Irgendwie anders [Domen Prevc]

Warum ist er so?

Das Teamspringen verlief nicht sonderlich gut für unsere Jungs und so mussten sie sich am Ende mit einem magerem fünften Platz zufrieden geben. Die Stimmung war an diesem Abend dementsprechend ein wenig gedrückt und so habe ich mich recht schnell nach dem Essen auf mein Zimmer zurückgezogen.

Normalerweise würde ich jetzt einfach noch ein bisschen mit Hannah telefonieren oder schreiben, aber seit wir aus dem Urlaub zurück sind, herrscht eine Art von Funkstille zwischen uns. Ich habe ein wenig angefangen an unserer Freundschaft zu zweifeln, weil wir keine oder eben fast keine Gemeinsamkeiten haben. Klar, Gegensätze ziehen sich an, aber in mir kommen trotzdem Zweifel auf. 

Gerade die Situation in der Bar in London nagt immer noch an mir. Welche Freundin lässt einen denn auch mitten in der Nacht alleine zurück zur Unterkunft laufen? Okay, ich könnte mir auch Vorwürfe machen, weil ich sie mit einem fremden Kerl habe mitgehen lassen, aber dieser Gedanke kam mir zu dem Zeitpunkt nicht, dazu war ich einfach zu aufgebracht gewesen. 

Dieser, man kann es nicht wirklich Streit nennen, müsste also zwischen mir und Hannah geklärt werden, auch wenn ich noch nicht ganz weiß wie. Viel mehr als ein bisschen zu grübeln habe ich an diesem Abend auch nicht mehr gemacht und bin dann einfach schlafen gegangen.

Der nächste Morgen ist früh angebrochen, denn der heutige Wettkampf würde schon um 11:30 Uhr starten und demensprechend früher muss man eben an der Schanze sein, damit es trotz Trainingssprüngen nicht zu Hektik kommt. 

Beim Frühstück lag eine müde Stille über dem gesamten Speisesaal und auch als wir auf dem Weg zur Schanze waren, döste der ein oder andere noch vor sich hin. Ich bin tatsächlich recht wach, auch wenn das normalerweise gar nicht meine Uhrzeit ist, aber es gibt eben auch Tage da bin ich früh Morgens wach und direkt bereit in den Tag zu starten, ohne vorher noch Kaffee in mich rein zu schütten.

Tatsächlich kam in die Jungs dann auch erheblich mehr Leben sobald wir aus dem Van ausgestiegen sind und so konnte dem heutigem Tag doch nichts mehr im Weg stehen. Während alle anderen die Materialien auspacken, werde ich losgeschickt, um uns die Startnummern zu besorgen und da ich sowieso nichts besseres zu tun habe, erledige ich das schnell. 

Den Weg habe ich recht schnell gefunden und da niemand anderes am anstehen war, konnte ich die Leibchen mit den Nummern auch direkt mitnehmen. Auf dem Rückweg begegne ich dann auch dem ein oder anderem Gesicht das mir bekannt vorkommt und auch wenn ich nicht alle Namen kenne, grüße ich hier und da freundlich. 

Auch Domen läuft mir über den Weg und auch wenn er gestern wieder seine schlechte Laune an mir ausgelassen hat, schenke ich ihm auch ein kleines Lächeln. Entgegen meiner Erwartung, lächelt er mich auch an und bevor ich vollständig an ihm vorbei bin, hält er mich am Arm fest. 

"Hey Emi, ich..." er reibt sich unsicher durch den Nacken und lässt seinen Blick ein wenig unruhig schweifen. Neugierig lege ich den Kopf ein wenig schief und bin gespannt was er wohl von mir möchte. 
"Es tut mir..." fängt er an, bricht dann aber ab und sieht auf einen Punkt hinter mir. 

"Verdammt, ich muss los. Bis später." ruft er noch, dann ist er schon verschwunden. Verwundert sehe ich ihm hinterher und runzle die Stirn. Was war das denn jetzt schon wieder? Er verwirrt mich zunehmend mit seinem Verhalten und ich habe dass Gefühl das es von Mal zu Mal schlimmer wird. 

Den Kopf schüttelnd, gehe ich den Weg zurück zu unserem Containert und händige dort die Leibchen an den jeweiligen Springer aus. Da ich mich jetzt nirgendwo mehr nützlich machen kann, würde ich mich jetzt schon auf die Tribüne verziehen, aber vorher natürlich noch meinem Bruder viel Glück wünschen. 

Tatsächlich habe ich Stephan recht schnell gefunden und da er mich nicht kommen sieht, springe ich ihm einfach auf den Rücken. Auch wenn er sich ziemlich erschreckt, hält er mich an den Beinen fest und fängt dann an zu Lachen.