46

4.6K 198 6
                                    

Elena

»Dove dobbiamo portare la donna?«
»Al primo piano.«
»Sì signora.«
Ich werde unsanft gepackt. Von einem relativ bequemen Sitz - ich vermute Auto - in die Arme der Kerle, die mich verschleppt haben. Warmer Wind trifft meine Haut, mit wird klar, dass ich mich nicht mehr in London befinde. Weder dort noch in Großbritannien. Ich muss mich in einer warmen, sommerlichen Gegend befinden. Das Klima hat eine höhere Luftfeuchtigkeit, doch der Dschungel ist es nicht, dafür ist es zu trocken. Ich will die Augen öffnen, mich wehren, meine Beine bewegen, doch nichts passiert. Es ist, als wäre mein Körper nicht mehr mein, als könnte ich nicht kontrollieren was gerade passiert. Ich bin ihnen hilflos ausgeliefert. Die Sprache, die sie sprechen, verstehe ich auch nicht. Was ist das, spanisch? Vermutlich.

Meine Hand prallt plötzlich gegen etwas Festes. Sofort setzt ein stechender Schmerz ein.
»Attento! Attento! Voi idioti!«, erklingt die Frauenstimme wieder. »Scusi«, mault eine tiefe Stimme garstig. Sie muss einem der Kerle gehören, die mich tragen. Ich höre wie sie Treppensteigen, vermutlich in den ersten Stock.
»Prima stanza, sinistra!«, ruft die Frau von unten. »Sì, sì, taci finalmente...«, schnaubt der Kerl leise. Ein anderer lacht. Eine Tür wird aufgestoßen, unter ihren Schuhen knarzt eine Diele. »Sul letto«, sagt der eine. Kurz darauf finde ich mich auf einem weichen Bett wieder. »Andiamo«, beschließt der eine, sie verschwinden hörbar, lassen die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Stimmen aus dem Flur sind zu hören, eine Neue dazu. Sie erinnert mich an jemanden, aber an wen?
Der Fremde betätigt die Türklinke und tritt ein. Mein Herz macht einen Satz. Panik kriecht erneut in mir auf. Was wollen die nur von mir?

Das knarzende Parkett lässt mich erahnen, wie nah er mir mittlerweile gekommen ist. Wieder knarzt der Boden. Ich höre den fremden Mann laut, fast schon bedrückt, ausatmen. Das Geräusch von Seide reibend auf Baumwolle, dringt in meine Ohren. Ich spüre eine seidene Decke die über meine Beine, bis zu meiner Hüfte geschoben wird. Der Rand des großen Bettes senkt sich ab, der Mann atmet erneut aus.
»Bentornato a casa«, spricht er mit rauer Stimme zu mir hinab. Seine Fingerkuppen streifen über meine. Ich will am liebsten die Hand wegziehen, doch mein Körper ist noch immer wie taub, gelähmt und nicht mein zugleich. Die pure Angst in meinen Adern nimmt nicht ab. Was machen die mit mir? Und noch viel schlimmer, werde ich je wieder aufwachen? Wenn ich richtig schätze, dann war das stinkende Stück Stoff in Chloroform getränkt. Hält dieses Zeug den Langen weg von London bis an diesen Ort, an? Ob ich noch in Europa bin? Gott, was wird mit Lynn und Stacy sein? Mrs Petryl? Sie werden vermutlich bis übermorgen nicht merken, dass ich weg bin. Was passiert mit meinen Sachen? Wie komme ich hier raus?
Tausende Fragen schwirren in meinem Kopf, ich habe zu keiner eine Antwort. Als Erstes muss ich aufwachen, danach kann ich herausfinden, wo ich bin und vor allem, wieso ich hier bin.

Saints and SinnersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt