17. Kapitel

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Oh Gott, das ist Florentine. Natürlich kenne ich sie. Wir haben uns einmal nach dem Training hinter dem Fitnessstudio getroffen und in der Dämmerung rumgemacht. Ich schüttle innerlich den Kopf über meine eigene Dummheit. Wie konnte ich mich mit ihr abgeben? Sie ist ein schrecklicher Mensch. Anhänglich, aufgetakelt und viel zu weiblich.

Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt auf Männer stehe. Ich mag Tyler und mit ihm stelle ich mir alles vor. Aber vielleicht kommt doch irgendwann ein Mädchen vorbei, das mir gefällt. Auf jeden Fall würde meine Wahl niemals auf Florentine fallen. Vorher geht die Welt unter.

Sie steht jetzt vor mir und lächelt so sehr, dass mich ihre weißen Zähne fast blenden.

»Hey...«, mache ich und überlege, wie ich sie am besten loswerden kann.

»Erinnerst du dich noch an mich?«, fragt sie und kichert. Ich zucke nur die Achseln. Ich erinnere mich wage an ihren Zungenkuss. An was ich mich aber erinnern kann war, dass er mit zu viel Zunge war. Es war einer der schlechtesten Küsse, die ich je hatte. Sie hat sich an mich geklammert, als würde sie jede Minute ertrinken und wollte danach, dass ich mit zu ihr komme. Gott sei Dank konnte ich sie abwimmeln, wer weiß, was Florentine sonst mit mir gemacht hätte.

Ich bin ihr seitdem aus dem Weg gegangen, wenn ich sie beim Training getroffen habe. Ich dachte wirklich, sie hätte ihr Interesse an mir verloren. Jetzt, wo sie vor mir steht, weiß ich, dass ich falsch gedacht habe.

»Hör mal«, sage ich und sehe vom Laufband auf sie hinunter. »Mit uns wird das nichts...«, schiebe ich hinterher. Doch sie verdreht nur die Augen.

»Ach Ollie, ich habe dich so vermisst«, ihre Lippen formen einen Kussmund.

»Lässt du mich bitte in Ruhe?! Wir haben uns einmal geküsst und das wars. Aus und Ende. Es gibt genügend andere Typen hier im Raum, die dich gerne in ihrem Bett hätten«, sage ich unwirsch und drehe das Laufband wieder auf, bevor ich auf ihre Antwort warte.

»Gut, ich lasse dich in Ruhe...«, ich atme aus. »...aber unter einer Bedingung«, ich stoppe abrupt.

»Was?«, fauche ich. Das ist unfassbar. Was denkt sie, wer sie ist?

»Ein Treffen im Cafe Sally's in der Innenstadt, am Dienstag«, lächelt sie und ich atme aus.

»Nur ein Treffen? Kein Küssen, kein Fummeln, gar nichts sonst?«, hake ich nach. Besser wir klären die Regeln zu früh, als zu spät. Sie nickt.

»Okay, um 16 Uhr«, stimme ich zu. Sonst wird sie keine Ruhe geben. Florentine grinst, nimmt meine Hand und drückt sie kurz. Ich weiß nicht, auf was ich mich gerade eingelassen habe, aber ich denke, das ist mein Untergang. 

Dann haucht sie mir ein: »Tschüss, bis bald!« zu. Florentine verschwindet mit wackelndem Hintern. Die meisten Typen im Raum drehen ihren Kopf, um ihr nachzusehen. Ich verdrehe die Augen. Sie fallen auch alle darauf hinein. Sollen sie sie doch küssen und danach werden sie ihre Meinung ändern.

Ich verstehe auch nicht, was Florentine überhaupt hier macht. Sie macht vielleicht ein wenig Yoga in der Gruppe, ansonsten betätigt sie sich nicht sonderlich viel. Wahrscheinlich ist sie nur auf Männersuche.

Ich atme aus und konzentriere mich wieder auf das Training. Nach dem Laufband laufe ich noch zu den Gewichten und trainiere ein wenig mit den Hanteln. Zum Schluss mache ich noch ein paar Übungen auf der Matte, bis mein Bauch brennt, weil sich die Muskeln so zusammenziehen. Ich schüttle meinen Körper ein wenig aus und gehe danach noch unter die Dusche.

Dort lasse ich das Wasser auf meinen Körper prasseln, bis sich alles nicht mehr so verspannt anfühlt. Ich schäume mich mit Duschgel ein und gehe danach nur mit dem Badetuch um die Hüften zu meinem Spind zurück.

Da keine anderen Männer da sind, ziehe ich mich gleich hier um, ohne dass ich eine Garderobe aufsuche. Danach stopfe ich die verschwitzen Sachen mit dem Handtuch in die Tasche und föhne mir noch ein wenig die Haare.

Als ich das Gym verlasse, ist es schon nach 18 Uhr. Ich fahre nach Hause und da die Straßen sehr ruhig sind, bin ich schneller in der Garage als gedacht. Ich steige die Stufen zum Haus hinauf und schließe die Tür auf.

Dann schmeiße ich meine Sachen in die Wäschetruhe neben der Waschmaschine. Meine Mutter ist anscheinend nicht da, denn ich höre sie nicht. Ich weiß nicht, was vorhin mit ihr los war... Vielleicht war es ein Traurigkeitseinbruch, weil sie an meinen Vater gedacht hat. Ich dachte jedoch, sie ist mit Georg glücklich. Schließlich hat sie ihn mit nach Hause gebracht. Das muss doch etwas bedeuten.

Ich seufze und mache mich auf den Weg in mein Zimmer. Dort öffne ich das Fenster und lasse ein wenig frische Luft ins Zimmer. Während neue Luft die alte vertreibt, setze ich mich an meinen Schreibtisch.

Dort liegt er noch. Der weiße Zettel. Langsam hole ich mein Handy hervor und speichere die Nummer ein. Ziffer für Ziffer. Mein Herz schlägt so laut, als würde ich etwas Verbotenes tun. Es sind einfach nur Zahlen, die von meinen Fingern getippt werden. Kein Grund, fast einen Herzinfarkt zu bekommen...

Dann lege ich mein Handy weg, weil mich plötzlich Angst überkommt. Ich weiß nicht, wie Tyler reagieren wird, wenn ich ihm plötzlich schreiben würde. Oder gar anrufen würde. Wir haben uns gerade eben erst wiedergesehen, nach monatelanger Pause. Ich weiß nicht mal, ob ich selbst in der Lage bin, mit ihm zu sprechen. Er ist so toll und findet immer die richtigen Worte und ich bin nun mal nicht so. Ich hadere mit mir und tue mir schwer, auf andere Menschen einzugehen und diese zu verstehen. Vielleicht habe ich einfach Angst, Leute so nah an mich heranzulassen.

Ich lasse mein Handy am Schreibtisch liegen und lege mich in mein Bett. Vielleicht fällt mir etwas ein, das ich Tyler schreiben kann. Schließlich will ich ihn nicht gleich wieder vergraulen. Aber irgendwie erscheint mir nichts gut genug für ihn. Ich schließe die Augen und atme aus. Wieder erscheint ein Bild von Tyler in meinem Kopf. Es ist beinahe unmöglich, dass ich ihn aus meinem Gehirn bekomme. Er ist immer da.

Was möchte mir das sagen? Mag ich ihn? Liebe ich ihn? Ich weiß es selbst nicht so genau. Ich weiß, dass etwas zwischen uns ist. Etwas, das ich noch nie bei einem anderen Menschen gefühlt habe. Und es ist etwas, das ich nicht verlieren möchte. Etwas, das ich immer haben möchte. Egal was noch kommt.

Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt