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Elena

»Du...!«
Mir fällt kein annähernd passendes Wort ein, welches dem auch nur gerecht wird. Ich will mir das Collier vom Hals reißen, es einfach nicht in meiner Nähe haben. Es ist gestohlen und mehr wert als alles, was ich kenne. Aber am schlimmsten ist, dass er etwas damit zu tun hat. Er oder einer seiner Handlanger hat es aus der Eremitage gestohlen. Nein - geraubt.
»Was? Es ist für dich«, sagt Miro amüsiert. Kopfschüttelnd drehe ich mich in seine Richtung. »Mach es mir ab, dass ... du!«
Er lacht auf.
»Jeder weiß, wohin es verschwunden ist. Zumindest jeder, der uns gut kennt. Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis es jemand raubt. Wir waren einfach schneller als die anderen«, erklärt er.
Mein Herz droht mir gleich aus der Brust zu springen. Ich halte die Luft heftig an, versuche, Worte zu finden. Ehrfürchtig fahre ich die blutroten Rubine nach. Das Schimmern der einzelnen Diamanten vermischt sich mit denen der Kronleuchter. Und das Armband an meinem Handgelenk ebenfalls. Wieso trage ich es überhaupt? Vielleicht weil Lynn es mir gewaltsam anlegen wollte und mir mit ihrem Schuh gedroht hat. Gott ich bin so dumm. Sie könnten mich für immer ins Gefängnis stecken, mit den Juwelen am Hals.
Miro schlendert gelassen auf mich zu, starrt mich ungeniert dabei an.
»Nur für diesen Abend. Danach verschwindet es wieder, versprochen«, versucht er mich zu überzeugen. Als ob ich eine Wahl hätte. Den komplizierten Verschluss bekomme ich unmöglich allein auf.
»Aber ich...«
Den Satz beende ich nicht. Der große dunkelhaarige Russe hebt seine Hand zu meinem Gesicht, legt sie unter mein Kinn, zwingt mich so, ihm in die Augen zu sehen. Seine Iriden funkeln dunkel im Schatten der Lichter auf mich hinab, suchen sich einen Weg in meine Seele.
»Du siehst wunderschön aus, Elena.«

Seine Worte hallen noch ein paar Mal in meinen Ohren wider. Seine Stimme hat so ernst und wahr geklungen, wie in einem dieser kitschigen Liebesfilme, die Lynn immer schaut, wenn Valentinstag ist. Miro hat es ernst gemeint.
»Hat es dir die Sprache verschlagen Lämmchen?«
Ich schüttle sanft den Kopf, spüre noch immer seine Finger unter meinem Kinn. Sie verschwinden augenblicklich.
»Wenn ich in ein Sibirisches Arbeitslager komme, dann-«
»Dann haben wir heißen Zellen-Sex«, unterbricht er mich anzüglich. Ich schlage ihm gegen die Brust.
»Nein Idiot, dann werde ich dich verpetzen.«
»Das hoffe ich doch Süße. Dann können wir beide zusammen den Rest unseres Lebens in einem Sibirischen Arbeitslager verbringen. Und uns bei Minus zwanzig Grad gegenseitig wärmen.« Er lacht rau auf, legt mir den Arm um den Rücken und bringt mich dazu, loszulaufen.

Kopfschüttelnd durchquere ich neben ihm den imposanten Flur, wundere mich dabei, wie viele Jahre es gedauert haben musste, das alles fertigzustellen. Wahnsinn. In der Zwischenzeit rutscht seine Hand tiefer über mein Kleid. Seine Finger ziehen sich über den flüssig fallenden Stoff, hinab auf den Rock. Erst als wir in den nächsten Flur abbiegen, ergreift er meinen Arm und lässt mich bei sich unterhaken. Ich spüre, wie nervös er wird, was er gekonnt versucht zu überspielen und mich dabei von unten bis oben mustert. Er neigt sein Gesicht hinab zu meinem Ohr, flüstert; »Mach dir keine Sorgen, sie werden dich lieben.«
Seine Worte helfen ein klein wenig.
Am Ende des Flures halten wir kurz an. Große Flügeltüren öffnen uns den Weg in den riesigen Ballsaal. Harfen- und Geigenmusik spielt in irgendeiner Ecke, das Getuschel der Menschen wird lauter. Alle Augen liegen plötzlich auf uns. Die gut gekleideten Gäste murmeln hinter ihren Sektgläsern, beobachten uns als wir durch den Raum schreiten.
Ganz hinter der Masse an der Wand sehe ich Eldaro an der Wand lehnen, welcher nur in sich hinein grinst und Alkohol trinkt. Neben ihm steht ein Mann, der den Brüdern ähnelt, doch ich weiß nicht, wer er ist. Auch er beobachtet das Geschehen um uns. Die Masse macht Platz, als würde Miro sie mit seiner autoritären Haltung vertreiben. Russische Worte vermischen sich mit der klingenden Musik. Es wird getuschelt, wohin man nur sieht.
Der dunkelhaarige führt mich an ihnen vorbei, schenkt ihnen keinen Blick, er hat einen älteren Mann vor uns im Auge, welche neben einer hübschen ebenso alten Frau steht. Dies müssen seine Eltern sein. Mein Herz macht einen Satz, als er anhält. Die Menge schließt sich hinter uns, das Geschehen geht weiter. Zum Glück schenkt uns die Hälfte der Masse keine Aufmerksamkeit mehr. Ich hasse, es im Mittelpunkt zu stehen. Vermutlich liegt es an den Juwelen um meinen Hals.
»Miroslav.«

Seine Eltern ziehen meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Ein Grinsen huscht über Miros Lippen. Er spricht mit seinem Vater auf Russisch, umarmt ihn kurz. Ich verstehe kein Wort ihrer Konversation, lächle nur, bis plötzlich die Augen der beiden auf mich fallen. Ich spüre seinen Arm wieder um meinen Rücken, atme tief durch, als seine Mutter einen Schritt auf mich zu macht.
»Herzlichen Glückwünsch«, spreche ich die beiden an. Verstehen sie mich denn?
Über das Gesicht Miros Mutter huscht ein Lächeln. »Du musst Elena sein. Dankeschön, nenn mich doch Svetlana«, bietet sie mir an. Noch ein Schritt auf mich zu, dann schließt sie mich in die Arme. Ich lasse ihren Sohn los, erwidere ihre herzliche Umarmung. Dabei flüstert sie etwas in fröhlicher Stimme zu ihrem Sohn, was ich nicht verstehe. Er seufzt darauf nur genervt auf.
»Überfordere sie nicht...«, bittet er sie in Englisch, sodass ich es auch verstehen kann. Sie löst sich, grinst aber breit. Er hat ihre Lippen und ihre Augen, dabei das gleiche Lächeln wie sie. »Du bist ja noch hübscher als ich gedacht habe«, flüstert sie, entlockt mir ein kleines Lächeln. Sie streckt die Hand aus, berührt das Collier an meinem Hals.
»Aber mein Sohn hat mich mächtig angelogen, was dieses Schmuckstück angeht. Trotzdem kann ich verstehen, wieso du es trägst.«
Ihre Augen funkeln auf, dann entfernt sie sich ein Stück.
»Mutter...«
»Es steht ihr, mein Sohn.«
»Ich wusste das du es ihr geben wirst«, mischt sich nun sein Vater ein. Wie Miro auch strotzt er nur so vor Autorität. Sein harter Blick und das gereckte Kinn lassen ihn eiskalt wirken, ganz im Gegensatz zu dem Ausdruck auf seinem Gesicht. Er reicht mir distanziert, aber neugierig die Hand, welche ich kurz schüttle. Dabei begutachtet er das Juwel um meinem Hals akribisch.
  »Eine Schande das es danach wieder verschwinden muss. Es ist zu schade um es hinter einer Vitrine zu lassen...«
Sein Blick huscht hinauf zu meinem Gesicht.   
»Aber wie ich sehe ist es für den Abend in guten Händen, nicht wahr?«, fragt er. Ich nicke.
»Also Gut...«, wechselt Miro zum Glück das Thema, »...ich bin mir sicher ihr habt noch einige Gäste zu begrüßen. Deswegen mischen wir uns mal zwischen die Leute.« Sein Arm zieht mich straff an sich, bis unsere Seiten sich treffen. »Hat mich sehr gefreut«, verabschiede ich mich vorerst von seinen Eltern.
»Uns ebenfalls«, winkt mir seine Mutter freundlich, schaut uns nach, als ihr Sohn mich in die Masse zieht. Und ich bin unendlich froh, dass sie so nett zu mir sind.

Saints and SinnersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt