Percival - Nicolaes Alptraum

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„Nein."
Erschrocken riss er die Augen auf.
Erneut wiederholte sich das „Nein!" dieses Mal lauter.
Unsicher sah er zu Nicolae. Dieser wand sich schwer atmend mit geschlossenen Augen im Bett, die schweißnassen Haare klebten am Kopf.
„Nicolae", vorsichtig fasste er Nicolae an die Schulter und rüttelte ihn leicht. „Hey Nicolae, wach auf."
Es erfolgte keine Reaktion, nur der Körper begann heftig zu zittern. Percival rutschte vom Bett, um von den Anderen Hilfe zu holen. Gerade als er sich aufstellte, spürte er einen stechenden Schmerz im Rücken. Er drehte sich reflexartig zu Nicolae um, der jetzt mit eingezogenen Beinen im Bett lag. Hatte er ihn mit den Füßen getreten?
Unsicher und zugleich neugierig holte Percy sein Amulett heraus. Es war das Geschenk eines Geists, als er diesen noch als Kind rettete. Damals hatte er die Wirkung des Amuletts nicht gekannt, aber durch Zufall weiß er sie jetzt: Er konnte mit ihm in die Köpfe anderer eindringen, solange er seine Hand auf dessen Kopf liegen hatte. Noch immer verunsichert sah er sich zwischen Nicolae und dem Amulett um. Ethan meinte, Nicolae wäre wegen seiner Vergangenheit so wie er war, also nichts gutes.
Zähneknirschend entschied er sich, sich einen Einblick in Nicolaes Traum zu erlauben. Mit gestrafften Schultern aktivierte er das Amulett und legte seine Hand auf Nicolaes Stirn.
Panisch lief er durch den Wald, knapp hinter ihm schossen die Jäger. Auch diese Wesen die ihnen halfen waren dabei, trieben ihn in eine bestimmte Richtung. Zwar schlug er Hacken, doch sie blockten seine Fluchtversuche weiter ab. Wenn er es mal schaffte, gingen sie auf ihn los, das hatte es sich vom letzten Mal gemerkt. Unbemerkt steuerte er ein bestimmtes Ziel an. Knapp davor tauchten plötzlich wieder Jäger auf und warfen ein Netz über ihn um ihn einzufangen. Versuchten es zumindest. Mit jetzt aufgeschlitzten Knien und Füßen lief er weiter. Kurz sah er noch hinter sich, dann sprang er hinunter. Kopf voran landete er im Wasser, beschleunigte mit den Flügeln und Füßen den Trieb der Strömung. Ihm blieb nur wenig Zeit um zu flüchten. Als er sicher war, kletterte er aus dem Fluss und schüttelte sich bevor er weiterlief. Plötzlich ertönte von allen Seiten knurren. Er ging leicht in Kampfstellung, als die Treiber aus der Deckung kamen und ihn umkreisten. Gekonnt sprang er über sie auf den etwas höheren Ast den sie aus dem Stand nicht erreichen konnten, und kletterte eilig höher. In der Baumkrone sah er auf sie hinab, wie sie begannen ebenfalls den Baum hochzuklettern. Von irgendwoher kam ein leises surren. Verunsichert suchte er die Umgebung ab, aber dort war nichts, deshalb machte er sich zum Sprung in den nächsten Baum bereit. In der Luft versuchte er mit den Flügeln zu schlagen, sie funktionierten noch immer nicht. Auf einmal flog etwas auf ihn zu, wickelte ihn ein. Ein zweites kam aus der anderen Richtung, dieses Mal tat es furchtbar weh. Kaum in der Lage sich zu bewegen landete er auf den Boden, vor den Füßen der Jäger, welche sich mit gezückten Messern hinunterbeugte und anfingen ihn zu häuten.
Entsetzt riss sich Percival von Nicolae los, welcher anfing leise zu winseln. Falls es tatsächlich seine Vergangenheit war, verstand er sein Verhalten in manchen Situationen mehr. Hoffentlich war es nur ein Alptraum. Eilig lief er zu dem Ethan zugeteiltem Anwesen und klopfte durchgehend.
Bereits nach kurzer Zeit öffnete Akarian die Türe. „Was willst du?", blaffte er schlecht gelaunt.
Er schluckte. „Nicolae liegt schwer atmend im Bett", antwortete er ehrlich.
Akarians Blick verfinsterte sich. „Ethan, hol die Handschuhe und komm zu Nicolaes Unterkunft", rief er, ehe sie zurückliefen. Auch ohne Ethan kniete Akarian sich neben Nicolae und strich ihm über die Stirn.
Percy schreckte hoch als Ethan mit einer Tasche und seltsamen Handschuhen die Türe aufschlug. Akarian nahm die Tasche entgegen und suchte etwas während Ethan Nicolae sanft mit dem Oberkörper voran über das Bettgestell schob und bei den Füßen sitzen blieb.
In der Hoffnung helfen zu können ging Percy zu ihnen, doch es kam bloß ein: „Bleib fern, du kannst jetzt nichts tun."
Murrend setzte er sich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Raumes und sah zu.
Akarian kniete sich neben Nicolaes herabhängenden Kopf und schmierte eine Flüssigkeit unter die Nase, holte ein Feuerzeug und zündete es an. Sofort begann Nicolae zu husten, riss die Augen auf und sprang mit ausgefahrenen Krallen auf Akarian zu, kam aber nicht weiter wie zuvor. Ethan hatte seine Füße gepackt und hinderte ihn am Angriff. Auch wenn die riesigen ausgefahrenen Krallen dort Percival einen starken Schauer hinunterlaufen ließ. Ein Schlag damit war sicher tödlich.
Nicolae versuchte fauchend sich mit den Händen weiterzuziehen, doch die Krallen fanden keinen festen Halt und rutschten dauernd ab.
„Sch... sch, ganz ruhig", flüsterte Akarian immer wieder, dabei legte er seine Hände auf Nicolaes Ohren und begann dessen Kopf zu wiegen.
Nachdem Nicolae ihn nicht verletzen konnte, gab er seufzend den Angriff auf. Plötzlich sprang er wieder vor, nur knapp verfehlte er Akarian bevor er wieder am Boden lag.
„Verzeihung", Ethan räusperte sich verlegen, „ich habe losgelassen als die Spannung weg war."
Akarian ging nicht auf ihn ein, sondern wiederholte das vorherige, dabei legte er nach drei Minuten seine Stirn auf Nicolaes. Eine Weile passierte nichts, nur Nicolaes schweres Atmen war zu hören, da deutete Akarian Ethan die Füße loszulassen. Nicolae zog sich sofort vor, anstatt anzugreifen ging er in die Hocke und stützte sich mit den Armen in der Mitte ab. Akarian erwiderte die Position, bevor er anfing, mit einer Hand Nicolaes Oberkörper nachzufahren. Da dieser darauf nicht reagierte, schmierte er ihm erneut etwas unter Nase, dieses Mal etwas zähflüssiges. Eine Weile noch blieben sie so sitzen. Schließlich stand Akarian auf und streckte Nicolae die ausgestreckte, flache Hand hin. Nach einem leichten zögern ergriff dieser sie, die Krallen schrammten gegen Akarians Haut. Nicolae rieb sich noch die Augen bevor er sie öffnete und verwundert umsah. Zu Akarians Erleichterung waren anders als zuvor die Augen wieder normal, sie besaßen wieder eine Iris. Aus Erfahrung griff er Nicolae unter die Achseln als dieser deutete zu gehen. Bereits nach drei Schritten verlor dieser die Spannung und die Beine brachen weg. Es würde nicht lange dauern, bis Nicolae sich wieder erholt hatte.
Zögernd ging Percival auf den wohl wieder erholten Nicolae zu. Ethan und Akarian stützten Nicolae beim Gehen, unregelmäßig knickten diesem die Füße weg. Schließlich hob Ethan den erschöpfen Nicolae hoch und legte ihn in die Mitte des Bettes.
„Hier", Akarian gab Percival ein kleines Fläschchen, „in der Flasche ist Harz. Bitte gib sie ihm, wenn er wieder aufgewacht ist."
„Danke", er musterte das Fläschchen. Es war das, was Akarian Nicolae am Ende unter die Nase geschmiert hatte. Das mit dem Harz musste er sich merken. Dann sah er zum Bett, tatsächlich war Nicolae bereits wieder eingeschlafen.
Ethan und Akarian nickten sich zu. „Ich werde heute bei euch auf der Couch schlafen", sagte Ethan, ehe Akarian sich verabschiedete und beide den Raum verließen.
Percival sah wieder zu Nicolae. Mit der Gewissheit, dass Ethan da war, legte er sich zurück ins Bett.

Elemantary Chroniken Buch 1 - ScarletWo Geschichten leben. Entdecke jetzt