65 - Epilog

8.2K 283 71
                                    

Elena

Vier Jahre später ...

Vor vier Jahren hat sich mein Leben verändert. Lynn und ich wollten Urlaub machen, das Wetter genießen und Sankt Petersburg erkunden. Wir wollten Spaß haben. Konnte jemand ahnen, dass es so eine Wendung nahm? Vermutlich nicht. Würde ich es ändern? Nein. Ich kann mich genau an Miros und meine erste Begegnung erinnern. Wie ich in ihn gerannt bin, vor der Schneiderei. Und wie Lynn mich fragte, ob ich gesehen habe, wie er mir nachgesehen hat.
Ich weiß noch genau das der Abend, an dem wir das Mercury besucht haben, schwül gewesen ist. Das schwarze Kleid hängt noch heute in meinem Schrank. Ich rieche sein herbes Parfüm gemischt mit Aftershave, spüre seine raue Hand auf meinen Lippen und seine behandschuhte Hand um meinen Bauch. Ich höre, wie er mir beruhigende Worte ins Ohr raunt und mich das erste Mal Lämmchen genannt hat.
Sein Stöhnen ihm Auto, als ich meine Lippen bewegt habe und er den Kopf in den Nacken geworfen hat. Unser zweites Treffen und die vielen die darauf folgten. An den Moment, an dem er mir das Armband schenkte und mir in der Eremitage begegnete.
Manchmal träume ich von dem Ball im Katharinenpalast, zum Jubiläum seiner Eltern. Wie wir auf dem Steg standen und uns das erste Mal im Mondschein geküsst haben. Er hat mich mit funkelnden Augen angesehen, als wäre ich das schönste auf der Welt.
Wie wir tanzten und die Welt um uns verblasste.
Wie wir es in einem der Zimmer trieben und das Baby entstand. Der schönste Abend meines Lebens. Mit dem Collier um den Hals und ihm an meiner Seite habe ich mich die Nacht wie die begehrteste Frau der Welt gefühlt.
Er hat mich nicht nur einmal, sondern gleich zweimal davor bewahrt zu sterben. In Italien hat er mich ausfindig gemacht und hatte das Kriegsbeil mit meinem Vater begraben.
Miroslav Rochevsko hat mich zu einem besseren Menschen gemacht. Einem Menschen, der sich selbst mehr vertraut und selbstbewusster geworden ist. Ein Mensch, der ihn dafür abgöttisch liebt.

In Erinnerungen schwelgend lächle ich breit. Das leise Geräusch der Feuerwehr, die unten auf der Straße am Gebäude vorbei rauscht, vermischt sich mit dem Geräusch des klappernden Bestecks aus der Küche.
Ich stehe in unserem Schlafzimmer mit dem Körper zum Panoramafenster gewandt. Hier oben über den Dächern der Stadt hat man einen schönen Ausblick. Die Gebäude auf dieser Seite sind niedriger, so kann problemlos bis zur See schauen. Auf der anderen Seite, vom Wohnzimmer aus blickt man auf die Newa. Direkt gegenüber erstrahlt die Eremitage jeden Abend bunt.
Ich liebe es hier.
Diese Stadt ist meine Heimat geworden. Inzwischen arbeite ich im städtischen Krankenhaus als Krankenschwester. Miro hat mir vor ein paar Jahren dort einen Job verpasst, da habe ich kaum Russisch gesprochen. Jetzt streiten wir sogar manchmal in Russisch. Es ist sehr amüsant, da er immer über meine Aussprache lacht, wenn ich wütend bin. Dann wird sie grauenhaft. Sonst bin ich eigentlich sehr gut, darin die Sprache zu sprechen.
Er bringt auch unserer Tochter Russisch bei. Manchmal habe ich das Gefühl, das sie bereits besser, als ich sprechen kann. Mit Miros Eltern spricht sie nur in ihrer Sprache und das macht mir nichts aus. Ich liebe es, dass sie Sie so in ihre Kultur einbinden.

Ich fummle an meinem Kleid, schließe den Reißverschluss umständlich und spiegle mich im Fenster. Die Sonne geht am Horizont unter und taucht den Himmel rosarot. Mit einem Lächeln auf den Lippen kehre ich zu meinem Schminktisch um.
Auf der blitzblanken Platte liegen goldene, hochkarätige Diamantohrringe, die mir Miro geschenkt hat. Ich sinke auf den gepolsterten Hocker, nähere mich dem Spiegel mit dem Oberkörper und stecke sie mir an. Die goldenen Schätze passen zu meinem Armband, das er mir vor Jahren im Hotel hat bringen lassen. Ich trage es, wann immer ich kann. Es bedeutet mir viel.
Zu guter Letzt kämme ich mir meine gewellten Haare gut durch, lege sie mir zurecht und erhebe mich wieder.

In ein Cocktailkleid gehüllt verlasse ich das Schlafzimmer. Im Flur trete ich fast auf Mister Hase, der wie immer mitten im Weg liegt. Seufzend bücke ich mich, um das Plüschtier mit den langen Ohren aufzuheben. Durch den Flur betrete ich den offenen Wohn- und Küchenbereich. Die großen Schiebetüren zur Dachterrasse sind geöffnet, Poodle, unser Hund, strolcht um die große Sitzecke und das Spielzeug auf dem Boden. Ich lege Mister Hase auf dem Sofa ab und sehe zur Küche.
Mein Lächeln erreicht meine Augen. Mir schmilzt das Herz fast, als ich das Bild vor mir sehe. Miro steht vor der Kochinsel, stützt sich mit den Händen an der Platte ab und beobachtet unsere Tochter.
»Nicht, nimm den Löffel«, grinst er und reicht ihr den Kleineren.
»Danke«, nuschelt die kleine und tunkt ihn in die große Schüssel Schokoladenpudding. Die beiden könnte ich den ganzen Tag lang beobachten.
Meine Familie.

Saints and SinnersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt