen Atemzug, bevor ich sage. "Dann bin ich so bereit, wie man eben sein kann." Mit einem liebevollen Ausdruck im Gesicht lehnt sich Domen zu mir rüber und haucht mir einen zarten Kuss auf die Wange, bevor er meine Hand loslässt und mit seinem Schlüssel die Haustür öffnet damit wird eintreten können.
Es dauert keine drei Sekunden, da schallt ein "Domen!" durch den Flur, gefolgt von Fußgetrappel und einem Wirbelwind, der Domen förmlich in die Arme fliegt. Lachend fängt er seine kleine Schwester auf und drückt sie ganz fest an sich, während ich ein Grinsen nicht mehr zurückhalten kann. Das wird wohl Ema sein, wenn ich Domens Erzählungen richtig im Kopf habe. Die Jüngste im Bunde und wohl die kleine Prinzessin im Haus.
Langsamer folgt Domens Mutter, die ein herzliches Lächeln auf den Lippen trägt, sich allerdings zuerst mir statt ihrem Sohn zuwendet. "Du musst Emi sein, ich habe schon eine Menge über dich gehört." Begrüßt sie mich und sofort beschwert sich Domen leise "Mama!" Das scheint ihm wohl ein wenig peinlich zu sein, aber ich finde es süß.
"Freut mich Sie kennenzulernen." Sage ich freundlich, aber sie winkt sofort ab.
"Papperlapapp, du musst hier niemanden siezen, du passt schon." Dabei lächelt sie mich noch immer so freundlich an das ich mich gleich wie zuhause fühle. "Und jetzt kommt erstmal rein." Damit tritt sie einen Schritt zur Seite, damit Domen und ich unsere Sachen an der Garderobe abstellen und unsere Schuhe ausziehen können. Dann gehen wir in den geräumigen Wohn und Essbereich der Familie Prevc, Domens Hand ganz sacht auf meinem Rücken platziert, wie als ob er mir sagen möchte das er bei mir ist, während ich versuche meinen Blick nicht übertrieben neugierig umherwandern zu lassen.
"Puzzelst du mit mir?" Ist es Ema, welche meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenkt. Fast gar nicht schüchtern sieht sie mich an und wippt auf ihren Füßen, während sie auf meine Antwort wartet.
"Klar." Stimme ich zu und so lassen wir uns zusammen auf dem Boden nieder, wo einige Puzzleteile verstreut liegen. Domen und seine Mutter lassen sich einige Schritte entfernt auf dem Sofa nieder und auch wenn ich es nicht vorhabe, kann ich nicht anders als mit einem Ohr bei ihrer Unterhaltung zuzuhören.
"Wie geht es dir?" Fragt Julijana ihren jüngsten Sohn mit mütterlicher Stimme ich versuche wegzuhören, möchte aber viel zu sehr Domens Antwort hören, denn mir gegenüber wäre er bei dieser Frage sicherlich nicht ganz ehrlich, weil er mich nicht zusätzlich belasten möchte.
"Das ist gerade nicht wichtig." Weist Domen allerdings auch bei seiner Mutter diese Frage ab und mein Herz zieht sich zusammen, während ich versuche Ema die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. So süß es auch ist das Domen sich auf mich konzentriert, so sehr sollte er sich doch auch auf sich selbst fokussieren. Ich komme schon irgendwie zurecht.
"Natürlich ist das wichtig. Du kannst ihr nicht beistehen, wenn du selbst zu viel zum Denken hast. Die Situation ist sicherlich nicht einfach, aber du musst auch an dich selbst denken." Erklärt Julijana mit mütterlicher Strenge, aber gedämpfter Stimme und ich kann ich nur zustimmen das er an sich selbst denken soll.
Domen seufzt, bevor er dann doch antwortet. "Es ist schwierig, aber ich komme klar." Ich kann ganz genau seinen Blick auf meinem Rücken spüren und so versuche ich mich noch mehr auf die Puzzleteile vor mir zu konzentrieren, auch als er weiterspricht.
"Ich will einfach nur dass es ihr irgendwann wieder besser geht. Das sie lachen kann und dass ich sie wieder in den Arm nehmen kann, ohne dass sie Angst bekommt." Wieder sticht es schmerzhaft in meinem Herz. So wohl ich mich auch bei Domen fühle, manchmal kann ich das Anspannen meiner Muskeln nicht verhindern, so sehr ich meinem Körper auch klarmache, dass das nur Domen ist. Der mich liebt, mich nicht verletzen würde und nur das Beste für mich möchte und augenscheinlich bemerkt hat das mein Unterbewusstsein noch immer voller Angst ist. Ich schlucke leicht und hoffe das all das bald wieder besser, wieder Normaler wird.
"Dann bringt mal euer Gepäck nach oben." Sagt Julijana jetzt ein wenig lauter und ich sehe auf, wie als ob ich nicht vorher schon alles mitbekommen habe. Domen reicht mir, unter Emas Protest, seine Hand und zieht mich auf die Füße, damit wir unser Gepäck nach oben bringen können. Im zweiten Stock hält Domen inne, zögert für einen Moment, bevor er sich zu seiner rechten wendet und eine Tür öffnet.
"Du kannst im Gästezimmer schlafen, wenn du möchtest. Mein Zimmer ist gleich gegenüber, wenn du etwas brauchst." Sagt er und deutet auf die Tür der linken Seite, welche seinen Namen aus bunten Holzbuchstaben trägt.
"Ich...du." Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Gedanken kreisen durch meinen Kopf und ich bekomme keinen davon zu fassen. Sein Zögern so mit mir allein zu sein, meine Alpträume, die zwar weniger werden, aber noch immer da sind und die Angst, welche in meinem Unterbewusstsein herumwandert und meine Liebe zu dem Mann vor mir in ängstliche Gefühle verwandelt.
"Du musst gerade nicht an mich denken. Nimm bitte das Zimmer, in welchem du dich gerade wohl fühlen würdest." Gibt Domen mir die Wahl und ich spüre meinen Herzschlag in meinen Ohren pochen. Ich muss lernen allein zu schlafen, aber ich muss auch lernen, dass ich keine Angst vor Domen zu haben brauche. In seinen vor Alptraum schützenden Armen schlafen, während mein Herz sich einen Weg aus meinem Brustkorb sucht oder allein sein, ohne Angst, aber mit der Gefahr von schweißbringenden Alpträumen?
Die Entscheidung ist schwer, aber für den ersten Moment, für die erste Nacht treffe ich eine. "Danke Domen." Murmele ich, hauche ihm einen Kuss auf die Wange und drehe mich herum, um das Gästezimmer als meine vorläufige Residenz zu beziehen.
DU LIEST GERADE
Irgendwie anders [Domen Prevc]
FanfictionEmily, die Schwester von Stephan Leyhe begleitet ihren Bruder dieses Jahr während der Skisprungsaison. Mit einem Springer kommt sie so gar nicht klar und so kommt es immer wieder zu hitzigen Situationen zwischen ihnen. Doch nachdem sie ungewollt Zei...