Saemel

2 0 0
                                    


Geduldig saß er auf einer Felsspalte und zählte die Minuten rückwärts. Wenn alles nach Plan verlief, mussten die Styx jede Minute wieder zurückkommen. Als er schon ins Minus zähle, waren sie noch immer nicht da. Knurrend sprang er auf alle viere und lief die vorherige Strecke erneut, bis er sie fand. Die Styx lagen auf dem Boden, manche waren ohnmächtig, andere stöhnten. „Was ist hier passiert?"
Einer der nicht ganz so verletzt war sah ihn an. „Es waren diese Wesen, sie haben uns verprügelt. Wir hatten nicht einmal die Chance, den Menschenjungen zu fangen."
Kopfschüttelnd ging Saemel weiter. Die Styx waren echt zu nichts zu gebrauchen. Er ging weiter bis zu der Hütte, dort begann er Percivals Fährte aufzunehmen und ihr zu folgen. Die Strecke war wie geplant, aber- angestrengt fing er an filtern – es hing noch ein weiterer, deutlich aggressiver Geruch in der Luft. Sich auf den Geruch konzentrierend schloss er die Augen und öffnete sie erst, als er in jemanden lief. Ein kurzes Blinzeln, der Mann von vorhin stand wieder vor ihm.
„Es ist gefährlich in dieser Welt ohne Schutz.", sagte er.
Saemel ignorierte ihn.
„Was machst du?"
„Ich muss jemanden finden.", antwortete er knapp.
„Finden?", Interessiert lief der Mann neben ihm. „Ich bin gut darin jemanden zu finden. Beschreib ihn mir."
Saemel schluckte. „Er ist kleiner als ich, hat Augen und einen Pferdeschwanz."
Der Mann gab einen Laut von sich, der wie prusten klang. „Davon gibt es viele. Kannst du mir die Farben sagen?"
Saemel schnaubte und ging lautlos weg. Was für eine dumme Frage. Natürlich wusste er die Farben nicht. Wie denn auch, er sah nur wenige. Fast alles was er in unterschiedlichen Farbvariationen wahrnahm, waren Geruchspuren. Das war aber normal und auch dringend notwendig. Wie schlimm es wäre, wenn er sehr viele unterschiedliche Farbtöne sehen könnte und dann die Geruchsspuren ins Sichtfeld kamen.
„So kann ich dir nicht helfen."
Gezielt ignorierte er den Mann jetzt, anfangs war er freundlich, aber mittlerweile ging er ihm auf die Nerven. Fast war er soweit zu denken, der Mann wolle ihn als Freund gewinnen.
„Ich heiße Retsche."
Saemel erstarrte, er glaubte den Namen schonmal gehört zu haben, aber es fiel ihm nicht ein. „Ich denke.", er schluckte und ging langsam Schritt für Schritt nach hinten, „Ich sollte gehen." Ihm fiel der Zusammenhang nicht ein, Ethan sagte bei Namen immer direkt, ob Feind oder Freund.
Retsche spannte die Schultern, rutschte mit einem Fuß nach hinten und griff an.
Nur mit viel Glück konnte Saemel ausweichen, Retsche besaß eine unglaubliche Geschwindigkeit. Nach wenigen Kratzern in Gesicht, Armen und Rücken fiel er schließlich zu Boden.
Retsche stand über ihm und musterte ihn abwertend. „Du bist schwach."
Nur schwer konnte Saemel am Boden bleiben, sein Körper drängte ihn zum Angriff. Entsprechend heftig war auch seine Atmung. „Was bist du?"
Keine Antwort. Retsche drehte sich um und ging.
Vorsichtshalber blieb er noch eine Weile am Boden bevor er aufstand. Erst als er wieder auf den Beinen war fiel es ihm auf: Er war nicht mehr an dem Ort, an dem Retsche ihn zu Boden geschlagen hatte. Panisch witterte er, sein Herz raste. Beinahe mit Tränen in den Augen lief er los, suchte einen Orientierungspunkt, den er aber auch nach längerem nicht fand. Irgendwann begegnete er verhüllten Wesen, die sehr seltsam klangen. Ohne nachzudenken griff er an, verbiss sich in sie, bevor er die Kutte des ersten hinunterriss und sich verwirrt umsah. Alle verhüllten Wesen hatten sich in Luft aufgelöst.
„Todesboten."
Erschrocken riss er den Kopf herum und seufzte erleichtert. Es war nur Ethan.
Ethan ging in die Hocke und hob eine Kutte hoch. „Diese Viecher dürfte es hier eigentlich nicht geben!", knurrte er, ehe er sich suchend umsah. „Und wo ist der General? Jede Gruppe wird von Generälen geleitet." Ohne Vorwarnung packte er Saemel und flog mit ihm zu einem höhergelegenen Gebäude. Dort drückte er ihn gegen einen Spitzen Felsen.
„Ethan", Saemel kämpfte mit den Tränen, der Felsen schien seine Wirbelsäule zu durchbohren. „Hör auf, du tust mir weh."
Ethan strich ihm sanft unter das Kinn und drückte es hoch. Plötzlich gab er ihm einen Kuss.
Erschrocken von dem Angriff versuchte er, Ethan von sich zu drücken, die sich in seinem Hals befindliche Zunge war egal. Nach einigen Sekunden schloss er entspannt seine Augen, das Gefühl, jede Menge Last würde von ihm abfallen beruhigte ihn. Nach einigen Minuten schlief er ein.
Ganz in der Ferne hörte er noch, wie Ethan rief: „Jetzt kannst du ihn nicht mehr beanspruchen, du dreckiger Geist."

Elemantary Chroniken Buch 1 - ScarletWo Geschichten leben. Entdecke jetzt