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Miro

Gelangweilt tippe ich meinen Zeigefinger gegen das dunkle Holz des Tisches. Seit drei Stunden spricht mein Vater mit einem spanischen Inhaber einer Restaurantkette, über mögliche Investitionsmöglichkeiten in Madrid. Und ich muss die ganze Zeit daneben sitzen und zuhören. Langsam fühle ich mich wie die elendig aussehenden Praktikanten des Spaniers, die neben der Tür auf Stühlen sitzen und seit drei Stunden nicht einmal den Stift zur Seite gelegt haben. Meine Gedanken sind schon vor langer Zeit abgedriftet. Sporadisch höre ich ihnen mit einem Ohr zu, damit ich den Faden nicht ganz verliere. Aber langsam bin ich es leid, in diesen unbequemen Stuhl zu sitzen. Die Räumlichkeiten in der Innenstadt, die ich vor ein paar Wochen besucht habe, erfordern meine Aufmerksamkeit. Die großen Räume und die alte Dachterrasse werden in mein neues Apartment verwandelt. Dies ist der beste Platz für eine Wohnung, die fast dreihundert Quadratmeter und drei Stockwerke hat. Die große Dachterrasse hat weitere hundertdreißig, auf denen ich genügend Möglichkeiten habe, mir die Zeit zu vertreiben. Außerdem sponsore ich dem Gebäude einen Fahrstuhl, den alle Mieter nutzen können. So erspare ich mir, mich vorzustellen, und verärgere sie nicht mit dem lauten Baulärm. Außerdem lassen meine vielen Möbel sich viel einfacher in den letzten Stock bringen, wenn die Arbeiter keine Treppen laufen müssen. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Gelangweilt wippe ich meinen Fuß unter dem Tisch. Die Uhr über der Tür schlägt acht, mein Geduldsfaden reißt, als der Zeiger auf die zwölf trifft. Immerhin habe ich heute noch ein Telefonat mit Elena, wie ich es ihr versprochen habe. Räuspernd mische ich mich also ins Gespräch ein, um die Sache abzukürzen. Sofort liegen die zwei Augenpaare der Männer auf mir.
»Nun gut meine Herren. Wir wollen Sie gerne als Partner haben und wissen das sie uns brauchen. Also zahlen sie die abgemachten fünfzig Prozent und alle sind glücklich. Sonst müssen sie auf ihren umwerfenden Ausblick über die Stadt wohl verzichten«, grinse ich schelmisch. Dem Spanier hat es die Sprache verschlagen, er sitzt mit offenem Mund da.

Mein Vater lacht laut auf und lehnt sich selbstgefällig im Stuhl zurück. »Mein Sohn hat den Sinn fürs Geschäft und diesen stahlharten Blick, genau wie ich«, lacht er zufrieden. Ich allerdings verändere meine ernste Miene nicht eine Sekunde. Der baffe Spanier starrt meinen Vater nur an. »Nun ja...«, murmelt er unsicher.
Stöhnend erhebe ich mich, lange nach meinem iPhone vom Tisch und versenke es im Futter meiner Hosentasche. »Stimmen Sie einfach zu. Ich habe noch etwas wichtiges vor«, drängle ich ihn genervt. Der Spanier nickt und streckt meinem Vater die Hand entgegen.
»Deal.«
Die beiden schlagen ein, ich straffe zufrieden die Schultern. Ich marschiere zur Tür, öffne sie ruppig und halte in der Türschwelle inne. Meine Augen wandern ein letztes Mal skeptisch zu den drei Praktikanten herab.
»Und kaufen sie denen ein paar Laptops. Das kann ja keiner mit ansehen«, murre ich genervt. Mit diesen Worten knallt die Tür hinter mir ins Schloss und ich mache mich auf den Weg zum Fahrstuhl. Im Inneren, gegen die Wand lehnend, zücke ich mein Telefon wieder. Nachdenklich wähle ich Elenas Nummer.

Mein Daumen schwebt über dem Display, fünf Sekunden vergehen, bevor ich auf das grüne Symbol klicke und das kleine Gerät an mein Ohr führe. Es wählt, ein, zwei Mal. In der Tiefgarage verlasse ich den Aufzug und laufe auf mein Wagen zu, wenige Schritte entfernt. Es tutet ein drittes Mal, dann ertönt die Mailbox. Sofort lege ich auf. »Verdammt.«
Arbeitet Sie um diese Uhrzeit noch? Sehr unwahrscheinlich. Vielleicht ist Sie aus, essen. Ich schwinge mich in den tiefliegenden Mercedes, stecke grübelnd den Schlüssel ins Schloss und wechsle auf dem Telefon in unseren Chat. Eine einfache Nachricht hinterlasse ich ihr. Sie hat doch unsere Verabredung nicht vergessen, oder?

Steht das Telefonat heute Abend noch?

Durchatmend sperre ich den Bildschirm, werfe es auf den Beifahrersitz und schnalle mich an. Der drehende Schlüssel im Zündschloss lässt den Motor aufheulen, mein Fuß betätigt das Gaspedal. Mit einem Zug parke ich aus, rausche aus der Tiefgarage mitten in den regen Verkehr der Innenstadt, auf dem Weg nachhause.

Saints and SinnersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt