Kapitel 5 - Percival

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Unwohl ging er in dem Wohnzimmer ihrer WG auf und ab. Nicht nur dass er seinen Auftrag nicht ausgeführt hatte, nein, Saemel musste auf dem Sofa sitzen und jeden seiner Schritte beobachten. Nach zehn Minuten reichte es ihm. Händefuchtelnd drehte er sich Saemel zu. „Hast du nichts Besseres zu tun?"
„Nein habe ich nicht", antwortete Saemel in Zeichensprache. Aus einem unbekannten Grunde hatte Saemel bisher noch kein Wort mit ihm gewechselt, dabei war er schon knapp acht Jahre mit ihm ein einer Einheit. „Das Klavier ist erst in einer halben Stunde dran."
„Kannst du nicht einmal auf deinen Tagesablauf pfeifen?", fragte er verzweifelt. Er wusste, Saemel besaß einen Stunde für Stunde durchstrukturierten Tag, aber er konnte sich den Plan bis heute nicht zusammenführen. „Willst du was spielen? Mühle?"
„Verlierst du."
„Activity?"
„Noch nie verstanden."
Hoffnungsvoll blickte Percy auf. „Dann bring ich es dir bei."
„Selbst Ethan hat es aufgegeben und er ist sehr geduldig."
„Na gut", er drehte sich um und ging in die Küche. Normalerweise aß er nachts nichts, aber dass er alleine mit Saemel war machte ihn nervös. Von Akarian wusste er, dass Saemel durchaus innerhalb von Sekunden Wutausbrüche bekommen konnte. Wo verdammt war Ethan? Wie auf Kommando öffnete sich die Türe zur WG und Ethan trat ein.
„Endlich", er verschränkte die Arme. „Weißt du eigentlich, was du mir angetan hast?"
Ethan ignorierte ihn und kniete von Saemel. „Hat der böse Mann dich irgendwie beleidigt?", fragte er in einer Kinderstimme.
Saemel schüttelte den Kopf.
Ein Seitenblick auf Percy. „Dein Glück, du weißt, bei meinem Schützling verstehe ich kein Spaß."
Fast reflexartig fasste er sich an den Hals, Ethan war bekannt dafür wenn er gereizt war seine Opfer in die Ohnmacht zu würgen. „Warum hat es solange gedauert", presste er unter zusammengebissenen Zähnen hervor. Bemerkte, dass Saemel angefangen hatte Ethans Arm abzulecken. Das tat er nur, wenn dieser verletzt war. Nicolae musste Ethan angegriffen haben.
„Nichts schlimmes, nur einen kleinen Streit mit Nicolae. Übrigens, Morgen müssen wir uns um Daysans Kinder kümmern.", bestimmte Ethan, nahm Saemel auf den Arm und trug ihn die Treppen hoch zu ihren Räumen.
Mit offenem Mund sah Percy ihm nach. So hatte er sich seinen heißersehnten Urlaub nicht vorgestellt! Naja, immerhin hatte er nach den acht Jahren überhaupt einmal Urlaub. Nicolae war in diesem Thema sehr empfindlich. Seufzend schmierte er sich ein Brot und ging in sein Zimmer. Dort gab es nicht viel. Einen Zeichentisch, Bett, Schrank und eine Wand mit seinen Waffen. Er warf sich auf sein Bett, aß das Brot, bevor er begann die Decke anzustarren. Er mochte keine Kinder. Jedenfalls keine, die Familie hatten. Er selbst war in einem Gebiet aufgewachsen mit viel Armut, als Straßenjunge musste er sich durchkämpfen. Hätte er Nicolae damals nicht den Geldbeutel gestohlen und wäre in sein Versteck in einer hohlen Baumwurzel geflüchtet, müsste er es wahrscheinlich noch immer. Was er aber am meisten faszinierend fand und noch immer findet – er sah auf seinen Arm – Nicolae besaß genauso wie er eine eher in die exotische Richtung gehende, aber sich dennoch damit beißende Hautfarbe. Auch erzählten Nicolaes Naben von jeder Menge Kämpfe. Es war die Faszination dieser Haut in der Kombination mit den weißen Haaren und Flügeln die ihn damals hat mit dem Fremden mitgehen lassen. Aber von dem Gebiet hier konnte es nicht kommen, die meisten waren sehr weiß und noch dazu war es nicht sonderlich warm. Schon vorher fragte er sich, wo Nicolae eigentlich herkam, aber noch immer fand er keine Antwort.
Auch Saemel besaß ungewöhnliche Haut, sie erinnerte vom Farbton an das Fell eines Leoparden. Im Menschenabteil des Hauptquartiers hielt sich hartnäckig das Gerücht, Saemel besäße Fell. Hauchdünnes, kaum sichtbares Fell. Aber da Ethan und Akarian die Einzigen waren, die Saemel anfassen durften, konnten nur diese wissen ob es stimmte.
Er musste zugeben, auch er glaubt an das Gerücht, da es Sinn zu machen scheint. Immerhin war Saemel ein Katzendämon, und da er Körpergröße und Aussehen eines Vierbeiners hatte, war Fell gar nicht unwahrscheinlich. Am liebsten würde er Saemel über die Arme streichen, doch er wusste vom Beobachten, dass Saemel jeden der ihn anfasste verprügelt. Auch wenn er wusste es würde nie passieren: Saemel war nackt schon eine Augenweide. Jedes Mal, wenn Ethan mit ihm jagen ging war Saemel nackt. Oder bessergesagt, wenn Saemel nicht gerade zu Nicolae oder es zu einem besonderen Anlass ging den ganzen Tag. Wie oft hatte er sich nachts vorgestellt, es von ihm einmal besorgt zu bekommen. Einmal in diese schmalen Lippen zu beißen und durch die kurzen schwarzen Haare zu rubbeln. Ein Wunsch, der immer ein Wunsch bleiben wird...
„Aufgestanden und ab dafür, es ist Morgen!"
Verwirrt blinzelte er mehrmals, schien, als wäre er eingeschlafen. Gähnend streifte er die verschwitzte Kleidung ab und ging duschen. Angezogen und mit nassen Haaren folgte er Ethan und Saemel in dessen Dimension.

Elemantary Chroniken Buch 1 - ScarletWo Geschichten leben. Entdecke jetzt