25. Kapitel

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Die Türschnalle knallt gegen die hellgraue Wand und hinterlässt eine Schramme. Ich gehe weiter in den Raum. Ein paar Typen sind halbnackt, andere schon fast fertig mit dem Anziehen, stehen in der Umkleide und ich schaue schnell weg. Einer zieht sich gerade das T-Shirt aus und ein durchtrainierter Oberkörper kommt zum Vorschein.

Ich suche mir einen Platz und Lenny stellt seine Sachen neben mich. Wer weiß, wie weit das Gerücht schon vorgedrungen ist. Nicht, dass es allen schon unangenehm ist, wenn ich gemeinsam mit ihnen in der Umkleide stehe oder unter der Dusche.

Ich schäle mich aus meiner Hose und ziehe die Trainingshose über die Hüften. Dann wechsle ich mein Oberteil. In meine Turnschuhe schlüpfe ich nur hinein, ich binde sie dann in der Turnhalle. Der Umkleideraum leert sich, mir fällt auf, dass Tom noch gar nicht da ist. Vielleicht hat er zu sehr Angst, sich mit mir in einem Raum umzuziehen. Oder er ist heimgefahren. Ich weiß es auch nicht.

»Fertig?«, fragt mich Lenny, weil ich wie bestellt und nicht abgeholt dastehe. Ich nicke und gehe mit ihm gemeinsam in die Turnhalle. Dort knie ich mich hin und binde meine Schuhbänder zu Maschen. Wir warten zusammen, bis alle eingetroffen sind. Der Turnlehrer geht die Anwesenheit durch. Er setzt Haken und Kreuze hinter jeden Namen und es stellt sich heraus, dass Tom wirklich nicht hier ist.

»Gut, wir starten mit 15 Minuten laufen, damit ihr euch aufwärmt!«, ruft er und scheucht uns auf.

Wir beginnen zu laufen und schon nach ein fünf Minuten werden die ersten langsam. Ich habe kein Problem mit dem Laufen. Der Lehrer treibt uns mit der Pfeife an und ermuntert die, die schwitzend und keuchend stehen geblieben, zum Weiterlaufen. Auch Lenny, der neben mir herläuft, keucht. Er macht viel zu kleine Schritte, fällt mir auf.

»Noch eine zwei Minuten, gebt noch einmal alles!«, schreit der Turnlehrer dann und klatscht in die Hände. Ich fühle, wie meine Beine langsam zu brennen beginnen. Aber ich beiße die Zähne zusammen und laufe noch ein wenig schneller.

Bei zehn Sekunden zählt er hinunter: »10, 9, 8, 7, 6, 5 4, 3, 2, 1... und aus!«, ruft er durch den Turnsaal und dann lassen wir uns alle an Ort und Stelle auf den Boden sinken und atmen. Es dauert nicht lange, bis sich mein Atem wieder normalisiert hat und ich mich auf meine Unterarme aufstütze. Lenny liegt mit rotem Kopf neben mir und atmet schwer. Ich grinse ihn an. Er schüttelt nur den Kopf und schnauft.

»So, wir machen jetzt einen Parkour! Ich brauche...«, beginnt der Lehrer nach ein paar Minuten und die meisten rappeln sich mühsam auf.

Als er weitersprechen möchte, geht die Turnsaaltür auf, die zur Umkleidekabine führt und Tom kommt herein. Er trägt schon Sportkleidung, anscheinend hat er wirklich gewartet, bis ich fertig mit Umziehen war.

»Herr Hiller, schön dass sie uns auch noch beehren!«, der Sportlehrer verzieht säuerlich sein Gesicht.

Dann überlegt er kurz, schaut durch die Gesichter und sagt: »Räume doch gleich mit Oliver die Kästen heraus, alle drei. So dann brauchen wir noch...«, redet der Lehrer schon weiter, doch ich höre nicht mehr zu, seit er meinen Namen gleich nach Toms gesagt hat. Im ersten Moment, denke ich, dass ich mich überhört habe, aber als Tom ohne viel Nachzudenken, in Richtung der Kästen geht, die hinter der Sprossenwand stehen, erwache auch ich.

»Viel Spaß!«, raunt Lenny mir zu und ich strafe ihn mit einem bösen Blick. Der Lehrer, der seine Worte gehört hat, wie auch immer, denn er steht schließlich sieben Meter weg, fordert Lenny gleich auf, die Matten zu holen. Ich gehe langsam zu den Kästen, die sich auf der linken Seite des Turnsaals befinden.

»Ich nehme ihn hinten, greifst du vorne an?«, erkundigt sich Tom, als ich bei ihm eintreffe. Ich verdrehe die Augen. Natürlich darf ich mehr heben als er.

»Von mir aus«, sage ich und atme einmal aus.

»1, 2 und 3!«, zählt Tom und wir heben den Kasten an, bis die kleinen Rollen ausfahren. Dann schieben wir ihn in die Mitte des Turnsaals und folgen den Anweisungen des Lehrers, der die Kästen auf die rote Linie haben möchte. Ich rücke ihn mit dem Fuß gerade. Danach heben wir ihn noch einmal an, damit die Rollen wieder einfahren und der Kasten gut und fest am Boden steht.

Nach dem ersten Kasten folgt der zweite, den wir neben den ersten stellen. Beim letzten Kasten merke ich, dass meine Kraft kurz versagt. Meine Arme beginne zu zittern und zu kribbeln. Ich stöhne auf und versuche noch einmal hinzufassen, doch der Kasten entgleitet mir mit einem lauten Krach.

Ich höre einen Aufschrei und erstarre. Oh Gott, Tom! Ich laufe auf die andere Seite des Kastens und sehe, dass sich Toms halbe Hand noch unter dem Kasten befindet.

»Mach was, scheiße!«, brüllt er und ich wuchte den Kasten in die Höhe, damit er seine Hand befreien kann. Die jetzt so aussieht, als wäre sie gebrochen, oder zumindest sehr stark geprellt.

»Es tut mir so leid, ich konnte...«, beginne ich und meine Stimme zittert.

»Das hast du absichtlich gemacht!«, faucht Tom mich an und hält seine verletzte Hand an seinen Körper.

»Nein!«, verteidige ich mich, doch ich sehe an seinen Augen, dass er mir nicht glaubt. Ich bin vielleicht ab und zu ein wenig gemein, aber ich werde keinen Menschen verletzen, aus einer Laune heraus. Gerade er, der mich kennt, sollte das wissen.

»Ehrlich Tom, ich habe es nicht richtig greifen können. Es tut mir leid...«, ich ziehe ein bedauerndes Gesicht.

»Ach, halt deinen Mund!«, er brüllt die Worte und sie hallen im Turnsaal wider. Ich gehe erschrocken einen Schritt zurück. So weh, kann das gar nicht tun, dass er deswegen so einen Aufstand macht. Da spielt sicher noch etwas anderes mit. Da bin ich mir sicher. Ich merke, dass nur noch unsere Stimmen zu hören sind. Sogar der Sportlehrer hat nichts zu sagen.

»Es tut mir schrecklich leid...«, sage ich noch einmal, weil ich merke, dass wir Zuschauer bekommen. Doch anscheinend reicht meinem ehemals besten Freund das nicht. Er sieht mich wutentbrannt an.

»Wirklich...«, setze ich noch einmal an, doch weiter komme ich nicht, weil er zwei schnelle Schritte auf mich zukommt.

Ich kann gar nicht so schnell reagieren, da schwebt seine unverletzte Hand in der Luft und er schlägt mir mit einem lauten Geräusch mitten ins Gesicht. 

Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt