16. Kapitel

132 15 2
                                    

»Ja, wir beide haben uns schon angefreundet«, sage ich zu Georg und trete Tyler unauffällig auf den Fuß, damit er das Grinsen lässt. Mit ein wenig Pech lässt er uns noch auffliegen. Er soll aufhören so zu lachen.

»Schön, das freut uns!«, erklärt meine Mum und streichelt über Georgs Hand, die sie hält. Sie wirken sehr verliebt. Fast so sehr, dass es mich stört.

»Wir werden uns dann auf den Weg machen«, meint Georg und steht auf, nachdem er meine Mutter auf die Wange geküsst hat.

»Danke für das Essen!«, bedankt er sich und reicht mir die Hand zum Abschied.

Meine Mum und ich begleiten die beiden bis zur Haustür, wo sie sich die Schuhe zuschnüren und die Jacken zuziehen.

»Ollie«, sagt Tyler und mir läuft eine Gänsehaut über den Rücken. Ich weiß nicht, was er mit mir macht. Aber jedes Mal, wenn er meinen Namen sagt, fühle ich mich wie auf Wolken. Von null auf hundert in einer Sekunde. Ich müsste irgendwann, wenn wir miteinander sprechen, ganz unauffällig mein Handy zücken und ihn aufnehmen, dann kann ich seine Stimme auch allein in meinem Bett unter der Decke anhören. Es hört sich gruseliger an, als ich es mir vorstelle.

Ich bemerke gar nicht, dass er mir seine Hand hinstreckt. Erst als die Stille eintritt und alle Augen auf mich gerichtet sind, erwache ich aus meiner Trance und schüttle sie, obwohl ich diese Berührung lieber gegen einen Kuss getauscht hätte. Er lächelt und sein schiefer Eckzahn kommt zum Vorschein.

»Ciao«, sage ich, weil mir nichts Besseres einfällt.

»Bis Freitag!«

Als die beiden gegangen sind, stehe ich vor dem Fenster und sehe zu, wie sie in den silbernen Audi steigen, den Georg gleich neben der Hauseinfahrt geparkt hat. Georg lacht über etwas und Tyler blickt noch einmal zum Haus. Schnell drehe ich mich weg. Nicht, dass er mich noch erwischt. Ich will nicht dastehen, wie ein Liebeskranker, der keinen Abschied nehmen kann.

»Und?«, ertönt die Stimme meiner Mutter hinter mir. Und was? Will sie wissen, wie ich Georg finde, oder Tyler, oder beide zusammen? »Sie sind doch nett, oder?«, fragt sie dann und ich nicke langsam. Nett sind sie schon, ja. Obwohl ich für Tyler doch eine andere Bezeichnung hätte als „nett". Aber das will ich ihr jetzt noch nicht unter die Nase reiben. Das hat Zeit und jetzt weiß ich noch gar nicht, wo das alles hinführen wird.

»Ja... schon«, mache ich, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll. Ich helfe meiner Mum beim Wegräumen des Geschirrs und verschwinde danach in mein Zimmer. Ich habe Tyler wiedergesehen! Mein Atem wird schwer und auf meine Lippen stiehlt sich ein Lächeln. Wie oft passiert so etwas? Wie oft meint es das Schicksal gut mit einem? Nachdem das Schicksal meinen Vater gestohlen hat, habe ich ja wohl das Recht auf ein wenig Glück.

Ich entscheide mich in diesem Hoch, in dem ich gerade bin, ins Fitnessstudio zu fahren. Schließlich soll man seine guten Tage nutzen. Schnell packe ich meine Trainingstasche zusammen, die unter meinem Bett steht. Ich werfe Sporthose und T-Shirt hinein, außerdem noch ein Handtuch. Die Turnschuhe stehen unten in der Garderobe, die nehme ich im Vorbeigehen mit.

Dann laufe ich die Stiegen hinunter und sehe meine Mutter, die im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzt.

»Ich fahre trainieren«, rufe ich ihr zu und sie sieht erschrocken auf. Sie wischt sich über die Augen und ich erstarre kurz. Meine Mama hat geweint.

Doch dann lächelt sie, versucht gute Miene zum bösen Spiel zu machen und sagt: »Gut, komm nicht zu spät nach Hause« Sie wendet sich wieder ihrem Buch zu, dass in ihrem Schoß liegt. Ich nicke langsam und mache mich auf den Weg.

Die Fahrt dauert nur eine halbe Stunde und als ich mir vor dem Studio einen Parkplatz suche, kommt mir das letzte Mal als ich trainieren war, in den Kopf. Ich war gemeinsam mit Tom dort. Wir haben uns gegenseitig angespornt und waren motiviert etwas für unseren Körper zu machen. Wir hatten einen richtigen Trainingsplan aufgestellt und waren jeden zweiten Tag dort.

Während dem Trainieren haben wir die anderen Leute beobachtet, die dort waren. Ab und zu haben wir die Gedanken deren zu imitieren versucht, die auf den Geräten waren, nur um uns danach tot zu lachen. Ich muss grinsen bei dem Gedanken. Als jemand die Tür neben mir laut zuwirft, erwache ich.

Schnell wische ich all diese Zeiten weg. Die sind jetzt vorbei. Ich kann das auch allein. Ich ziehe die Handbremse an ziehe den Schlüssel ab und sperre das Auto zu. Dann werfe ich mir meine Trainingstasche über die Schulter und gehe zum Eingang.

Das Gym ist nicht sehr groß, doch die Betreuer sind immer sehr motiviert und es gibt viele verschiedene Geräte. Die Wände sind hellgelb gestrichen, als ich zum Schalter gehe. Eine dunkelhaarige Frau steht dahinter und lächelt mich an. Ich begrüße sie und sie gibt mir eine Karte, die ich bezahle.

Mit dieser komme ich in die Garderobe und kann meinen Spind verschließen. Sie wünscht mir viel Spaß, ich bedanke mich und gehe zur Garderobe. Dort suche ich mir den erstbesten Spind, mache ihn auf und verstaue meine Sachen, die ich noch nicht brauche.

Dann ziehe ich mich um und werfe meine Kleidung noch in den Spind. Ich mache ihn zu und versperre ihn mit der Karte. 

Als ich in den Hauptbereich trete, ist dort gerade die Hölle los. Nur ganz hinten ist noch ein Laufband frei. Mit zügigen Schritten gehe ich dorthin und erobere es für mich. Ich hänge mein Handtuch auf einen Griff vom Laufband und starte das Ding unter mir.

Ich beginne langsam und steigere die Geschwindigkeit nach und nach. Ich finde einen Rhythmus, in dem ich mich wohlfühle und laufe, bis mich ein lautes „Hallo!", aus meinen Gedanken und dem Laufen reißt.

Ich stoppe das Gerät und schaue mich um. Ein paar Meter von mir entfernt steht ein Mädchen. Sie hat blonde lange Haare und winkt wie wild. Ich drehe mich um, aber als ich sehe, dass neben mir keiner ist, der sie beachtet, wird mir klar, dass sie mich meint.

»Ollie?«, ihre Stimme klingt unnatürlich schrill. Wer ist sie? Und was verdammt will sie von mir, sind die ersten beiden Fragen, die mir in den Kopf schießen. Ich habe tatsächlich keine Ahnung wer diese Frau ist. Ehrlich gesagt, möchte ich das auch gar nicht so gerne wissen. Als sie näherkommt, erscheint plötzlich wieder ein Bild in meinem Kopf und ich muss schlucken.

Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt