Kapitel 1 - Percival

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Konzentriert starrte er in den Wald hinein. Vor Stunden hatte sein Chef ihn dort positioniert, laut ihm würde hier bald einer der durchgedrehten Dämonen vorbeiziehen. Eigentlich nicht schlimm, aber er musste auch noch seine Waffen abgeben bis auf ein Messer und das war schlimm. Er war doch bloß ein kleiner Mensch...
Die Geräusche der Umgebung wurden leiser, aber sonst veränderte sie sich nicht weiter. Ein Blick nach oben, langsam kroch die Dämmerung bereits über ihn herein. Seufzend ließ er sich am Baum sinken und schloss die Augen. Irgendwie hatte er das Gefühl, man wollte ihn bloß loswerden. Er wartete noch bis in die Tiefe Dämmerung, dann stand er auf und machte sich auf den Rückweg. Nicolae würde nicht begeistert sein, oder sich freuen, dass der durchgedrehte Dämon nicht erschienen ist. Plötzlich ertönte ein lauter Schrei, Menschen fingen an zu kreischen und die Gewehre der Jäger waren zu hören.
Eilig lief er in die Richtung, vielleicht war sein Ziel einfach etwas langsamer gewesen als erwartet. Als er in der Stadt ankam, waren bis auf jede Menge aufgeschreckter Menschen und Frauen, die das Blut vom Boden wegwischten, nichts mehr zu sehen. Gerade wollte er gehen, da sah er ein kleines Mädchen am Wegrand sitzen. Er ging in die Knie. „Hey Kleine, kannst du mir sagen was hier passiert ist?", fragte er mit ruhiger Stimme.
Das Mädchen riss den Kopf hoch und musterte ihn eindringlich. „Dämon", flüsterte sie leise. „Erst war einer, der von den Dächern gesprungen ist und mit Krallen wild um sich geschlagen hat." Sie stockte. „Dann kam ein zweiter, ein riesiger der kaum zu sehen war, dieser hat den ersten erlegt und vor uns ausgeweidet. Aber die Augen", sie begann zu zittern, „diese Augen werden mich noch bis in meine Alpträume verfolgen."
Er wünschte, er hätte mehr für das Mädchen tun können, als nur zuzuhören. Mit einem dankbaren Nicken stand er auf und ging in die Richtung die die Blutspur ihm zeigte. In der Dämmerung war es schwer, der Blutspur zu folgen, noch dazu war es schon fast dunkel. Ein Knacksen ließ ihn erstarren. Mit der Hand am Messer drehte er sich um. Niemand da. Verwirrt blinzelte er mehrmals, dann knackste es wieder. Dieses Mal sprang jemand über ihm, in den Schatten. Sekunden später ertönte ein ohrenbetäubender Schmerzensschrei. Vor Angst erstarrt konnte er nur zuhören. Als es zu immer lauter werdenden Schleifgeräuschen wurde, holte er die Taschenlampe heraus. Im Lichtschein blitzten ihm ein Paar katzenartiger Augen entgegen, dass er nur zugut kannte. „Saemel, was machst du hier?"
Keine Antwort, Saemel schliff den Körper einfach an ihm vorbei.
Er seufzte, was hatte er eigentlich erwartet? Saemel redete nicht, außer mit Zeichensprache. Er straffte die Schultern und ging neben Saemel. „Ich dachte, du hast Jagdverbot?", setzte er fort. „Drei Wochen waren es, wenn ich es richtig im Kopf habe. Die sind aber noch nicht um. Nicolae wird dein Regelverstoß nicht gefallen, das weißt du hoffentlich?" Enttäuscht den Auftrag nicht austragen zu können, redete er in seinem Frust weiter. Saemel war jemand der sehr gerne zuhörte, auch wenn er es nicht zeigte, man kann sich Tage später noch darüber unterhalten. „Und überhaupt, weißt du wie es sich anfühlt seinen Auftrag nicht zu schaffen? Nicolae hat mich das erste Mal seit langem wieder mal eingesetzt, und ich bekomme es nicht auf die Reihe. Dabei hätte der Erfolg dafür gesorgt, dass ich vielleicht für mehr Aufträge, vielleicht sogar für den Wachdienst eingeteilt werde. Ach Sammy, ich würde so gerne wie du ein sorgenfreies Leben führen, ich beneide dich." Der restliche Weg ins Hauptquartier verlief schweigend. Erneut machte er sich Gedanken darüber, wie er seinem Chef die Niederlage erklären sollte.
Im Licht des Hauptquartiers konnte er auch endlich sehen, dass Saemel die ganze Zeit über zwei Körper an sich hängen hatte. Einen im Maul, einen über die Schulter gehängt. Kein Wunder, dass er so gebeugt gelaufen ist. Die vorbeikommenden Menschen warfen ihnen erschrockene Blicke zu. Irgendwann reichte es ihm. Er nahm die Leiche von Saemels Rücken und trug sie selbst, so konnte Saemel endlich aufstehen. Schweigend folgte er Saemel durch das Hauptquartier.
Bereits nach einigem hin und her sowie dem ständigen Etagenwechsel war ihm klar, Saemel suchte jemanden. Hoffentlich tauchte diese Person bald auf, seine Arme taten langsam weh. Auch fühlte er sich nicht gut dabei, eine ausgeweidete Leiche so lange herumzutragen. Nachdem Saemel schließlich offensichtlich aufgab, gingen sie zu dem Flügel, der in die Chefetage führte.
Mit zusammengebissenen Zähnen folgte Percival Saemel die Treppen herauf. Saemel hatte geltendes Jagdverbot, wenn er Nicolae mit den Leichen unter die Augen trat, knallte es. Auch wenn er die Beziehung von Nicolae und Saemel nicht ganz verstand. Erst schienen sie sich zu mögen, am nächsten Tag rennt Nicolae Saemel schreiend mit gezücktem Schwert nach. Manchmal kam es ihm vor wie ein Spiel.
Er trug die Leiche noch bis zu der Türe, dann drehte er sich um. Zu Saemel sagte er: „Viel Glück", bevor er die ewiglange Treppe hinunterlief. Ein Blick auf die Uhr erinnerte ihn an einen wichtigen Termin.
Eilig lief er zu seinem WG-Zimmer, holte die zusammengefassten Akten und lief damit zum Krankenflügel um sie dem Dämonenmanic zu übergeben. Wenn Nicolae seine Fähigkeiten weiterhin nicht fördert, wird er eine Ausbildung als Dämonentrainer anfangen! Er legte den Umschlag auf den Schreibtisch des Maniacs und drehte sich um, um gedankenverloren durch die Gänge zu streifen. Die blutige Kleidung würde er wechseln, sobald er ins Bett ginge.
Mit einem Gähnen betrat er die Treppe zur Chefetage. Saemel müsste fertig sein, also kann er Nicolae Report geben. Kaum hatte er den Flügel zur Chefetage betreten, kam ihm auch schon gleich ein Schrei entgegen: „Bleib stehen du verdammte Göre, du entkommst mir nicht!"
Die Türe flog aus den Angeln und Saemel sprintete breit grinsend auf ihn zu, dicht gefolgt von einem wütenden Nicolae.

Elemantary Chroniken Buch 1 - ScarletWo Geschichten leben. Entdecke jetzt