63. Kapitel

93 12 2
                                    

Die beiden haben wohl Angst, dass sie ins Gefängnis kommen, denn sie sagen die ganze Gondelfahrt kein Wort mehr. Ganz still sitzen sie in der Gondel uns gegenüber und sind blass um die Nase.

Ich versuche die Fahrt über nicht zu lachen, aber ich liebe es, wie einfach man Menschen aus dem Konzept reißen kann.

Meine Mum und Tylers Dad plaudern leise und ich genieße Tylers Hand um meine Taille.

Nach fünfzehn Minuten kommen wir an der unteren Station an. Die beiden Frauen suchen auf schnellstem Wege das Weite und Georg führt uns hinaus, wo bereits ein kleiner weißer Bus auf uns wartet.

»Zuerst sind sie so gesprächig gewesen und jetzt sind sie so schnell abgehauen!«, merkt meine Mutter an und sieht ziemlich durcheinander aus.

Ich verbeiße mir mein Lachen und antworte: »Vielleicht mussten sie auch ihren Bus erwischen!«

Der Fahrer, ein älterer Mann in den Sechzigern begrüßt uns freundlich, dann laden wir unser Gepäck ein und nehmen im Wagen Platz.

Die Fahrt den Berg hinunter dauert eine knappe Stunde, während wir uns dem Ziel, den Autos am Parkplatz nähern. Der Weg ist ein wenig steinig, aber die Sitze des Buses sind weich und ziemlich bequem. Außerdem federn sie die Steine ab.

Tyler, der den Platz hinter mir besetzt und sich meinen Sachen ausgebreitet hat, tippt auf seinem Handy herum.

Ich drehe mich um und lächle ihn an. Er zieht verwirrt die Augenbrauen in die Höhe.

»Was?«, formt er mich den Lippen.

Und ich verdrehe die Augen. Muss es denn einen Grund geben, um ihn anzulächeln?

»Nichts...«, flüstere ich zurück.

»Ich würde dich gerne küssen«, haucht er und ich drehe erschrocken den Kopf nach vorne zu unseren Elternteilen, doch die unterhalten sich mit dem Busfahrer und bekommen nichts mit.

»Ja?«, mache ich und meine Stimme klingt rau.

Wieso kommt er immer mit solchen Sätzen um die Ecke und bringt mich total aus dem Konzept?

Tyler nickt und ich grinse ihn an: »Mach doch!«

»Durch den Sitz hindurch, oder wie?«, fragt er.

»Klar, so wie es dir eben gefällt...«, zwinkere ich.

Er verdreht nur die Augen und schüttelt seufzend den Kopf.

»Ich weiß gar nicht, wie ich es ohne dich aushalten soll«, erklärt er und ich sehe ihn erstaunt an.

»Wir können doch telefonieren!«, biete ich ihm an.

»Aber ich kann dich schlecht durch das Telefon anfassen...«, bemerkt er und ich werde rot.

»Dann musst du eben warten«, erkläre ich ihm und Tyler erwidert: »Vielleicht sollten wir uns auch einfach mal persönlich treffen!«

Das ist eine richtig gute Idee! Am liebsten ohne andere Personen, irgendwo hinter verschlossenen Türen und zugemachten Fenstern.

Aber das sage ich nicht, sondern stattdessen erkläre ich ihm, dass er mich jeder Zeit anrufen kann oder ich mich für ihn aus dem Haus schleiche.

Die nächste halbe Stunde sehe ich durch meine Chats, die größtenteils von Florentine Nachrichten beinhalten, die ich in den letzten Tagen gekonnt ignoriert habe.

Am besten wäre es, ich würde ihr Tyler gleich persönlich vorstellen, dann müsste sie sich keine Mühe mehr machen und weiß gleich, was, oder besser gesagt wer, Sache ist.

Diese Frau ist so wahnsinnig nervig und versteht einfach nicht, dass ich kein Interesse an ihr, oder einer Beziehung mit einer anderen weiblichen Person habe.

Tom hat mir ebenfalls geschrieben. Allerdings steht in seiner Nachricht nichts, was mich wieder bis auf die Knochen blamiert, sondern einfach nur, dass er morgen zur Schule fährt und mich abholt.

Ich schreibe einen Daumen nach oben zurück und packe das Handy wieder in die Jackentasche.

Als wir endlich am Fuße des Berges ankommen, dort wo die Autos von Georg und meiner Mama stehen, ist es schon dunkel. Ich merke, wie müde ich schon bin und gähne hinter vorgehaltener Hand.

Wandern macht müde. Wandern mit einem wahnsinnig heißen Typen, der nicht nur so schön ist, dass ich es gar nicht glauben kann, sondern auch noch dazu weiß, wie er mich küsst, dass meine Lungen nach Sauerstoff schreien, ist so aufregend, dass der Schlaf in eine hintere, verstaubte Ecke meines Gehirns gedrängt wird.

Höchstwahrscheinlich werde ich die ganze Nacht wach liegen und vor mich hin fantasieren. Über Tyler, seine Hände, sein schönes Gesicht, andere Teile seines Körpers, die ich gerne anfasse,... Wieso ist er auch so attraktiv?!

»So!«, Georg umfasst die Schultern meiner Mutter und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. Der Busfahren hat seinen Bus gewendet, nachdem Georg ihm ein paar Scheine zugesteckt hat und ist mit seinem Bus in der Dunkelheit verschwunden.

»Wir haben es geschafft! Ich hoffe es hat euch gefallen...«, ergänzt meine Mama und lächelt uns fragend an.

Ja. JA. Auf jeden Fall. Aber andere Dinge, als Tylers Dad und meine Mum gerade im Kopf haben.

Meine Mutter umarmt Tyler, anscheinend ziemlich fest, denn ihm entgleiten kurz die Gesichtszüge und Georg nimmt mich in den Arm. Dabei flüstert er: »Sprich ihn darauf an, okay?«

Ich weiß sofort, was er meint. Das Thema mit seiner Mama. Ich nicke schnell und nehme mir fest vor, Tyler in den nächsten Tagen auf dieses Thema hinzuführen. Schließlich geht es ihm nahe und ich will, dass es ihm gut geht.

Dann löst sich Georg von mir und geht zu seiner Freundin und küsst sie auf die Wange. Tyler kommt stattdessen zu mir und lächelt mich an.

»Ich rufe dich morgen an!«, verspreche ich. Und ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie ich die nächsten Stunden ohne ihn aushalten soll. Die letzten Tage waren so schön und ich will, dass dieses Gefühl, dass meinen Körper ausfüllt, auch weiterhin bleibt.

Das Gefühl, das nur da ist, weil Tyler in meiner Nähe ist. Weil er mich anschaut und dabei genauso verliebt wirkt, wie ich mich fühle.

Ich hätte nie gedacht, dass ich irgendwann einmal so wahnsinnig romantisch und glücklich bin und das nur weil ich verliebt bin, aber anscheinend ist es doch möglich.

»Ich freue mich schon...«, haucht er zurück, gefährlich nahe an meinem Ohr.

Dann verschwinden Georg und Tyler in ihrem Auto, während meine Mutter und ich zu unserem Wagen gehen.

Ich nehme hinter dem Lenkrad Platz, da meine Mum ziemlich müde aussieht und ich ein wenig Angst habe, dass sie in der Dunkelheit einen Unfall baut.

Beim nach Hause fahren, sprechen wir nicht viel. Meine Mama merkt nur an, dass Tyler doch sehr nett ist. Dabei hat sie einen ganz komischen Unterton in der Stimme.

Ich frage mich, ob Georg mit ihr darüber gesprochen hat, aber ich denke, dass er dichthält. Vielleicht ahnt sie aber doch etwas.

Aber Tyler und ich waren doch so vorsichtig, es ist fast unmöglich, dass meine Mum etwas gemerkt hat.

Am liebsten will ich ihr sofort sagen, dass ich wahnsinnig verliebt in Tyler bin und dass ich für immer Zeit mit ihm verbringen will. Aber das sollte ich vorher mit Tyler besprechen. Schließlich muss er auch einverstanden sein, dass wir es unseren Elternteilen sagen.

Während ich durch die verlassenen und dunklen Straßen fahre, schweifen meine Gedanken ab. Ich denke daran, dass Tom gesagt hat, er möchte Tyler kennenlernen.

Vielleicht war das auch nur Spaß. Aber das hat er sich jetzt wohl selbst eingebrockt. Ich werde die beiden bekannt machen.

Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt