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Elena

Es ist blendend hell, als ich es endlich schaffe, meine Augen zu öffnen. Die Sonne strahlt durch die offenen Vorhänge in den Raum, flutet ihn mit Tageslicht. Ich muss blinzeln. Mein Kopf brummt, mein Magen schmerzt. Aus meinem Handgelenk strahlt ein stechender Schmerz meinen ganzen Arm hinauf bis in die Schulter. Gott tut das weh. Stöhnend zwinge ich meinen Körper, mich im fremden Bett aufzusetzen. Das Zimmer ist groß, hell und mit einem großen Kleiderschrank versehen. Hinter der angrenzenden Tür muss sich ein Badezimmer verbergen. Schluckend lehne ich mich gegen das gepolsterte Kopfteil. Dabei stützte ich mich aus Versehen auf die schmerzende Hand.
»Ah scheiße!«, entflieht es mir unter Schmerzen. Tränen quillen mir aus den Augen, ich kann sie nicht daran hindern meine Wangen zu durchnässen. Der Schmerz ist zu groß. Die fremden müssen sie mir gestern gebrochen haben. Mit klopfendem Herzen schwinge ich die Füße über die Bettkante. Sie berühren das warme Parkett, die einfallende Sonne kitzelt mich auf der Nase. Mir ist klar, dass ich schleunigst herausfinden muss, wo ich mich befinde.
Ich drücke die Türklinke, öffne die Zimmertür. Ein langer Flur erstreckt sich von mir zu beiden Seiten. Auf der rechten Seite, ganz am Ende, erkenne ich die Balustrade eines Luftraumes. Daneben eine Treppe.
Bingo.

Schleichend durchquere ich den Flur, halte mir meine verletzte Hand. Im Haus ist es mucksmäuschenstill. Es gibt weder Bilder noch Gemälde an den Wänden. Nur Kronleuchter schmücken die Decken. Wieder frage ich mich, wo genau ich mich befinde. Der mediterrane Stil des Hauses lässt mich darauf schließen, dass ich mich am Mittelmeer befinden muss. Dies würde auch das warme Klima erklären. Ohne Geräusche zu hinterlassen, steige ich die kühlen Stufen hinab. Ich kann bereits die große Haustür erkennen. Nur wenige Schritte.
Jemand räuspert sich und durchkreuzt den Plan. Sofort halte ich auf der letzten Stufe inne. In einem Türrahmen des anschließenden Flures auf der rechten Seite steht ein großgewachsener Mann im Anzug.
»Wohin des Weges, signora?«, fragt er mich höflich. Der Unterton in seiner Stimme ist angsteinflößend. Mich erschaudert es. Wie er da steht, mit gefalteten Händen und diesem stechenden Blick in den Augen. Ich muss zugeben, dass er mir Angst macht. Schluckend überlege ich mir meine Worte gut. »Ich will wissen, wo ich bin«, verlange ich eisern. Das habe ich mir bei Miro abgeschaut und hoffe, dass es funktioniert. Der südländisch aussehende Mann nickt, als hätte ich ihn nach der Küche gefragt. Mit der Hand in eine Richtung gestreckt, setzt er zu einem neuen Satz an.
»Folgen Sie mir doch«, bittet er mich ruhig. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch folge ich dem schlaksigen Mann weg von der Tür, in ein großes Wohnzimmer. Die Küche grenzt zu meiner Rechten offen an. Hinter dem Ofen steht eine dünne Frau mit Schürze. Sie würdigt mich keines Blickes.
Unwohl wende ich meine Augen nach vorn auf den Anzugträger. Er geleitet mich durch eine überdimensionale Schiebetür auf eine Art Terrasse. Ich staune nicht schlecht, als ich den sauber angelegten Garten erkenne, die Brüstung dahinter und eine Stadt in der Ferne. Die Terrasse, auf der warme Platten liegen, die ich bei jedem Schritt mit meinen nackten Füßen spüre, ist großzügig angelegt und sehr altertümlich. Das erste Mal kann ich das Haus, in dem ich mich befinde, von außen betrachten. Lange Fensterläden rahmen die Fenster, Stuck und Gesimse schmücken die Fassade in einem sandigen Ton. Das Dach ist mit roten Schindeln gedeckt, die mich sehr an Italien erinnern. Bin ich etwa in Italien? Der Aussicht, der ich bis zu diesem Moment nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe, zeigt sich mir plötzlich von einer ganz neuen Seite. Ich blicke vor der steinernen Brüstung den Abhang hinunter auf die roten Dächer. Soweit das Auge reicht. In der Mitte der Stadt ragt ein hoher ballonartiger Kirchturm aus dem Meer der Häuser. Der Turm der Santa Maria del Fiore. Ich befinde mich in Florenz.

»Signora? Sie trödeln«, mahnt der Mann mich tadelnd. Ich schnappe nach Luft. Zwischen den hohen Büschen und Pflanzen bleibe ich auf dem gepflasterten Weg stehen.
»Ich will jetzt sofort wissen, wieso ich hier bin!«, fahre ich ihn ungeduldig an. Ich will es auf der Stelle wissen. Diese Kerle haben mich einfach, gegen meinen Willen nach scheiß Italien verfrachtet. Ich will keine Führung durch den Garten, sondern hier weg.
Der Anzugträger mit dem starken Akzent deutet mir mit den Händen, ruhig zu bleiben. »Alles mit der Zeit«, versucht er mich zu beruhigen. Kopfschüttelnd mahle ich auf meinem Kiefer und drehe auf der Stelle um. Mit brummendem Kopf eile ich den weg zurück auf die Terrasse. Der Mann macht sich keine Mühe mir zu folgen. Ich erhöhe mein Tempo, was mit leerem Magen und dröhnendem Kopf gar nicht so einfach ist. Gerade durch die Tür und das Wohnzimmer, an der Köchin vorbei zurück in den Flur. Ich strecke meine unverletzte Hand zur Haustür, habe die Klinke schon in der Hand als sie plötzlich aufgeht.

Ich stolpere erschrocken drei Schritte nach hinten und pralle gegen das Geländer der Treppe. Erschrocken schnappe ich nach Luft. Der Mann aus dem Café steht in der Türschwelle. Wie bei seinem Besuch in einen dunklen Anzug gehüllt, mit diesem finsteren, mysteriösen Blick. Mir wird schwarz vor Augen, als ich ihm ins Gesicht blicke. Speiübel taste ich nach dem Geländer, an dem ich mich anlehne. Er war es, der mich zugedeckt hat und auf meinem Bett saß.
»Sie...!«, stoße ich ungläubig hervor. Kopfschüttelnd presse ich mich eng gegen das schmiedeeiserne Geländer. Die Ecken bohren sich schmerzhaft in meinen Rücken, kalter Schweiß rinnt mir über die Stirn.
»Elena«, stößt er meinen Namen gefährlich leise aus. Seine Lippen sind stahlhart aufeinandergepresst, er mustert mich, dann den schlaksigen Kerl, vor dem ich abgehauen bin. Sekunden später stößt er die Tür mit Schwung hinter sich zu.
»Antonio, wohin wollte unser Gast?«, fragt er ihn misstrauisch. Ich kann in seinen Augen ablesen, dass er genau weiß, dass ich fliehen wollte. Wieso also fragt er seinen Handlanger? Und wieso so dass ich ihn verstehen kann? Sie könnten auch auf Italienisch sprechen. »Abhauen, signor«, teilt er seinem anscheinenden Boss mit. Dieser nickt mit verzogenen Lippen, nickt nach rechts. »Ich rufe dich, wenn ich dich brauche, danke Antonio«, schickt er ihn weg. Ich sehe dem Mann lippenbeißend zu, wie er in einen der verwirrenden Flure geht und hinter einer Tür verschwindet wie ein Geist.
Der Mann aus dem Café macht einen Schritt auf mich zu. Seine bestimmt teuren italienischen Lackschuhe geben dumpfe Geräusche auf den kalten Fließen ab. Im Gegensatz zu ihm trage ich weder Schuhe noch Socken. Und langsam wird mir kühl. Mein Körper drängt sich enger gegen das Eisen hinter mir. Ganz sicher werde ich blaue Flecken davontragen. Doch das ist im Moment mein kleinstes übel. »Elena...«, spricht er mich vorsichtig an. Seine grünen Augen graben sich tief in meine, hypnotisieren mich fast. Tief hole ich Luft. Er streckt seine Hand aus. Skeptisch schaue ich auf seine Finger hinunter. Ich werde sie nicht annehmen. Der Mann ist doch krank. »Du kannst mir vertrauen«, versichert er mir. Ich schnaube mutig. »Vertrauen?«, spotte ich, »Sie haben mich entführt, nach Italien verschleppt. Soll ich ihnen etwa dafür danken? Das ist doch Bullshit«, spucke ich ihm zornig entgegen. Der Italiener schüttelt ebenfalls seine gerunzelte Stirn.
»Entführt? Ich habe dich nach Hause gebracht, meine Liebe.«

Saints and SinnersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt