Der Tag vergeht, trotz meiner niedrigen Erwartungen sehr schnell. In der Pause fragt mich Lenny aus, was mit Tom und mir passiert ist.
»Wir haben uns ausgesprochen und sind jetzt wieder befreundet«, war meine Antwort, bei der er nur überfordert die Augenbrauen in die Höhe gezogen hat.
Ich weiß natürlich nicht, ob wirklich alles geklärt ist, zwischen uns beiden, aber es fühlt sich zumindest um einiges besser an, als noch vor zwei Tagen.
Ich muss Tom auch zugutehalten, dass er den ganzen Tag, auch als wir Räume wechseln müssen, neben mir sitzen bleibt, anstatt auf der Suche nach Zoe zu sein. Vielleicht haben sie sich gestritten. Oder er wollte einfach wieder Zeit mit seinem ehemals besten Freund verbringen.
Kurz nach drei Uhr fahren wir nach Hause. Ich mache noch einen Abstecher zur Tankstelle und Tom muss für seine Mum noch etwas aus dem Supermarkt holen.
Danach fahre ich Tom nach Hause und wir machen uns aus, dass ich in einer Stunde vorbeikomme.
Ich bringe meine Schulsachen nach Hause und schreibe meiner Mum eine kleine Botschaft, dass ich noch bei Tom bin. Nicht, dass sie früher nach Hause kommt und sich Sorgen macht.
Dann nehme ich mir zwei Brote aus dem Kühlschrank und belege sie mit Wurst und Käse. Dazu esse ich Gurkenscheiben und den letzten Rest eines Paprikas.
Anschließend mache ich mich auf den Weg zu Tom. Ich gehe zu Fuß. Da es abgekühlt hat, bin ich froh, dass ich meine etwas dickere Jeansjacke angezogen habe.
Ich läute, schon das zweite Mal an diesem Tag, an der Haustür von Tom und seinen Eltern.
Frau Hiller öffnet die Tür. sie sieht um einiges besser aus als noch in der Früh. Ihre Wangen sind gerötet und sie strahlt mich an.
Ich weiß gar nicht, warum mir das vorher nicht schon aufgefallen ist, aber sie hat bereits einen leichten Babybauch. Natürlich nicht wahnsinnig groß, aber dennoch erkenntlich.
Im ersten Moment bin ich unsicher, ob ich etwas sagen soll. Soll ich ihr gratulieren oder nur sagen, dass ich es weiß. Oder soll ich am besten ganz meinen Mund halten.
Doch Toms Mum nimmt mir die Entscheidung ab, in dem sie sagt: »Ich habe vorhin mit Tom geredet und er hat mir erzählt, dass du bereits weißt, dass wir Nachwuchs erwarten.«
Ich nicke und sage ihr, dass ich mich sehr für sie freue.
»Danke Ollie! Möchtest du deiner Mutter noch liebe Grüße von mir ausrichten? Sie kann gerne mal wieder vorbeikommen. Vielleicht bringt sie auch ihren neuen Freund mit. Man muss sich ja kennenlernen!«, sie grinst mich an und ich nicke und sage ihr, dass ich das alles an meine Mum weitergeben werde.
Dann mache ich mich auf den Weg in Toms Zimmer. Die Tür ist nur angelehnt und ich stoße sie mit der Hand auf.
»Hey Mann!«, Tom liegt bäuchlings auf dem Bett und spielt auf seinem Controller herum.
»Darf ich mitmachen?«, frage ich.
»Klar!«, er schmeißt mir den zweiten Controller zu und ich mache mich daran, ihn zu besiegen.
...
Als wir das nächste Mal eine Pause machen, ist es bereits dunkel und ich habe wahnsinnig oft verloren. Ich sollte wieder öfter vorbeikommen, damit ich mit ihm das eine Spiel zocken kann. Sonst verliere ich noch ein weiteres Mal.
Ich weiß nicht einmal, warum ich andauernd abgelenkt bin. Normalerweise bin ich nicht so schlecht. Aber in letzter Zeit ist in meinem Kopf immer mehr Tyler. Tyler, der mich gestern besucht hat. Der abgelehnt hat, als ich ihn küssen wollte.
Tyler, immer nur Tyler.
»Was ist los?«, Tom unterbricht meine Gedanken, in dem er mir in die Seite stößt und ich ihn ansehe.
»Keine Ahnung«, sage ich ehrlich.
»Was ist denn mit dir und Zoe?«, erkundige ich mich be ihm.
»Echt jetzt? Wir waren gerade mitten im Spiel!«, aber er pausiert es und setzt sich neben mich.
»Ich weiß es auch nicht. Aber sie findet es nicht so toll, dass ich jetzt noch ein Geschwisterchen bekomme...«
»Häh, warum denn nicht?«, ich frage mich, ob sie wirklich so dumm ist, wie sie tut.
»Keine Ahnung, Mann. Aber ich fand es scheiße und jetzt sind wir so etwas wie getrennt...«, spricht mein Freund weiter.
»Naja, vielleicht kommt ihr ja wieder zusammen. Bestimmt kommt sie morgen angekrochen...«, gebe ich zu bedenken. Ich hoffe natürlich etwas anderes. Ich will nicht total scheiße klingen, aber sie ist einfach ein schrecklicher Mensch. Und je eher er das merkt, desto besser.
Aber Tom verdreht nur die Augen.
»Und bei dir?«
»Bei mir, was?«, gebe ich dümmlich zurück.
»Naja, hast du jemanden in Aussicht...?«, fragt er. Wie das klingt. Ich weiß nicht genau, ob er es am Morgen verstanden hat, dass ich etwas von meinem zukünftigen Stiefbruder will.
»Ja, schon, irgendwie...«
»Irgendwie?«, er stößt mich in die Seite. Dieses Mal ist er sanfter.
»Erzähl!«, fordert er mich auf.
Ich überlege ein paar Sekunden, ob wir unser Vertrauen schon so gefestigt haben, dass ich mit meinen tiefsten Geheimnissen ankriechen kann. Aber manchmal muss man das Risiko eben eingehen.
»Okay, also...«, sage ich und dann beginne ich zu erzählen.
Ich erzähle ihm alles. Von unserem ersten Treffen. Natürlich gehe ich nicht bis ins Detail, mein Sexleben geht ihn ja wirklich nichts an, aber ich bin dennoch sehr ausführlich. Ich sage ihm, dass das erste Treffen noch vor dem Tod meines Vaters war. Dabei verfinstert sich seine Miene ein wenig.
Dann spreche ich von den Schuldgefühlen, die ich hatte, weil ich ihm nicht geschrieben habe. Und dass er sich schließlich bei mir gemeldet hat.
Auch dass Tyler das Treffen mit Florentine mitbekommen hat. Dabei muss Tom lachen. Ich denke, er weiß noch genau, wie Florentine ist.
Ich ende mit Tylers und meinem Treffen gestern. Dass wir gemeinsam Palatschinken gegessen haben und er mich einfach nicht küssen wollte.
Ich habe mich nie vor meinem Freund geoutet. Und nach diesen Erzählungen ist es auch nicht mehr notwendig. Ich denke, ich habe meinen Standpunkt klar gemacht.
»Du musst ihn mir unbedingt vorstellen!«, sagt Tom, nachdem ich geendet habe.
Ist das sein Ernst? Ich schütte ihm mein Herz aus und das hat er dazuzusagen?
»Ich muss unbedingt jemanden kennenlernen, der dich dazu bringt, dass du um Küsse bettelst...«, Tom lacht jetzt. Toll. Vielleicht sollte ich mir einen neuen Freund suchen.
Ich ramme ihn mit der Schuler, etwas stärker, als beabsichtigt: »Ich würde mich an deiner Stelle ein bisschen zusammenreißen, sonst werde ich ihn vor dir verstecken!«
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Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]
Romance... ,,Ich habe mich schon in dich verliebt, als du mir in dieser Nacht vor die Füße gestolpert bist." ... Ollies Vater ist gestorben. Seine Mutter verliebt sich neu und ihr Freund bringt seinen Sohn Tyler mit in die Beziehung. Das Problem ist, Olli...