Nach dem Gespräch

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Als Domen mit seiner Erzählung endet herrscht Stille. Weder Timi noch mein Bruder können irgendetwas sagen, während der Kloß in meinem Hals mir schon wieder die Luft zum Atmen nimmt. Es ist gut, dass sie es jetzt wissen. Versuche ich mich selbst zu beruhigen, was allerdings nur mit mäßigem Erfolg verbunden ist. Dann geht allerdings die Tür auf und reißt uns aus dieser kleinen Blase.

"Oh, ich will nicht stören, aber ich müsste mich dann mal fertig machen." Fast schon ein wenig verschreckt möchte Tilen die Tür schließen, einen Schritt zurücktreten und wieder verschwinden. Dann kommt allerdings Leben in mich. Ich springe auf, bin nicht mehr länger zur Statue erstarrt und beeile mich zu sagen.

"Keine Sorge, wir sind hier fertig." Die Stimme schon fast ein bisschen zu krächzend und ich würde mir selbst nicht glauben, wenn ich mir zuhören würde. Auch Tilen scheint von meiner Aussage nicht überzeugt sein, denn er legt den Kopf ein wenig schief.

"Alles okay?" Fragt Tilen und blickt zwischen mir und den anderen hin und her. Bevor irgendjemand etwas sagen kann, nicke ich nur, traue meiner Stimme nicht mehr und verschwindet durch die offene Tür, ohne noch einmal zurückzublicken. Ich kann nicht länger in dem engen Raum bleiben, sondern brauche endlich frische Luft und halte nicht an, bis ich um nächste Ecke verschwunden bin.

Dann halte ich inne, schnappe nach Luft und spüre das Brennen in meinen Augen. Ich will nicht weinen, nicht schon wieder und so kämpfe ich gegen die Tränen an. Es ist gut, dass sie es wissen, sage ich mir wieder wie ein Mantra und für den Moment scheint es zu helfen. Mein Herzschlag beruhigt sich und das Brennen in den Augen wird weniger, Ich kann freier atmen und spüre, wie eine Art Ruhe meinen Körper überkommt. Dennoch möchte ich jetzt nicht zurück zu den anderen, möchte lieber einen Moment für mich allein.

Irgendwie fühlt es sich egoistisch an. Auch wenn ich das Opfer, ich mag dieses Wort nicht, in dieser Situation bin, glaube ich den anderen in diesem Moment beistehen zu müssen. Aber ich tue es nicht. Flüchte stattdessen auf die Tribüne, mummele mich tiefer in meinen Schal ein und Blicke auf die Schanze in nicht ganz so freudiger Erwartung, dass der Wettkampf beginnt.

Als mein Handy in meiner Tasche vibriert, möchte ich es nicht rausnehmen, schüttele jedoch im nächsten Moment den Kopf über mich selbst, denn dieses Verhalten kommt mir ein wenig kindisch. Also greife ich in die Tasche entsperre den Bildschirm und Blicke auf die Nachricht, die mich eben erreicht hat.,

Wenn irgendetwas ist, kannst du mir jederzeit schreiben!

Domen. Natürlich hat er es sich nicht nehmen lassen, mir noch eine kurze Nachricht zu schreiben. Mein Herz wird ganz warm, wenn ich daran denke, wie sehr er sich um mich kümmert. Aber gleichzeitig mache ich mir Sorgen, dass er den Kopf nicht bei der Sache hat, und das ist definitiv nicht ideal für einen Schispringer. Meine Gedanken schweifen kurz zu meinem Bruder und Timi, die ebenfalls gleich einen Wettkampf zu bestreiten haben und deren Gedanken sicherlich noch wirrer sind als die von Domen.

Meine Augen sind zwar auf das Geschehen gerichtet, aber wirklich verarbeiten, was passiert, tut mein Kopf nicht. Das Gedankenkarussell in meinem Kopf, welches nicht aufhört, sich zu drehen so sehr ich es auch stoppen möchte, macht mich langsam verrückt und ich würde alles dafür geben, für einen Moment Ruhe zu haben. Einfach den Wettbewerb genießen zu können und nicht in einer Gefühlswelle nach der anderen zu versinken.

Ich spüre die Kälte auf meinen Finger nicht, die ohne Handschuhe auf meinen Beinen liegen. Spüre die Kälte nicht, die langsam meine Ohren und Nase kalt werden lässt. Ich spüre nur den innerlichen Schmerz, der sich nicht betäuben lässt und lasse alles, was gerade geschieht, einfach nur an mir vorbeilaufen.

Als der Wettkampf beendet ist, weiß ich nicht, wer gewonnen hat. Ich weiß weder das Ergebnis von meinem Freund noch das von meinem Bruder. Ich weiß nicht, wie Deutschland sich im Allgemeinen angestellt hat oder irgendeiner von den anderen Slowenen. Ich kann nicht mal sagen, wer sonst noch auf dem Podium gelandet ist. Wie mechanisch lauf ich zurück ins Springerlager, bin froh um das Gewusel hier, denn so bleibt die Aufmerksamkeit weg von mir.

Irgendwie anders [Domen Prevc]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt