Er ist...nett?

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Das letzte Springen dieses Wochenendes steht an, aber ich bin mit meinen Gedanken noch immer irgendwo anders, aber nicht hier. In meinem Kopf spielen sich immer wieder Szenen der letzten Wochen und vor allem von meinem Aufenthalt im Aufzug mit Domen ab.

Ich bekomme die Bilder nicht aus meinem Kopf und muss immer daran denken wie Domen nach meiner Hand gegriffen hat und was diese Geste im Nachhinein in mir auslöst. Mir ist bewusst das sich meine Gefühle nicht von Grund auf geändert haben können, aber anscheinend war da schon immer dieser kleine Teil in mir, der Domen mehr gemocht hat, als mir zu dem Zeitpunkt guttut.

So lange Domen seine Stimmungsschwankungen mir gegenüber nicht im Griff hat, sollte ich mir die seltsamen Gefühle aus dem Kopf schlagen und versuchen dem Slowenen gegenüber neutral zu bleiben.

Da das Springen erst um 16.00 Uhr startet, ist es eine weitere Veranstaltung im Flutlicht, während alles drum herum in Dunkelheit getaucht ist. Ich habe meinen Platz auf der Tribüne noch nicht eingenommen, sondern bin noch im Springerlager, allerdings dauert es nicht mehr lange, bevor ich diesen Platz verlassen und den Jungs dann beim Fliegen zusehen werde.

Mein Blick schweift ein wenig herum und wie so oft schon heute treffe ich wieder auf Domens Blick, welcher mich wieder mal mit unergründlicher Miene betrachtet. Wieder löst keiner von uns den Kontakt und es fühlt sich an, als ob wir beiden in einer Welt gefangen sind, die nur wir betreten können.

Natürlich hält dieser Zustand nicht für ewig an, denn als eine Person durch unseren Blickkontakt durchläuft, werden wir aus unserer Trance gerissen und sind wieder im hier und jetzt angekommen. Dennoch sehe ich noch mal zu Domen herüber, der mir dieses Mal ein sanftes Lächeln schenkt.

Leicht versteckt halte ich meinen gedrückten Daumen hoch, um Domen zu symbolisieren, dass ich ihm Glück beim heutigen Wettkampf wünsche. Ein kleines Kopfnicken ist der Dank für meine Geste, dann verschwindet Domen schon, um seine finalen Vorbereitungen zu treffen.

Ich wende mich wieder den Jungs um mich herum zu, die teilweise schon in ihren eigenen Tunnel abgetaucht sind, um ihre volle Konzentration zu erreichen. Also sage ich nur "Viel Glück" in die Runde und verschwinde in Richtung meines Sitzplatzes.

Sobald ich dort platz genommen habe, bemerke ich wie unterschiedlich die Temperaturen auf diesem Gelände doch sind. Im Springerlager ist es recht warm, denn dort stehen zum einen die ganzen Hütten, welche den Wind abhalten, aber dort laufen eben auch viele Leute herum, durch welche es dort einfach wärmer ist.

Hier auf der Tribüne pfeift der Wind doch ziemlich stark und so vergrabe ich mein Gesicht ein wenig tiefer in meinem Schal, um meine Nasenspitze vor dem Erfrieren zu schützen. In wenigen Minuten würde es losgehen und dann würde dich Kälte sowieso in den Hintergrund rücken, denn dann wäre ich von dem Geschehen abgelenkt und würde gar nicht mehr mitbekommen wie die Temperaturen sind.

Der erste Durchgang plätschert so vor sich hin und wieder einmal merke ich, für wie viele Personen ich mittlerweile die Daumen drücke und hoffe das sie ein gutes Resultat erzielen. Wusste ich vor wenigen Wochen noch kaum einen Namen, konnte ich heute zumindest von jedem sagen ihn irgendwo mal gehört zu haben.

Alles Daumen drücken half doch nicht bei jedem Sprung, während mein Bruder und Domen sich auf den Weg in den zweiten Durchgang machen, war Timi's Sprung sicherlich weit unter seinen Erwartungen, denn als 42. schaffte er es keine Runde weiter.

Für einen Moment habe ich überlegt ins Springerlager zu gehen und nach dem Slowenen zu sehen, habe mich dann allerdings doch dagegen entschieden. Zum einen schätzt nicht jeder Gesellschaft, wenn es mal nicht so gut läuft und andererseits möchte ich meinen Platz auch nicht verlassen, um nichts zu verpassen. Okay, vielleicht fühle ich mich auch an der Stelle festgefroren, aber das ist eine andere Geschichte.

Irgendwie anders [Domen Prevc]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt