42. Kapitel

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Nachdem ich meine wenigen Sachen ausgeräumt habe und sie auf der Couch ausgebreitet habe, mache ich mich auf den Weg nach unten.

Aus dem Esszimmer höre ich meine Mutter sprechen. Als ich zur Tür hineinkomme antwortet Tyler gerade: »... ist kein Problem. Das werden wir wohl schaffen...«

»Was?«, frage ich uns sie drehen sich zu mir um.

»Ach, Georg und ich möchten morgen am Nachmittag einen längeren Rundwanderweg gehen. Man hat da einen wunderbaren Ausblick! Tyler und ich haben darüber gesprochen, dass ihr den auch schafft und die Wanderung mitmacht. Ist das in Ordnung für dich?«, fragt sie.

Nein, eigentlich nicht. Ich hasse es.

»Ja, ist okay«, sage ich und lächle sie gezwungen an.

»Schön... Georg kocht gleich etwas, hat er gesagt. Keine Ahnung, wo er jetzt ist. Ich werde ihn suchen gehen«, erklärt meine Mum und steht von einem Holzsessel mit dunkelblauem Bezug auf.

Sie verschwindet und ich höre sie die Stiegen hinaufgehen. Dann ruft sie seinen Namen. Kurz erklingen beide Stimmen, dann fällt eine Tür ins Schloss. Meine Mama kichert und quietscht.

Oh mein Gott. Ich schäme mich. Ich schäme wahnsinnig. Ich kann vieles ertragen. Ich kann ertragen, wenn mich jemand schlägt, wenn mein Vater stirbt, wenn ich einen Hundertkilometerwanderweg gehen muss. Okay, bei Letzteren muss ich noch einmal überlegen. Aber ich kann es nicht ertragen, dass ich fast hautnah dabei bin, wenn meine Mum Sex hat. Danke, nein.

»Dein Blick... Ich liebe es!«, Tyler lacht neben mir laut auf.

»Was ist los? Du hast dein Zimmer gleich nebenan. Viel Spaß, wenn du etwas hörst, dass nicht für deine Ohren bestimmt ist!«, wünsche ich ihm und er verdreht die Augen.

»Ollie, Regel Nummer eins sind Ohrenstöpseln...«, erklärt er, als wäre er Größte.

»Ah ja«, ich verdrehe die Augen.

»Ich habe eine Idee!«, Tyler strahlt mich an.

»Was denn für eine?«, frage ich und er beginnt zu erklären: »Wie wäre es, wenn wir beide etwas kochen, dass muss es mein Vater nicht machen und wir beide haben etwas zu tun...« Er sieht mich erwartungsvoll an. Und hören unsere Eltern nicht, die Dinge tun, die wir niemals hören sollen, vollende ich den Satz in meinen Gedanken.

»Und wag es jetzt ja nicht zu sagen, dass du nicht kochen kannst. Ich habe dich schon gesehen und das Ergebnis deiner Kochkünste geschmeckt«, meint Tyler dann und zwinkert mir zu. Ich muss lächeln, bevor ich etwas dagegen tun kann. Stimmt, er hat meine Palatschinken gegessen. Es fühlt sich an, als wäre der Tag schon Jahre her.

»Gut, was möchtest du machen?«, erkundige ich mich.

»Mal sehen, was der Kühlschrank so hergibt...«, Tyler nimmt meine Hand und zieht mich auf die Füße. Mein Daumen streicht über seine Haut. Sie fühlt sich weich und ein wenig warm an. Tyler seufzt leise.

»Was?«, mache ich und sehe ihn neugierig an.

»Hoffentlich haben unsere Eltern auch Ohrenstöpseln mit...«, flüstert er dann ganz nahe bei meinem Ohr.

Was? Was?! Ich sehe ziemlich schockiert drein. Meint er das jetzt ernst? So viel zum Thema, wir sind Stiefbrüder, die Hände bleiben bei mir und bei ihm. Küssen ist verboten, genauso wie ein bisschen anfassen...

»Ach, jetzt plötzlich?!«, frage ich und er zieht eine Augenbraue in die Höhe und grinst.

»Nein Ollie, wir bleiben schön anständig. So wie es sich gehört!«, sagt Tyler und ich schüttle nur den Kopf.

»Du weiß auch nicht, was du willst...«, ich verdrehe die Augen bei diesen Worten.

»Doch, natürlich weiß ich das!«, widerspricht er mir.

»Ach echt? Was denn?«, fordere ich ihn auf und ziehe meine Hand aus seiner.

Ich will schon in die Küche gehen und im Kühlschrank nach Essenssachen suchen, da sagt er plötzlich: »Dich«

Das kam unvorbereitet und sehr, sehr plötzlich. Ich denke, der schockierte Ausdruck in meinen Augen, lässt ihn weitersprechen. »

Ollie, ich will dich als Freund. Als jemanden, mit dem ich reden kann und jemand, der einfach da ist. Bitte, rede dir nicht zu viel ein...«, bittet er mich.

Ich schüttle den Kopf, weil ich Angst habe, dass ich, wenn ich wieder anfange zu reden, nicht verhindern kann, dass meine Stimme zittert. Zittert, von Tränen, die ich unterdrücke. Wie kann er so etwas sagen und dann zurückrudern?

Er weiß genauso wenig was er will, wie ich. Aber ich würde wenigstens zugeben, dass ich Gefühle für ihn habe. Keine freundschaftlichen Gefühle, sondern welche, die darüber hinausgehen.

»Hey...«, beginnt er sanft, doch ich gehe einfach in die Küche. Gut, vielleicht bin ich eifersüchtig und verletzt, aber was denkt er sich eigentlich dabei?! Was denkt er sich dabei, so etwas zu sagen, ohne vorher über seine Worte nachzudenken. Weiß er eigentlich, was er damit bewirkt?

Ich dachte mir, dass die paar Tage mit ihm richtig schön werden würden. Natürlich habe ich jetzt nicht erwartet, dass er über mich herfällt und wir uns in einem Zimmer verziehen, um miteinander zu schlafen.

Aber immerhin reden, lachen und vielleicht ein bisschen heimliches Händchen halten. Schließlich machen solche Heimlichtuereien am meisten Spaß.

Ich reiße den Kühlschrank mit einer Wut im Bauch auf. Ein paar Glasflaschen berühren sich und geben einen klirrenden Ton von sich. Wir haben Milch, Eier, ein bisschen Gemüse, Wurst und Käse da. In einem Obstkorb gibt es noch ein wenig Obst. Und außerdem finde ich noch Nudeln und Mehl.

Ich entscheide, dass wir Spaghetti mit Gemüse machen. Schließlich geht das schnell und ist einfach. Ich teile Tyler meine Entscheidung mit und fange dann an, die Nudeln zu kochen. Wenn er Bock hat, macht er mit, ansonsten kann er gerne das Zimmer verlassen. Ich habe kein Problem damit. Aber nein, natürlich stellt er sich zu mir und beginnt Paprika und Zucchini klein zu schneiden. Ich nehme noch vier Karotten aus der Lade, die ich dünn aufschneide.

Ich seihe die Nudeln ab und gebe sie in eine Schüssel. Das Gemüse brate ich in einer Pfanne mit ein paar Gewürzen an. Anschließend wird alles mit den Nudeln vermischt.

Ich decke den Tisch, nachdem ich die Teller und das Besteck in den Schränken gefunden habe.

»Ollie...«, Tylers Stimme ist leise und ich halte kurz inne.

»Ich wollte dich nicht verletzen. Wirklich, dass...«, ich unterbreche ihn unwirsch, in dem ich ihm das Wort abschneide: »Ist okay, du willst nichts von mir. Ich komme schon damit klar. Jetzt lass uns die paar Tage hinter uns bringen.«

Tyler sieht mich stumm an, dann nickt er.

»Ich klopfe mal bei deiner Mum und meinem Dad...«, bietet er dann an und ich hebe den Daumen. Zu mehr bin ich im Moment nicht imstande.

Er verlässt den Raum und ich sinke nach hinten, gegen die Kochfläche. Die Hände lege ich auf mein Gesicht. Ich schließe die Augen und kann nicht verhindern, dass mich ein trauriges Gefühl einholt. So habe ich mir das alles nicht vorgestellt...

Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt