10. Kapitel °

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Tyler hielt sie mir auf und macht eine einladende Bewegung ins Innere. Ich kicherte. Ich wusste nicht einmal, dass ich dazu im Stande war. Dann streifte ich mir die Schuhe von den Füßen.

Der junge Mann machte Licht an. Jetzt sah ich ihn richtig an. Er trug ein gestreiftes Hemd, das ein wenig offen stand und auf seinen Wangen war Glitzer. Ich kniff die Augen zusammen.

»Du hast da ein bisschen...«, sagte ich und deutete auf seine Wangen.

»Glitzer? Warte, ich wasche es mir ab. Du kannst ins Wohnzimmer gehen. Das ist rechts. Ich komme gleich«, erklärte er und huschte an mir vorbei. Ich sah ihm nach. Jetzt war ich allein. Dann ging ich weiter in die Wohnung.

Als ich im Wohnzimmer ankam, sah ich mich um. Dort lag ein Teppich auf dem Boden. Er war bunt, nein er bestand aus den Regenbogenfarben. Langsam fügten sich die Puzzleteile in meinem Gehirn zusammen. Das Kiss erschien in meinem Kopf. Es war eine Schwulenbar, fiel mir ein. Also war Tyler... Naja, der Teppich ließ nicht so viel Spielraum übrig.

»Was?«, fragte Tyler als er plötzlich hinter mir stand. Ich erschrak und dreht mich um. So schnell war er fertig? Außerdem hatte er gesehen, dass ich auf den Teppich gestarrt hatte.

»Hast du ein Problem damit?«, seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er beobachtete mich genau.

»Mit dem Teppich?«, ich tat ahnungslos, dabei wusste ich genau, was er meinte.

»Nein Mann, damit dass ich auf Männer stehe!«, sagte er und sah mich an. Ich horchte in mich. Ich kannte nur ein schwules Pärchen. Die beiden waren ein Jahr jünger als ich und hatten sich vor ein paar Monaten in der Schule geoutet. Es gab beide Meinungen. Sowohl gutes wie auch schlechtes Gerede darüber. Ich hatte kein Problem damit. Zoe meinte, „so etwas" würde nicht hierher gehören. Tom hatte sich aus dem Gespräch komplett rausgehalten. Ich hätte ihr fast einen Schlag verpasst. Nicht, weil selbst schwul war, sondern weil sie so abschätzig geredet hatte und ich nicht verstand, warum sie sich raushielt. Schließlich ging Zoe das alles gar nicht an.

»Ich? Nein, gar nicht.« Ich sah wie Tyler sich etwas entspannte.

»Du wirst schon nicht über mich herfallen, oder?«, grinste ich hinüber, nachdem er nichts mehr sagte.

»Ich kann nichts versprechen...«, raunte er in mein Ohr. Und plötzlich war er ganz nah. Ich hielt die Luft an.

»Mach nicht so ein Gesicht. Ich bin doch nicht angsteinflößend. Jetzt setz dich schon hin«, lachte Tyler und schob mich zum Sofa. Ich setzte mich darauf und erst jetzt merkte ich, dass sich auf meinen Armen eine Gänsehaut ausgebreitet hatte.

»Willst du einen Film schauen?«, fragte Tyler mich und ich nickte.

»Vorschläge?«

»Entscheide du!«, sagte ich und er grinste mich an. Ein paar Minuten später erschien der Titel auf dem Fernseher. Ich sah ihn von der Seite an.

»Ziemlich beste Freunde, dein Ernst?«, machte ich.

»Der Film ist super und außerdem witzig!«, er grinste. Ich lehnte mich zurück und weil das Sofa nicht gerade lang war, saßen wir Schulter an Schulter. Nach ein paar Minuten kribbelte die Stelle, an der wir uns berührten. Das Licht im Raum war dämmrig, ich konnte nicht viel erkennen. Eine Uhr hing über dem Fernseher und ich sah, dass es erst kurz nach Mitternacht war.

In der nächsten Stunde versuchte ich mich auf den Film zu konzentrieren, den ich eigentlich schon kannte. Tyler bewegte sich ab und zu ich fühlte die Bewegungen am ganzen Körper. Es war fast eine Qual ruhig sitzen zu bleiben.

»Was ist los?«, Tyler seufzte und sah mich an.

»Ich... weiß es nicht...«, und es fiel mir schwer Worte zu formulieren. Ich wusste, dass es nicht am Alkohol lag, denn der hat sich bereits verflüchtigt, sodass ich alles um mich wahrnehmen konnte.

»Ist es, weil ich auf Typen stehe? Bist du einer von denen, die sich, sobald sie es wissen, nicht mehr normal verhalten können?!«, seine Stimme klang gereizt. Ich versteifte mich. Tatsächlich wusste ich nicht, wieso ich mich so komisch verhielt.

»Nein... Das ist es nicht. Ich ...«, meine Stimme verschwand im Nichts.

»Frag schon«, forderte Tyler mich plötzlich auf. Was sollte ich fragen? Und da war wirklich etwas, was mir auf der Zunge lag.

»Wie ist das so...«, meine Stimme war leise und kratzig. Es war mir unangenehm. Tyler machte eine Handbewegung und forderte mich so auf, weiterzusprechen.

»...einen Mann zu küssen«, beendete ich den Satz.

»Was denkst du denn?«, fragte er dann. Ich traute mich nicht, ihn anzusehen.

»Weißt du was, warum findest du es nicht einfach heraus?«, sagte Tyler dann. Ich erstarrte.

»Es ist erst nach ein Uhr morgens. Die Bars haben alle noch offen. Im Kiss ist gerade die Hölle los, da findest du bestimmt jemanden«, erklärte er.

»Wir sollen in einen Club gehen?«

»Ja, dann kannst du dir deine Frage selbst beantworten«, der junge Mann tat so als wäre es das Normalste auf der Welt.

»Komm schon!«, er stand schon und zog mich auf die Füße.

»Aber ich bin erst 17... «, begann ich, doch er unterbrach mich.

»Ich kenne dort jemanden, keine Sorge. Und außerdem siehst du viel älter aus«, erklärte Tyler. Mir blieb gar nichts anderes übrig. Hoffentlich wurde ich das alles nicht bereuen. Ein paar Minuten später standen wir schon vor der Wohnung und er grinste mich von der Seite an.

»Entspann dich Ollie!« Es war das erste Mal, dass er meinen Namen aussprach und irgendwie wünschte ich mir, dass er es wieder tat. Was stimmte mit mir nicht? Entspannen gut und schön, ich würde gleich jemanden küssen, der kein Mädchen war.

Gemeinsam machten wir uns wieder auf den Weg zurück zu der Bar. Die Musik kam uns schon von weitem entgegen. Die Tür war mit bunten Bändern geschmückt. Ein Türsteher stand davor.

»Tyler! Wieder da?«, erkundigte er sich und klopfte ihm auf die Schulter. So fest, dass dieser gleich ein wenig zusammensackte.

»Ja, hey Bobby! Das ist mein Freund Ollie«, Bobby gab mir mit seiner Riesenpranke einen Stoß. Anscheinend war das sein Begrüßungsritual. Ich versuchte zu lächeln. Mir war aber nicht danach zumute.

Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt