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Elena

Ich schaue nachdenklich auf mein Telefon hinab. Miro hat eine neue Nachricht darauf hinterlassen und fragt, ob wir uns noch sehen werden. Ich möchte gern zusagen, aber meine beste Freundin so glücklich vor mir zu sehen, lässt es sehr schwer erscheinen. Wir hatten einen schönen Tag in der Stadt, der mit einem Essen enden wird. Wir haben uns bereits ein Restaurant ausgesucht. Das in dem wir vor ein paar Tagen schon waren.
Aber noch stehen wir in einem kleinen süßen Hut Laden. Lynn probiert bunte Hüte auf, die mich sehr an die Pferderennen in England erinnern. Dort tragen die Frauen ebenso bunte Hüte und Kleider. Ich war nie bei solch einem Event, aber ich weiß das Lynn einmal mit einem Pilot dort war, mit dem sie nicht nur gearbeitet hat. Sie waren nie zusammen, eher wie Freunde mit gewissen Vorzügen. Die beiden haben sich völlig betrunken und haben es in einem der Toiletten der Renn bahn getrieben. Ich kann mich nur schmunzelnd an ihre Erzählung am nächsten Tag erinnern.
»Was hältst du von diesem Exemplar?«, fragt die blonde Flugbegleiterin mich. Sie dreht sich um ihre eigene Achse, berührt mit dem Zeigefinger den pinken Hut mit der Feder. Ich halte mir eine Hand vor den Mund und schmunzle verboten. »Wenn er nicht rosa wäre, würde ich denken du würdest in Robin Hood mitspielen«, bricht es aus mir heraus. Lynn kichert amüsiert und knipst ein Bild von sich, bevor sie ihn wieder absetzt. »O, das wollen wir natürlich nicht«, lacht sie, kommt auf mich zu und hängt den Hut zurück an seinen Platz. Ich versenke mein Telefon schnell in meiner Jackentasche. Ihr entgeht dies nicht. Neugierig sieht sie mich an, als wir den Laden wieder verlassen.
»Hat dir etwa jemand eine Nachricht geschrieben?«, fragt sie schmunzelnd. Wir betreten den heißen Gehweg der Stadt wieder. Auch heute ist es kochend heiß, doch es dämmert langsam und es kühlt ab. Noch vor ein paar Stunden war es unaushaltbar in der trockenen Innenstadt, und selbst jetzt sind es noch achtundzwanzig Grad. Die Sonne wird in einer Stunde untergehen, die Nacht soll kalt werden.
»Miro hat mich gefragt ob ich heute noch Zeit habe ihn zu treffen«, erzähle ich ihr ehrlich. Lynn hakt sich wie üblich bei mir unter. Mit den freien Händen halten wir beide einige Tüten in den Händen. Wir schlängeln uns an einigen Menschen vorbei, die stehengeblieben sind.
»Das trifft sich gut ich wollte heute Abend eigentlich noch wohin und hatte schon ein schlechtes Gewissen dich allein zu lassen«, offenbart sie. Verwundert schaue ich sie von der Seite an. »Ach ja?«
Sie nickt.
Das hört sich sehr mysteriös an. Wieso will sie mir nicht sagen, wohin es sie heute Abend führt? Vielleicht zu Eldaro? Es wäre denkbar.
»Sag ihm schon zu«, drängelt meine beste Freundin mich und stupst mir mit ihrem Ellenbogen in die Seite, als Aufforderung. Also gut. »Ich antworte ihm, wenn wir im Restaurant sitzen«, verspreche ich. Dabei klopft mein Herz nervös auf, wenn ich an ihn denke.

Die Sonne ist schon längst am Horizont verschwunden, als ich vor einem unscheinbaren Wohnhaus nicht weit vom Stadtzentrum zum Stehen komme. Der Mond geht gerade über den Dächern auf und die ersten Sterne zeigen sich am klaren Nachthimmel. Nachdem wir im Restaurant angekommen sind, habe ich ihm geantwortet. Lynn und ich haben bloß einen Nachtisch bestellt, da wir keinen großen Hunger hatten, doch jetzt knurrt mein Magen gierig. Ich habe am obersten Schild geklingelt, so wie Miro es mir geschrieben hatte. Die Tür entriegelt sich summend, keine dreißig Sekunden später. Ich betrete das saubere Treppenhaus und laufe die vielen Stufen hinauf in den letzten Stock. Es gibt keinen Fahrstuhl. Auf jedem Stockwerk gibt es zwei Türen. Neben jeder steht etwas anderes. Vor den meisten stehen Schuhe. Hinter einer dringt laute Musik hervor, die immer leiser wird, je höher ich komme.
Ich sehe Miro bereits mit verschränkten Armen, im schummrigen Licht des Flures an der offenen Tür einer Wohnung lehnen.
»Guten Abend junge Lady«, begrüßt er mich ruhig, mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen. Die oberen zwei Knöpfe seines Hemdes sind locker geöffnet. Er sieht aus, als sei er erst vor wenigen Minuten angekommen. »Guten Abend«, erwidere ich und komme vor ihm zum Stehen. Der große Russe schließt mich in seine Arme und drückt mir einen Kuss auf die Haare auf. Danach lässt er mich eintreten.
»Komm doch rein.«

Die Tür fällt hinter uns ins Schloss. Ich stehe vor ihm in einem langen, großen Flur, an dessen Decke Dachfenster das Mondlicht in den Raum lassen. Das teure Parkett glänzt wie Ebenholz. Links neben mir befindet sich ein kleiner Raum der, als offene Garderobe dient. Ich sehe mehrere gefüllte Schuhschränke und einige Jacken an den Haken hängen.
»Ist das deine Wohnung?«, erkundige ich mich, erkunde die hübschen vier Wände mit meinen Augen. Miro nimmt mir meine Tasche ab und stellt sie auf eine Kommode. Er schüttelt den Kopf.
»Meine Mutter hat sie vor Jahren gekauft, und ich verbringe meine Zeit hier, wenn ich nicht auf dem Anwesen bin. Aber als meine eigene Wohnung würde ich es nicht bezeichnen. Zwar ist der Schrank mit meinen Sachen gefüllt, aber mehr auch nicht«, versucht er mir zu erklären. Er läuft voran über den angenehm kühlen Boden in ein offenes Wohnzimmer mit engranzender Küche. Hinter der Kochinsel stehenbleibend, zieht er uns zwei Weingläser aus dem Schrank und poliert sie mit einem Tuch.
»Ich nehme an du hast noch nichts gegessen?«, fragt er nach und stellt die beiden Gläser auf die Marmorplatte. Ich schüttle meinen Kopf und sinke auf den ersten Barhocker aus Leder. Meine Unterarme lege ich auf der Arbeitsplatte ab und schaue ihm schmunzelnd zu. »Nein, nur ein Dessert vorhin mit Lynn in der Stadt«, erzähle ich. Miro köpft eine Flasche Rotwein und nickt gelassen. Der rote Alkohol plätschert kalt ins Glas, welches er mir anschließend reicht. Sich selbst befüllt er das Zweite.
»Hunger auf Sushi?«
Er stützt sich auf den Marmor und hebt sein Glas. Ich beuge mich ihm etwas entgegen und halte mit meiner Hand wenige Zentimeter vor seinem Glas inne. »Ist das überhaupt eine ernstgemeinte Frage?«, lächle ich und stoße sanft dagegen. Die Kristallgläser klirren sanft als sie gegeneinanderstoßen. Ein grinsen schleicht sich über Miros Gesicht. Er trinkt darauf zufrieden einen Schluck.
»Dann werde ich etwas bestellen.«
Er stellt sein Glas ab, stützt seine linke Hand auf die Platte, zückt sein Handy mit der anderen und tippt darauf herum. Währenddessen nippe ich von meinem Wein. Der herb-süßliche Geschmack breitet sich kühl auf einer Zunge aus. Obwohl ich kein großer Fan von Wein bin, finde ich, dass dieser Rotwein erträglich ist. Er schmeckt mir.

Wir lassen uns nach unserer Bestellung auf der großen, gemütlichen Sofalandschaft nieder. Die Türen zum Balkon stehen offen, lassen frischen Wind und die kalte Nachtluft hinein. Nach einem heißen Tag fühlt es sich genau richtig an. Mein Arm habe ich auf die Lehne des Sofas gestützt, die linke Hand an meiner Wange. In meiner rechten kreise ich meinen Wein in der Luft über meinem Schoß. Mein rechtes Bein liegt über Miros Oberschenkel. Der Stoff seiner Anzughose reibt über meine nackte Haut.
Wieso ich es zu dieser Stunde noch als gut empfunden habe, mein Kleid anzulassen, ist mir ein Rätsel. Langsam wird es kühl.
»Was hast du heute getrieben?«, frage ich ihn leise. Miro hat seinen Kopf in den Nacken gelegt und starrt gedankenverloren aus dem riesigen Dachfenster über uns. Er schiebt seine raue Hand auf mein Knie und atmet aus. »War in der Firma«, murmelt er geschafft. Je leiser er wird, desto mehr kommt sein Akzent heraus. Ich mag es zu hören, wie er das R rollt. Sein Akzent beruhigt mich auf eine Art, die ich mir nicht erklären kann. Neugierig stütze ich mein Gesicht in die Hand und deute ihm weiterzusprechen. Fast in Zeitlupe kreisen seine Fingerkuppen über meine Haut. »Ich habe Immobilien besichtigt, stand elendig lang im Stadtverkehr«, fährt brummend fort. Ich lache leise und rutsche näher. »Bei der Hitze?«
Ich kann nicht anders als meine Hand, in der gerade noch mein Kopf lag, in seine Haare zu legen. Er nimmt seine Augen nicht einmal vom Sternenhimmel über uns. »Mhm, bei sechsunddreißig Grad...«, kommt es ihm als Antwort über die Lippen. Sein Zeigefinger malt kleine Kreise auf meinem Oberschenkel. Es ist friedlich ruhig im Raum. Durch die offenen Balkonfenster dringen ab und zu die Geräusche der Stadt zu und hinauf. Von hier oben sehe ich direkt auf die belebte Innenstadt. Die Lichter strahlen hell, die Straßen sind voll. Miros Finger schlängeln sich immer weiter meine Schenkel hinauf. Am Saum des Stoffes hält er inne und sieht mich an. »Hast du immer noch Hunger oder wollen wir-« Ich drücke meine Beine zur Antwort zusammen und versperre ihm somit den Weg. Er stöhnt und leert sein Glas aus.
Amüsiert kichere ich und nippe ebenfalls am Wein. »Geduld wird belohnt«, versichere ich ihm. Sogleich klingelt es an der Tür. Miro erhebt sich sofort, beugt sich aber über mich, um meinen Hals zu küssen. Seine Lippen kitzeln meine Haut. Lachend drücke ich ihn weg. Er brummt wie eine Raubkatze.
»Lass mich nicht zu lange warten, Lämmchen.«
Ich schlage ihm aus Spaß gegen die Brust und drücke ihn endgültig weg. »Geh schon das Sushi holen«, lache ich und sehe nach, wie er eilig in den Flur verschwindet.

Saints and SinnersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt