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Elena

Zurück am Hotel eingetroffen, öffnet Lew uns die Tür des Geländewagens, in dem er uns mehrere Stunden durch die Stadt gekutscht hat. Lynn steigt mit drei vollen Tüten aus, die sich unterwegs angesammelt haben. Darin sind Souvenirs, ein paar Kleinigkeiten und eine hübsche Kette, die sie bei einem Juwelier gekauft hat. »Danke Lew, es war äußerst nett von dir uns diese Tour zu geben«, bedankt sie sich überglücklich bei ihm. Der Dunkelhaarige ist wie die letzten Stunden auch, sehr schweigsam. Ein Einfaches »gern geschehen«, kommt ihm über die Lippen. Lynn grinst ihn an. Auch ich steige aus. Tief durchatmend richte ich meine dünne Jacke, die vom Sitzen ganz verrutscht ist. »Elena ich muss schonmal ins Bad, ja?«, drängelt die Blonde nebenbei. Nickend deute ich ihr, dass sie schon gehen soll. Hin und her wippend nickt sie eifrig. »Danke Lew!«, ruft sie noch, dann ist sie in der Lobby verschwunden und wir beide stehen allein da.
Unsicher, was ich sagen soll, drehe ich mich zu Lew. Ich weiß ja nicht mal, ob er alles versteht, was wir sagen. »Danke das du so geduldig warst mit uns. Es war ein schöner Tag«, bedanke ich mich ebenfalls. Der große Mann schließt die Tür langsam, faltet die Hände vor dem Körper und sieht auf mich hinab. »Gerne. Miro wird sich freuen das zu hören«, teilt er mir mit starkem Akzent mit. Ein Lächeln kommt über meine Lippen, als ich seinen Namen höre. »Richte ihm aus das es sehr lieb von ihm war, dass er das ermöglicht hat«, bitte ich den Dunkelhaarigen. Lew nickt leicht. »Werde ich. Es war mir ein Vergnügen«, verspricht er mir und macht einen Schritt zurück. Er will los. Deswegen sage ich tschüss und laufe zum großen Eingang des Hotels.
»Ach Elena?«, ruft Lew mir über den Bordstein hinterher. Ich wirble fragend herum. Als unsere Blicke sich treffen, öffnet er die Fahrertür. »Er holt dich Freitag gegen sechs ab«, lässt er mich wissen.
»Danke, sag ihm danke.«
»Werde ich.«

Als der Freitag anbricht, wird mir klar, dass dies unser letzter Abend hier sein wird. Während ich mich umziehe, packt Lynn dreimal ihren Koffer um, da der Reißverschluss nicht zugehen will. Sie wird sich nachher noch mit Eldaro im Mercury treffen, hat sie mir erzählt. »Elena darf ich meine Schuhe in deinen Koffer packen?«, ruft sie fragend aus dem Zimmer ins Bad. Durch die Tür, welche einen Spalt geöffnet ist, antworte ich ihr. »Ja packe sie auf die rechte Seite, dort ist noch Platz.«
»Danke, vielleicht geht mein Koffer dann auch zu«, scherzt sie zuversichtlich. Lächelnd über ihre Worte, schließe ich meinen Ohrring und richte mich vor dem Spiegel auf. Mein Körper steckt in einem schwarzen Cocktail Kleid, recht simpler Schnitt. Dazu trage ich Miros Armband und goldene Ohrringe. Ich hoffe inständig, dass sich die Nervosität noch legt. Gott ich glaube mir, wird übel ...
»Reiß dich zusammen Elena«, rede ich mir gut zu. Vermutlich liegt es daran, dass ich Miro nach dem Ausflug mit Lew nicht mehr gesehen habe. Ich habe das Gefühl, das er mir aus dem Weg gegangen ist. Aber immerhin habe ich diesmal ein Geschenk für seine Mutter. Lynn und ich haben vor ein paar Stunden einen Blumenstrauß gekauft, den ich für sie mitnehmen möchte. Es ist nur höflich, wenn ich ihr etwas für die Einladung mitbringe. Ich möchte ungern einen schlechten Eindruck hinterlassen. Komischerweise ist mir dies wichtig.
»Ha! Er ist endlich zu! Elena mein Koffer ist zu!«, freut meine beste Freundin sich aufgeregt wie ein kleines Kind. Ich verlasse das Bad wieder, finde Lynn auf ihrem Koffer sitzend vor. »Schön, könntest du meinen auch schließen?«, bitte ich. Neben der Tür greife ich mir die schwarzen Pumps. Ich streife sie mir über, werde dadurch glatte zehn Zentimeter größer, doch bin immer noch kleiner als Miro, wenn ich neben ihm stehe.
»Wann kommst du wieder?«, möchte die Blondine wissen. »Ich weiß nicht. Wir sollten uns spätestens Mitternacht hier treffen. Der Flug geht ein Uhr dreißig, bis zum Flughafen ist es eine halbe Stunde«, murmle ich. Seufzend sinke ich auf mein Hotelbett und überkreuze die Beine. Gegenüber des Ganzkörperspiegels seufze ich auf und betrachte mich. Meine gewellten Haare fallen flüssig über meine Schultern, die Wimpern sind dunkel getuscht und von Lidschatten umrahmt. Ich werde Sankt Petersburg vermissen. Die letzten zwei Wochen habe ich die Stadt liebgewonnen. Sie strahlt einen besonderen Flair aus. In naher Zukunft will ich wiederkommen, das schwöre ich. Es klopft zweimal leise gegen die Tür, als Lynn gerade zu einem neuen Satz ansetzen will. »Das ist er«, stellt sie fest und zieht mich an den Händen auf die Beine. »...Also Gut, Mitternacht im Hotel. Alles ist gepackt, wir haben nichts vergessen und ich bestelle ein Taxi. Wir schreiben, du musst mir erzählen wie gigantisch das Haus von seinen Eltern ist«, rasselt Lynn schnell herunter, ohne Luft zu holen. Es klopft erneut. Ich fasse sie an den Schultern, atme mit ihr tief durch. »Okay, habe viel Spaß«, wünsche ich ihr.
»Du auch, vergiss die Blumen nicht.«
Sie reicht mir den eingepackten Strauß, wirft mir einen Luftkuss zu und drückt mich Richtung Tür, die ich nervös öffne. Mal wieder lehnt Miro am Türrahmen, trägt einen dunkelblauen Anzug und ein charmantes Lächeln auf den Lippen. »Ich dachte schon du machst nie mehr auf«, scherzt er zu Begrüßung. Lachend schnappe ich mir meine kleine Tasche, ziehe die Tür hinter mir ins Schloss. »Ich musste mit Lynn noch etwas klären wegen dem Flug«, sage ich. Nickend stößt er sich vom Türrahmen ab und zieht die Hände aus den Hosentaschen. Sein Blick gleitet zu dem Strauß Blumen in meinen Händen. Sogleich heben sich seine Augenbrauen in die Höhe. »Hast du mir etwa Blumen gekauft?«, grinst er. Ich schüttle den Kopf.
»Die sind für deine Mutter du Scherzkeks«, erkläre ich amüsiert. Der gut-aussehende Russe legt seinen Arm um mich, wir laufen bis zum Fahrstuhl.
»Meine Mutter freut sich schon auf dich, sie hat die letzten Tage dankt verbracht ein Menü zusammenzustellen, das heute serviert werden soll«, erzählt er mir im Aufzug. Sein Arm weicht nicht eine Sekunde von meiner Schulter. Ich spüre, wie sehr es mir gefällt. Seine Hand liegt auf meinem Arm, ich spüre den Stoff seines Jacketts an meiner Haut reiben. Wir stehen dicht nebeneinander, ich sehe zu ihm auf.
»Deine Mom ist sehr lieb, sie muss sich nicht solch einen Aufwand machen, extra wegen mir.«
Miro schaut auf mich hinab. Ich erkenne seine gesprenkelte Iris, die nur so im gedimmten Licht leuchtet wie tausend Sterne im düsteren Weltall.
»Sie macht das sehr gerne.«
Wir laufen durch die leere Lobby über den roten Teppich, bis nach draußen auf den Gehweg. Ich erkenne den silbernen Mercedes, neben dem Eingang parken. Mit einem Handgriff verschwindet sein Arm von mir, er hält mir die Tür auf. Dankend steige ich ein, lege meine kleine Tasche in meinem Schoß ab und schnalle mich an. In der Zeit ist er um den Wagen geeilt, hat sich in den Fahrersitz sinken gelassen und startet das teure Gefährt. Der Auspuff brummt kräftig auf, leise Radiomusik beginnt zu spielen, als er ausparkt.
»Wird die Fahrt lang dauern?«, möchte ich neugierig wissen. Viel von dem Ort, an dem er wohnt, hat er mir bis jetzt nicht erzählt. »Vierzig Minuten, der Verkehr ist sehr schlecht. Es ist Freitagabend und die Straßen voll«, lässt er mich wissen. Also lehne ich mich zurück und bin gespannt, wie seine Eltern leben.

Saints and SinnersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt