Negenunsesstig: Frieden

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!!! Triggerwarnung!!!
Kapitel aus Sicht einer toten Person geschrieben!!!

Einige Wochen später

Heute war scheinbar meine Beerdigung.
Nachdem ich letzte Woche erfolgreich von Mexiko nach Deutschland geflogen worden war und die ganzen Untersuchungen an mir endlich durch waren, lag ich jetzt in einem schönen Sarg in der Kirche meines Heimatortes.
Ich hatte mein langes Sommerkleid an, dass ich zu Lebzeiten sehr gerne Zuhause getragen hatte, denn es war mir zu lässig um es für etwas anderes anzuziehen als fürs chillen auf der Couch. Es war auf jeden Fall perfekt fürs herumliegen. Meine Haare lagen in ihren schönen Locken offen und sogar ein paar kleine Blümchen passend zum Kleid hatte der Bestatter mir hineingemacht. Meine Hände lagen entspannt übereinander und dazwischen die Kette mit dem Blumenanhänger, die Marten mir im Urlaub geschenkt hatte. Irgendjemand hatte tatsächlich für die Dekoration Sonnenblumen und rote Rosen ausgesucht, was in Kombination meiner Meinung nach fantastisch aussah, weshalb ich sie oft genug tattoowiert hatte.
Mein offener Sarg stand also vorm Altar und als die Glocken vom Turm zu hören waren wartete ich gespannt wer jetzt gleich alles rein kommen würde.

Als erstes kam der Pastor, den ich immer nett und sympathisch fand, wenn man im Dorf Mal aufeinander getroffen war. Nach ihm folgten meine Eltern und dann der Rest meiner relativ großen Familie. Danach folgten meine engsten Freunde wie Jessie, Ani und Ole, sowie viele Freunde aus meiner Schulzeit. Dann kamen viele Menschen, die ich gar nicht wirklich kannte, da sie Nachbarn oder Bekannte meiner Eltern waren mit denen ich also eigentlich gar nichts zu tun hatte in meinem Leben. Nach einer kleinen Lücke in der Menschenschlange folgte dann Helmut, der Stammkunde aus der Bar von Daniel, zusammen mit Amilla, welche jetzt schon heulte wie ein Schlosshund, was man verstehen konnte, denn schließlich hatte sie vor ein paar Tagen erst Daniel zu Grab getragen und jetzt war sie bei mir.
Alle nahmen also langsam nach und nach Platz, doch die Eingangstür stand immer noch offen, also fehlte jemand. Ich wartete und hörte dann ein paar Stöckelschuhe auf dem Boden der Eingangshalle, die nur einer Person gehören konnten. Meine Vermutung bestätigte sich, als Panya in einem wunderschönen schwarzen Jumpsuit mit hohen Schuhen und natürlich an John's Hand den Gang entlang lief zur nächsten freien Bank. Die beiden wurden dicht verfolgt von John's vier besten Freunden, die ich leider nie wirklich kennengelernt hatte, aber sie kannten mich ja wenigstens vom Sehen und aus Erzählungen. Da die sechs hier waren konnte Marten nicht weit sein, also wartete ich gespannt ob die Tür jetzt zu ging oder ob noch jemand kam.
Tatsächlich blieb die Tür noch auf und meine Arbeitskollegen aus der Brauerei kamen zusammen rein, dicht gefolgt von Adam, TomTom, Ben, Ian und ein paar anderen Brüdern von Marten, die alle super gestylt und elegant aussahen in ihren Anzügen. Als letzter kam dann wirklich Marten herein, welcher die Tür noch für die Küsterin offen hielt, bevor er sie hinter sich schloss, also waren wir alle.
Als alle saßen lief Marten also durch die gesamte Kirche bis nach vorne zur ersten Bank, da er neben meinem Eltern und engsten Freunden sitzen sollte.

Der Pastor stand irgendwie die ganze Zeit neben mir und hielt seinen Gottesdienst über mich, doch ich hörte ihm nicht wirklich zu, denn ich sah mir meine Gäste an und schenkte ihnen ein Lächeln oder sagte ihnen etwas, was sie hoffentlich irgendwie erreichte. Ich hatte in der letzten Bank hinten rechts bei Adam angefangen und war jetzt vorne links bei Jessie angekommen, welche ich einfach nur ganz fest umarmte und ihr sagte wie lieb ich sie hab und das ich immer bei ihr sein werde. Scheinbar kam etwas von mir bei ihr an, denn sie bekam plötzlich Gänsehaut, obwohl es schön warm war in der Kirche. Als nächstes kamen meine Eltern. Ich nahm mir jeweils eine Hand von ihnen, hockte mich vor sie und lächelte sie an. Sie weinten, das war verständlich, wenn man seine einziges Kind verlor, aber ich wollte nicht, dass sie so traurig waren, also streichelte ich ihre Handrücken und legte meinen Kopf auf ihre Beine, bis jemand neben ihnen aufstand.
Es war Marten. Bei ihm wäre ich als nächstes gewesen, um mich zu entschuldigen für alles was an meinem letzten Tag passiert war, denn kurz nachdem ich von der Polizei auf der Straße bedeckt worden war, hatte ich ganz deutlich seine Stimme in meiner Nähe gehört. Sie hatten ihn nicht zu mir gelassen.

Er war der erste, der eine Rede über mich hielt, also stellte ich mich vor ihn und sah ihm in die Augen. Als er von seinem Zettel auf sah und somit direkt in meine Augen stockte er plötzlich und bekam kein Wort mehr raus. Seine Augen wurden glasig und er begann zu weinen, so etwas hatte ich in den Monaten mit ihm kein einziges Mal gesehen und es brach mir dass mit Schüssen durchlöcherte Herz, weshalb ich ihn ganz fest umarmte und ihm Küsse auf die Wange gab. "Red weiter, Engelchen. Ich hör dir zu.",flüsterte ich ihm zu und er drehte verwundert seinen Kopf in meine Richtung ,als wenn er mich wirklich gehört hatte und tatsächlich fing er sich auch wieder und er laß weiter vor. Er erzählte von unserer Beziehung, wie wir uns kennengelernt hatte und was in meinem letzten Tagen so passiert war. Als letztes ging er zu meinem Sarg. Ich sah ihm über die Schulter und sah, wie er seine Hand küsste, bevor er dann vorsichtig die Wange meiner menschlichen Hülle berührte und "Ich werde dich für immer lieben", flüsterte und auch wieder zu seinem Platz auf machte. Ich blieb vorne stehen und hörte mir die verschiedenen Reden der paar Gäste an.
Nach meinen Eltern kam als letztes Jessie, die allerdings nur erklärte, mit was für einem Lied wir gleich aus der Kirche treten würden.
"Ich weiß noch ganz genau, wie Josie & ich 2014 vor dem Fernseher bei ihr im Wohnzimmer saßen und uns die Doku 'This is us' von One Direction angeguckt haben, weil wir damals wie heute die Musik von den fünf Herren gerne mochten. Auf jeden Fall weiß ich noch ganz genau wie ein Ausschnitt von einem riesigen Konzert der Band auf dem Fernseher kam und sie den Song 'Right Now' sangen und Jo zu mir sagte:"Jessie, das ist für mich der optimale Song für ne Beerdigung! Hör dir Mal genau den Text an...die erste Strophe heißt zum Beispiel....Lichter gehen aus, die Nacht ruft mich, ich höre Stimmen in den Straßen, die Lieder singen und ich weiß, dass wir für lange lange Zeit nicht nach Hause kommen werden, aber ich weiß ich werde nicht alleine sein.... die Strophen handeln eigentlich von der Band, die auf Tour geht und somit ihre Familie alleine zurück lassen muss Zuhause und sie eigentlich auf ihrem Weg bei sich haben will, aber Josephine hat den Song irgendwie immer als den Weg in das Jenseits gesehen, deshalb passt der Refrain auch so gut...genau jetzt wünschte ich, dass du mit mir hier wärst, denn genau jetzt ist alles neu für mich. Du weißt ich kann dieses Gefühl nicht bekämpfen, aber jede Nacht fühle ich es! Genau jetzt wünschte ich du wärst hier mit mir!"
Jessie sah mit tränenden Augen, aber stolz auf und ich war gerührt, denn ich hätte nicht gedacht dass sie sich an den Moment erinnern konnte, doch sie hatte es genau richtig erklärt und es passte perfekt, denn noch fühlte ich mich etwas alleine auf meinem Weg, aber sobald ich endlich meinen Ruheplatz hätte, würde es sicherlich besser werden. Jessie ging also vorne rechts an meinen Sarg, der Deckel wurde geschlossen und der Pastor segnete alle noch einmal, bevor Ole, Ani und Marten ebenfalls an den Sarg traten, um mich gleich zu meinem Grab zu tragen.
Das von Jessie erklärte Lied der britisch-irischen Boyband begann zu spielen und die Küsterin öffnete die große Seitentür durch welche es jetzt gleich raus zum Friedhof gehen würde. Ich freute mich bereits, denn ich würde neben meinen geliebten Großeltern liegen dürfen auf unserem großen Familiengrab und da würde ich sicherlich meinen Frieden finden können.

Deep Waters are Silent🌊🌑 A German LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt