»Wollen wir noch ein bisschen schlafen?«, fragt Tyler, nachdem er wieder Holzscheite in den Kamin gelegt hat und das Feuer weiter entfacht hat. Ich nicke und muss nur an das warme Bett denken, da muss ich schon gähnen.
»Ja«, gebe ich als Antwort und lasse mich neben ihm unter die Decke gleiten.
Die Kerze blase ich aus, damit uns das Licht nicht beim Einschlafen stört.
Ganz kurz überlege ich, ob ich mich an ihn kuscheln soll. Ob es ihn stören würde.
Er nimmt mir die Entscheidung ab, indem er mich an der Taille fasst und mich sanft zu sich zieht. Ich seufze wohlig.
Durch den sanften Lichtschein, den das Feuer des Kamins herüberwirft, sehe ich seine Augen, die mich mit einer Zärtlichkeit betrachten, das mir ganz warm wird.
Ich frage mich, ob das auch weiterhin so sein wird, oder ob er sich das nur traut, wenn unsere Eltern nicht in der Nähe sind und wir uns hinter verschlossenen Türen befinden.
Ein Gefühl der Traurigkeit überkommt mich, als ich daran denke, dass wir in einige Stunden diese warme Höhle verlassen müssen und wieder in die Realität zurückkehren. In eine Realität, in der wir so etwas wie Stiefgeschwister sind und Tyler es schafft, mich keines Blickes zu würdigen.
Ich wünsche mir, dass er sich trauen würde. Trauen, mich vor seinen Eltern zu umarmen und zu küssen. Einfach, weil er mich so gernhat, dass er diese Angst überwindet.
Ich weiß, dass er offen schwul ist und ich bin auch der Meinung, dass es sein Vater weiß. Also macht er dieses Heimlichgetue nur, weil wir so etwas wie Stiefgeschwister sind.
»Was ist los?«, flüstert er in das dämmrige Licht und ich schüttle die Traurigkeit ab.
»Ich weiß nicht so genau. Ich denke, ich habe Angst, dass dieses Gefühl weggeht...«, versuche ich zu erklären. Doch es hört sich noch dümmer an, als ich befürchtet habe.
»Welches Gefühl?«, erkundigt er sich und ich überlege.
»Dieses warme Gefühl im Bauch, wenn du mich ansiehst, das Kribbeln, wenn du mich berührst und das Grinsen, das in meinem Gesicht ist und nicht mehr verschwindet. Dass ich für immer neben dir liegen bleiben will und ich möchte, dass du mich weiter festhältst...«, es fällt schwer, dieses Gefühl in Worte zu fassen. Weil es so tief geht.
»Weißt du, wie man dieses Gefühl nennt?« fragt Tyler und ich höre ihn leise lachen.
»Nein, wie?«, stelle ich die Frage. Auf was will er wohl hinaus?
»Liebe«
Die Zeit steht still. Ich kann für einen kurzen Moment nicht atmen und in meinem Kopf rasen Gedanken hin und her.
»Du bist verliebt, Ollie...«, sagt Tyler noch einmal. Und erst nach und nach dringen die Gedanken in mein Bewusstsein. Verliebt. Ich glaube, tatsächlich war ich noch nie verliebt. Zumindest habe ich noch nie so für jemanden gefühlt, wie für ihn.
»Du musst atmen Ollie!«, fordert er mich auf und ich sehe sein erschrockenes Gesicht vor mir und Hände, die meine Wangen umfassen.
»Hast du an das nicht gedacht?«, fragt er mich und ich schüttle langsam den Kopf. Er lacht leise und küsst mich auf die Stirn.
Luft dringt durch meine Lungen und ich sehe wieder klar. Nein, ich habe nicht daran gedacht. Ich wusste, dass ich ihn mag. Dass ich ihn sehr mag. Aber viel mehr habe ich nicht in Erwägung gezogen. Oder an mehr wollte ich nicht denken.
Und jetzt möchte er mir erklären, dass ich Liebe für ihn empfinde. Nicht einfach nur schwärme. Und als ich in seine Augen sehe, die in dem leichten Licht des Feuers funkeln, da fange ich an zu begreifen.
»Vielleicht könntest du recht haben...«, murmle ich und er fängt an zu grinsen: »Vielleicht?«
»Ja, vielleicht. Schließlich bist du nicht allwissend!«, erkläre ich ihm.
Ohne etwas darauf zu erwidern, umfasst er meinen Kopf und zieht mich zu sich heran.
Ich komme gar nicht mehr dazu, ihm meine Gefühle richtig ins Gesicht zu sagen, da legt er schon seine Lippen auf meine.
Er küsst mich mit so einer Zärtlichkeit, dass ich das Gefühl habe, zu zergehen. Er streicht durch meine Haare und ich drücke mich mit meinem ganzen Körper an ihn. Er soll ja nicht wieder aufhören. Wenn er das tut, muss ich vermutlich sterben.
Nachdem wir uns gefühlte Stunden geküsst haben und ich merke, dass meine Augen schon wieder beginnen zuzufallen. Da drücke ich ihm ganz sanft einen Kuss auf die Wange und wir kuscheln uns ganz eng aneinander.
»Am Nachmittag müssen wir bei der Trefflhütte sein!«, sage ich ihm, bevor ich das noch vergesse.
»Ich weiß, ich habe die reden gehört«, erklärt er und ich muss grinsen. Natürlich hat er das.
»Vielleicht sollten wir jetzt besser schlafen«, schlägt er vor und ich nicke. Schließlich liegt morgen ein langer Tag vor uns.
»Schlaf schön!«, sagt er und ich wünsche ihm auch eine gute Nacht und ein paar Minuten später, unter dem Knistern des Feuers und dem leichten Regen an den Fenstern, bin ich eingeschlafen.
...
Am nächsten Morgen wecken mich Geräusche, die aus der Richtung kommen, in der die Küche steht.
Ich schlage langsam die Augen auf und taste neben mich. Es ist leer. Tyler hat das Bett verlassen.
»Na, gut geschlafen?«, fragt der genau in diesem Moment und erscheint vor dem Bett.
»Mhm, ich hätte es wahrscheinlich nicht einmal gehört, wenn die Welt untergegangen wäre«, erkläre ich und er lacht.
»Komm aus dem Bett, ich habe schon Frühstück gemacht!«, fordert er mich auf.
»Was gibt es denn? Gulaschsuppe?«, ich grinse und er schüttelt den Kopf.
»Nein, ich habe Gebäck in einem Brotkorb gefunden. Das scheint noch in Ordnung zu sein. Es ist immerhin besser als gar nichts. Außerdem habe ich es ein wenig in der Pfanne angebraten, jetzt ist es knusprig!«, erklärt Tyler und ich verziehe den Mund. Lecker! Altes Brot von Tyler, dem Meisterkoch.
»Ach komm, jetzt mach nicht so ein Gesicht und steh auf!«, er sieht mich bittend an. Und so bleibt mir gar nichts anderes übrig, als dass ich mich aus dem wolkenweichen Bett quäle.
Die Temperatur des Raumes hält sich nun im Normalbereich. Ich schlüpfe in die Hose, die noch vor dem Kamin liegt und gehe zur Küchenzeile. Tyler hat anscheinend zwei Hocker aufgetrieben, denn die beiden stehen nebeneinander und davor hat er das Brot, von dem ein angenehmer Duft ausgeht, auf einem kleinen Tisch aufgetürmt und uns zwei Teller hingestellt.
Ich nehme Platz und frage: »Wie spät ist es überhaupt?«
»Kurz nach neun Uhr«, sagt er und ich nicke. Da bleibt uns noch ein wenig Zeit, bevor wir uns auf den Heimweg machen müssen.
Ich koste einen kleinen Bissen Brot. Kauend merke ich, dass es tatsächlich noch genießbar ist. Anscheinend wird die Hütte öfter besucht, als gedacht.
Wir essen schweigend. Anschließend spüle ich die Teller ab und räume ein wenig auf. Tyler kümmert sich um das Badezimmer und das Bett.
Das Feuer im Kamin ist nur noch ganz klein. Die letzten Stunden, sitzen wir ruhig davor. Zuerst noch nebeneinander und als ich mich schließlich überwunden habe und nach seiner Hand greife, halten wir Händchen.
»Komm her!«, flüstere ich und weiß gar nicht so genau, worum genau ich ihn bitte. Ich möchte ihm nahe sein, so nah es eben geht.
Er krabbelt noch näher an mich heran und ich schließe ihn in meine Arme. Tyler schlingt seine um mich und legt den Kopf in die Grube zwischen Schulter und Hals.
So verweilen wir vor dem Kamin und ich bin ziemlich sicher, dass uns der gleiche Gedanke im Kopf herumspukt.
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Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]
Любовные романы... ,,Ich habe mich schon in dich verliebt, als du mir in dieser Nacht vor die Füße gestolpert bist." ... Ollies Vater ist gestorben. Seine Mutter verliebt sich neu und ihr Freund bringt seinen Sohn Tyler mit in die Beziehung. Das Problem ist, Olli...