Kapitel 4 - Ethan

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Kaum fiel die Türe ins Schloss, schlug er auf den Schreibtisch und stützte sich ab. Dabei behielt er im Hinterkopf, gleich nach Nicolaes Antwort zur Seite auszuweichen. „Was ist los? Heute Morgen warst du besser drauf."
„Morgen. Nacht. Mir egal", fauchte Nicolae ehe er aufsprang und versuchte Ethan zu Boden zu ringen.
Durch seine Vorahnung bestätigt und ausgewichen seufzte Ethan einfach nur. Für Neulinge war es schwer zu verstehen, dass der Mann vor ihnen mit maßgeschneidertem Anzug in Wahrheit eine tickende Bombe ist, die ohne Vorwarnung angriff. Dadurch dass Nicolae seit Jahrtausenden sein Eigentum war, konnte er ihn einigermaßen abschätzen. Meist tat er ihm trotzdem weh. Eine Weile starrten sie sich an, nur der Karmin war zu hören. Nicolae kauerte vor Ethan auf allen vieren, durch die Anspannung traten die markanten Wangenknochen hervor. Schließlich traute sich Ethan seine Vermutung auszusprechen. „Du vermisst deinen kleinen Bruder, nicht wahr?"
Nicolae erstarrte kurz, schnaubte, und fing an seine weißen Flügel zu mustern. „Wie kommst du denn darauf? Ich komme gut ohne ihn klar."
„Ganz einfach, du warst davor noch nie lange Zeit ohne ihn.", erwiderte Ethan trocken, darauf bedacht, keine Wunden aufzureißen. „Auch im Lager wart ihr zu zweit." Als Nicolae zusammenzuckte, dachte er, er würde angreifen, aber dieser drehte den Kopf wieder in seine Richtung und legte ihn bedrohlich in den Nacken. „Du weißt gar nichts über mich und meinen Bruder und du wirst es auch nie."
„Ihr seid mein Eigentum, sei froh dass dein Bruder überhaupt auf Wanderschaft durfte. Ein Anruf und wenn er irgendwo auftaucht wird er gefangen! Außerdem, hätte Akarian mich damals nicht überredet, einen Dämon aus dem Lager mitzunehmen, wären du und dein Bruder längst gehäutet und gegessen worden. Also ein bisschen mehr Dank-„
Ehe er es realisierte sprang Nicolae erneut gegen ihn, stieß ihn gegen das Glas der Balkontüre, die daraufhin zersprang.
Mit schnellen Bewegungen zerfetzte Nicolae Ethans Flügel, ehe er ihn am Hals packte, die Schritte vorging und Ethan mit ausgefahrenen Krallen über das Ende des geländerlosen Balkons hielt.
Ethan lehnte sich an Nicolaes Brust, der heiße faulige Atem trieb ihm Tränen in die Augen. Er wusste, für Nicolae war es ein leichtes ihn einfach loszulassen. Jetzt, wo dieser in seinen Erinnerungen gefangen war. Akarian hatte ihn oft genug gewarnt, nicht in dieser Erinnerung zu bohren, aber Nicolae hatte ihn die letzten Tage so angepisst, er musste es einfach tun. „Und was willst du jetzt machen? Mich fallenlassen? Dann sehen wir uns in spätestens einem Jahrtausend wieder. Viel Spaß währenddessen mit Sammy, das wird keine friedliche Zeit." Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sich eine langsam auf sie zukommende Person im Glas spiegelte. Dann ging alles ganz schnell. Nicolae zuckte zusammen und ließ los, Ethan wurde von Daysan aufgefangen und auf den Balkon gezogen. Kurz stöhnte Ethan und rieb sich den schmerzenden Kopf ehe er bemerkte, dass Nicolae nicht mehr auf dem Balkon war. „Wo ist-"
„Auf dem Teppich", antwortete Daysan prompt, die schweißnassen Haare klebten an ihr. „Akarian hat ihn betäubt. Du hattest Glück, das Saemel sich ziemlich unsicher zu ihm ins Büro gelegt hat, sonst wäre dein sterblicher Körper jetzt hinüber."
„Ja", Ethan runzelte die Stirn. Das er Saemel beigebracht hatte sich zu dem Dämonenmaniac ins Büro zu setzen während er bei Nicolae war hatte er ganz vergessen. Schweigend folgte er Daysan ins Büro.
Akarian beugte über den schlafenden Nicolae und holte die Glassplitter heraus. „Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst ihn nicht grundlos reizen!", grollte er. „Dann wäre es nicht so weit gekommen."
Ethan verdrehte die Augen. „Jaja, schon gut, ich habe es kapiert."
Daysan stemmte die Arme in die Hüfte. „Wie sieht es jetzt eigentlich aus, kümmerst du dich endlich mal einen Tag um deine Kinder?"
Ein zögern. „Aber ich muss mich um Saemel kümmern, der Junge-"
„Ist behindert, ich weiß. Deshalb kann Nicolae ihn auch nicht ausstehen. Du kannst ihn ruhig mitnehmen."
„-hat furchtbare Probleme mit Lautstärke und fast alle Kinder sind noch Schreihälse."
„Nicht mein Problem. Ich habe den Jungen fünf Jahre lang erzogen, da hatte er auch keine Probleme mit der Lautstärke."
Ethan fiel fast der Mund auf. „Du hast ihn einfach während meiner Abwesenheit den Riviera Zwillingen in die Hand gedrückt weil du keine Lust mehr hattest."
„Keine Lust?", Daysan lachte spöttisch, „Der Junge hat nur rumgeschrien! Wie Cornilies das damals ausgehalten hat ist mir bis heute ein Rätsel."
„Cornilies", murmelte Nicolae leise. „Cornilies."
„Leute", Akarian stand wieder auf, „das war nur ein Beruhigungsmittel damit ich ihn versorgen kann, es wirkt nur sehr kurz, also Themawechsel. Sonst kann ich ihn gleich wieder betäuben."
„Natürlich", Ethan räusperte sich. „Wo ist eigentlich Sammy?"
Akarian zog die Braue hoch. „Ich habe hoch gepokert. Der Junge ist zusammen mit Percy in der WG."

Elemantary Chroniken Buch 1 - ScarletWo Geschichten leben. Entdecke jetzt