41. Kapitel

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Nach zwei Stunden haben wir unser Ziel, die Gondel, erreicht. Georg besorgt uns Tickets, während wir anderen etwas entfernt vom Schalter warten.

Meine Mutter macht sich natürlich gleich daran, Tyler auszufragen. Über seine Arbeit, seinen Dad, sein Leben, ... Man muss Tyler zugutehalten, dass er sehr ausführlich und freundlich antwortet. Anscheinend ist es ihm nicht so unangenehm, wie mir, wenn einen Erwachsene ausquetschen.

»So, hier sind die Tickets. Wir können das ganze Wochenende fahren. Kommt ihr?«, unterbricht Georg die Konversation. Er hält uns vier Tickets hin.

Nachdem wir sie unter uns aufgeteilt haben, gehen wir in das Gebäude, in dem sich die Gondeln befinden.

Wir steigen in eine grünfarbene mit einem bekannten Skifahrer darauf. Bevor sich die Türen schließen, steigt noch ein älteres Paar zu. Dann gehen die Türen automatisch zu und wir steigen langsam und ein wenig ruckartig in die Höhe.

In der Gondel befinden sich links und rechts dünne schwarze Bänke. Auf die, die in Fahrtrichtung zeigt, lasse ich mich fallen und stelle meinen Wanderrucksack vor mich auf den Boden.

Tyler setzt sich mir gegenüber. Das Ehepaar, nimmt den Platz neben Tyler ein, während sich Georg und meine Mutter neben mich hinsetzen.

»Ist das Ihr erster Ausflug auf den Sellersberg?«, erkundigt sich die Frau und sieht Georg an.

»Ja, wir haben die Trefflhütte gemietet«, erzählt Georg und fängt an von der Hütte zu schwärmen.

»Oh, da waren wir auch schon einmal!«, die Frau sieht ihren Mann an und lächelt. »Es ist wirklich sehr schön dort. Der Ausblick, aber auch die Wanderwege, die von der Hütte wegführen«, sagt sie noch und Georg verwickelt sie in ein Gespräch.

Nach knappen fünfzehn Minuten erreichen wir die oberste Station. Wir steigen nacheinander aus und schultern unsere Rucksäcke wieder.

Ich seufze, als ich den nächsten Wanderweg erblicke. Ich denke, jetzt habe ich nicht so viel Glück. Der Weg ist voll mit Steinen und wird immer steiler.

Bald schon bin ich aus der Puste und trotte hinter den anderen hinterher. Auch Tyler hat sein Tempo verlangsamt und wischt sich den Schweiß von der Stirn.

»Ich verstehe jetzt, warum du wandern hasst...«, schnauft er und bleibt stehen.

»Kommt Jungs!«, ruft Georg von weiter vorne. Dieser... Er hat das steilste Stück schon geschafft und wartet mit meiner Mutter bei einer Bank.

Tyler sieht verzweifelt aus, als er die gefühlten 100 Meter zwischen uns und unseren Elternteilen mustert.

»Wir hätten das Paar aus der Gondel bestechen sollen. Die sind doch in einen kleinen Bus gestiegen. Ich wette, die müssen gerade einmal zwei Meter zu ihrer Hütte gehen. Denkst du, sie hätten uns mitgenommen?«, frage ich dann. Und wenn sie das nicht getan hätte, hätte ich sie vermutlich bestochen.

»Wenn du nett gefragt hättest, warum nicht?«, gibt Tyler zurück und fächelt sich selbst Luft zu. Auf seiner Stirn steht Schweiß und seine Wangen sind leicht gerötet. Außerdem hat er die Haube abgenommen und sein Schal hängt nur noch ganz locker über beide Schultern.

»Ich dachte, ich bin halbwegs sportlich. Tja, nach diesem Tag habe ich wahrscheinlich überall Muskelkater und kann nicht mal mehr aus dem Bett...«, seufzt Tyler dann.

»Sieh es positiv. Dann bleibe ich mir dir im Bett!«, grinse ich.

»Ich hoffe, das Bett ist groß genug...«, sagt er und seine Stimme wird leiser.

»Ach, sonst kuscheln wir uns eben eng zusammen...«, hauche ich und ich sehe, dass seine Augen zu meinen Lippen huschen.

Wenigstens habe ich noch eine Wirkung auf ihn. Das wird ein witziges Wochenende.

...

Nachdem wir alle bei der Hütte ankommen, wir haben auf jeden Fall länger gebraucht als nur eine halbe Stunde, holt Georg den Schlüssel aus seiner Hosentasche.

Die Hütte sieht ein wenig heruntergekommen aus. Das Dach scheint an ein paar Stellen geflickt. Aber der äußere Anschein kann ja trügen.

Georg sperrt die Tür auf. Vor uns erstreckt sich ein langer Flur, an dessen Wänden Lichterketten hängen. Links befindet sich ein Esstisch mit angrenzender Küche. Ganz vorne ist ein Wohnzimmer mit Kamin und daneben Bad und Toilette.

Auf der rechten Seite, gleich neben der Tür führt eine Treppe hinauf in den ersten Stock. Oben sind noch vier Zimmer. Eines mit Doppelbett und zwei Einzelzimmer. Ebenso gibt es ein klitzekleines WC.

Ich schaue mich gerade in den Zimmern um, als ich hinter mir ein Geräusch höre. Erschrocken drehe ich mich um, aber es steht nur Tyler hinter mir.

»Hast du dich schon entschieden, welches Zimmer du haben willst?«, fragt er, nachdem er hinter mir steht.

»Das ist mir eigentlich egal...«, antworte ich. Hauptsache es steht ein Bett drinnen.

»Dann schenke ich dir den perfekten Ausblick. Nimm du das Zimmer in der Ecke. Glaub mir, der Ausblick ist wie aus einem Märchen...«, Tyler strahlt mich an und ich bedanke mich. Schließlich hat er mir gerade ein Zimmer „geschenkt".

»Gut, aber du musst auch den Ausblick bewundern kommen...«, sage ich, weil er jetzt wahrscheinlich einen nicht so schönen Blick von seinem Fenster aus hat.

Tyler grinst und beugt sich zu meinem Ohr. Dann flüstert er: »Wenn alle schlafen, komme ich den Ausblick anschauen...«

»Dann ist es doch dunkel...«, beschwere ich mich und zuckt die Achseln.

»Ach, ich denke, ich sehe genug. Wer sagt, dass ich den Ausblick auf die Berge und das Tal brauche? Ich begnüge mich auch auf den Blick vom Fenster zum Bett...«, raunt er.

Ich kichere. Ich wusste nicht einmal, dass ich in der Lage bin, so ein Geräusch von mir zu geben. Ich fühle richtig, wie mir das Blut in die Wangen steigt.

Auf Tylers Gesicht breitet sich ein verschmitztes Grinsen aus. Ich mache mich schnell aus dem Staub, bevor er das kommentieren muss.

Mein Zimmer ist nicht besonders groß, doch ein Holzbett mit weißem Bettbezug, Decke und Polster befinden sich in der linken Ecke. Ein kleiner Tisch und eine Couch gibt es auch noch. Gegenüber vom Bett befindet sich ein großes Fenster.

Ich befolge Tylers Rat und ziehe die hellgelben Vorhänge auf. Er hat nicht zu viel versprochen. Es ist der Blick, wie auf ein gemaltes Bild. Ein bisschen fühle ich mich, wie in einem Traum. Viel zu schön, um wahr zu sein.

In dem Moment, in dem ich beginnen will, meinen Rucksack auszupacken, gibt mein Handy einen Ton von sich. Ich hole es aus der Tasche von meiner offenen Jacke.

Tom: Uuuund?

Schreibt Tom. Also Ruhe habe ich gar nicht. Da war es ja einfacher, als wir zerstritten waren und uns geprügelt haben... Okay, ich möchte trotzdem nicht mehr in diese Situation zurück.

Schnell tippe ich eine Antwort.

Ich: Wir sind seit zwei Minuten in der Hütte, bis jetzt ist nichts passiert. Und wenn doch, wirst du es als letzter erfahren. Wieso bist du überhaupt so neugierig?

Tom: Hallo?! Wo bin ich neugierig. Ich will Updates, hast du gehört?

Ich: Jaa, schrei nicht so. Sonst hört dich Tyler noch.

Tom: Uuuh, ist er gerade neben dir. Oder hinter dir? 😉

Ich: Ich drehe mein Handy jetzt ab, du bist unerträglich.

Tom: Du liebst mich, gib's zu!

Ich verdrehe die Augen, muss aber doch grinsen.

Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt