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Elena

Ich habe ihm nachgesehen, bis sein edler Sportwagen um die nächste Kurve gebogen war. Dabei habe ich nervös an dem Armband gespielt und einen Groll auf ihn gehegt, aber vor allem auf mich selbst. Wieso habe ich bloß vergessen, es abzunehmen? Er hat das voll ausgenutzt! Nichtsdestotrotz habe ich meinen Ärger beiseitegeschoben und bin ins Hotel getrottet. Mit dem Aufzug nach oben gefahren und meinen Körper ausgiebig abgeduscht.
Danach lag ich trotz meiner Müdigkeit, wach im Bett, wegen Lynn. Ich habe auf sie gewartet, aber sie ist nicht erschienen. Sogar anrufen wollte ich sie mit meinem neuen Handy, welches ich Miro am liebsten wiedergeben wollte. Mir war es unangenehm. Aber ich kannte Lynns Nummer nicht auswendig. Die einzige Eingespeicherte, war seine. Meine Finger haben gute zehn Minuten über dem hellen Display des teuren iPhones geschwebt, bevor ich mich dazu entschieden hatte, ihm nicht zu schreiben. Ich brauche Abstand von ihm, etwas Zeit, um über alles nachzudenken. Niemals hätte ich gedacht das mir solche Dinge im Urlaub widerfahren. Mit dem Gedanken ein paar schöne Wochen mit meiner besten Freundin bin ich angereist, aber nun liege ich allein im Hotelzimmer und hatte vorhin den besten Orgasmus meines Lebens. Schnell habe ich den Gedanken wieder verdrängt, das Licht gelöscht und das Telefon beiseitegelegt.
Lynn ist am nächsten Morgen ins Zimmer gestolpert, mit ihren Schuhen in den Händen und zerzausten Haaren. Sie hat sich tausendmal entschuldigt, ist dann sofort eingeschlafen. Erst gegen zwei habe ich sie geweckt, damit wir noch etwas unternehmen können. Wir waren nur noch essen und waren spazieren.

Nun stehe ich neben ihr vor der Eremitage und warte, bis sie ihr Foto geschossen hat. »Noch ein Stück nach links muss ich, dann ist es perfekt«, wispert sie konzentriert, knipst zwei Schnappschüsse von der verzierten Fassade. In Windeseile fliegen ihre Finger über das Display, schreiben etwas dazu, bevor sie es bei Instagram postet und sich wieder bei mir unterhakt. Ein zufriedenes Seufzen entflieht ihr, während wir langsam dem Eingang Nähe kommen. Ich halte bereits unsere Karten parat und bin bereit, sie dem älteren Mann an der Tür zu zeigen, die wir in hundert Metern erreichen.
»Wo wollen wir zuerst hin? O ich weiß! Wir heben uns das beste zum Schluss auf, die Diamanten Ausstellung! Ich habe gehört sie ist nur noch bis nächsten Monat hier, dann wird man sie wieder auflösen. Wir haben Glück«, erzählt sie und lenkt mich in die Richtung der alten Eremitage. Die Diamanten Ausstellung hatte ich schon fast vergessen. Vor meiner Abreise aus London habe ich sie gegoogelt und sehr schöne Exemplare gefunden. Colliers übersehen von schweren Klunkern, Gold und reinen Steinen so groß wie eine ein Pfund Münze. Wie viel Karat das wohl sein müssen? Die Stücke sind sicher unbezahlbar.
In der alten Eremitage, einem wunderschönen Gebäude, schauen wir uns zuerst die archäologische Ausstellung an. Hunderte Exponate, Gold, bunte Farben. Handgefertigte Tontöpfe, alte Utensilien wie Kämme und kleine Puppen aus Stroh. Papyrus, echte historische Schuhe und bemalte Pyramidenwände, die übersäht von Hieroglyphen und Zeichnungen sind. Büsten, Statuen und gemalte Katzen - das alles bekommen wir zu sehen. Lynn und ich machen Bilder zusammen, studieren die Texte an den Exponaten. Schon früher in der Schule haben wir dieses Thema geliebt, und die Sachen sind einfach so hübsch. Am Ende der Ausstellung liegt ein echter Sarkophag offen, dessen steinerner Deckel schon gebrochen ist. Eine Glasscheibe bewahrt die eigentliche Hülle davor, kaputt zu gehen. Lynn und ich blicken direkt auf die Mumie hinab.
»Stell dir mal vor das wir auch so aussehen, nach unserem Tod. Nur das uns keiner im Museum anschauen will«, staunt sie und kichert am Ende. »Wer weiß?«, stimme ich ein und hake mich wieder bei ihr unter.
Wir gehen weiter.
Unser nächstes Ziel sind die Kunstwerke, die über alle Häuser verteilt sind. Ich möchte mir die Picasso-Bilder anschauen und die Raphael-Hall, die ich bereits im Internet entdeckt habe.
Die Decken und Wände aller Räume sind ausgeschmückt mit Stuck, Tapeten und die Böden mit edlen Belägen. Entweder Marmor oder Parkett, welches ab und zu unter unseren Sohlen quietscht. »Sieh mal!«, sage ich und deute auf die hohe Decke. Ein drei Meter hohes Wandfresko ist darauf gemalt, wie in der Kuppel einer Kirche. Engel fliegen durch den strahlenden Himmel, spielen Harfe und sitzen auf Wolken, eingerahmt von einer goldenen Verzierung. Über all in den Räumen, findet sich das Gold wieder. Selbst die Türklinken sind aus strahlendem Golde gefertigt. Das verspielte Bild lässt mich für einen Moment die Luft anhalten. Unterbewusst knipse ich ein - zwei Bilder mit dem neuen Handy davon.
»Können wir den ganzen Tag hierbleiben?«, murmelt auch Lynn fasziniert. Ein Seufzen zeigt meine Antwort. Leider geht das nicht.
Ob ich einen Künstler finde, der mir auch sowas an die Decke malt? Vielleicht in mein Wohnzimmer?

Saints and SinnersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt