Teil 21

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*Stephans Sicht*
Ich kann es einfach nicht fassen, was hier gerade alles passiert. Eigentlich habe ich für uns einen schönen Abend geplant, da ich ja sowieso noch im Krankenstand bin und Tracy morgen frei hat. Es ist alles durchdacht gewesen, aber mit sowas habe ich nicht gerechnet. Und nun sitze ich hier und weiß nicht mehr weiter. Die Angst um Tracy ist einfach riesig und auch wenn ich weiß, dass sie stark ist, fällt es mir echt schwer ruhig zu bleiben und mich zusammenzureißen. Paul versucht mich immer wieder aufzumuntern, mit seinen Sprüchen aber so richtig zu lächeln ist mir nicht zu Mute auch wenn ich es echt nett finde, dass er versucht ein wenig gute Laune rein zubringen. Doch solange ich nicht weiß, wie es um Tracy steht, wird sich meine Laune nicht bessern. Die Angst, dass doch noch was passieren könnte, ist einfach viel zu groß.
Umso länger wir hier sitzen und warten, umso größer wird die Angst. Egal wenn wir angesprochen haben, keiner konnte uns eine Auskunft geben. Ich lasse meinen Kopf hängen. Paul und Jonas mussten dann später zur Wache. Auch erst nachdem Marc, die beiden mehrmals überzeugt musste, dass er Hannah und mich nicht allein lässt, sind sie dann gefahren. Mittlerweile ist es draußen schon Stock dunkel und mir fallen immer wieder die Augen zu. Ich bin am Ende meiner Kräfte und von einem Arzt ist weit und breit keine Sicht.
Mir fallen fast gerade erneut die Augen zu, als ich sehe wie sich die Türen öffnen und ein Mann in einem weißen Kittel herauskommt. Sofort bin ich hellwach und auch die anderen sehen den Arzt gespannt an und wie soll es anders sein, ist es Doktor Seehauser. Ich versuche irgendetwas aus seinem Gesicht abzulesen aber zum ersten Mal, scheitere ich daran, dieses Pokerface ist nicht zu knacken. „Also es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht", fängt Doktor Seehauser an, woraufhin mir der Atem wegbleibt. Wie kann es eine schlechte und gute Nachricht geben, meine Gedanken rasen, wobei die schlechten Gedanken überwiegen. Ich bin mittlerweile schon so fertig, dass ich wieder ein paar Tränen verliere.
Ich wische mir sofort die Tränen aus dem Gesicht und schaue gespannt zum Arzt. „Also Frau Feuerstein, hat die Operation überstanden. Es gab kleine Komplikationen im Bauchbereich, da sie schwere innere Blutungen gehabt hatte, aber wir konnten alle Blutungen stillen. Es ist fast ein Wunder, dass sie noch so lange bei Bewusstsein gewesen sein sollte. Denn ihr Zustand war auch kritischer als zunächst angenommen. Zudem hat sie auch noch eher schwerwiegende Kopfverletzungen davongetragen. Dadurch haben wir sie vorsichtshalber in ein künstliches Koma versetzt, umso einen sicheren Heilungsprozess zu gewährleisten. Die Schnittwunde am Hals ist zwar tief, aber sie ist noch nicht lebensgefährlich gewesen, da hatte sie nochmal Glück gehabt. Ich weiß es ist nicht einfach, aber die Hoffnung, durch das künstliche Koma, ist dadurch größer, dass sie sich vollständig und schnell Erholen wird. Können Sie vielleicht noch Familienangehörige informieren?", erzählt uns der Doktor. Ich kann gerade nicht Atmen, so fühlt es sich zu mindestens an. Zu sehr bin ich gerade dran, dass alles in meinen Gedanken zu verarbeiten. Marc merkt, dass ich nicht fähig bin zu antworten, weswegen er es dann übernimmt: „Ich werde die Eltern informieren, das ist kein Problem." Das Marc auch sichtlich mit sich kämpft und auch Hannah, bemerkt jeder.
Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Mein Leben hat sich gerade einfach so um 180 Grad gedreht. Wieso musste sowas Tracy passieren, wieso? Sie ist so ein Liebevoller und ehrlicher Mensch! Wie konnte sie nur so einen Freund damals haben? Sowas hat sie gar nicht verdient! Aber wieso hatte sie ihn nie erwähnt? Wobei wenn er damals schon so war, verstehe ich es, dass sie nicht mehr darüber reden will und ihn am liebsten vergisst. Was wäre, wenn ich sie von der Arbeit abgeholt hätte, wie ich es vorhatte aber dann leider was dazwischen kam, wäre es dann nicht passiert? So viele Fragen und keine Antwort. Irgendwann bemerke ich dann eine Bewegung in meinem Blickfeld, dass aber schon sehr verschwommen ist. Ich wische mir mit der Hand einmal über die Augen und schaue dann in Marcs und Hannahs Gesicht.
,,Sie schafft das schon. Ist eine Kämpferin. Zudem bin ich zu 100% sicher, dass sie wieder ganz die Alte wird. Sie liebt dich und wird dich nicht allein lassen. Außerdem konnten wir den Arzt überreden, dass du noch kurz zu ihr darfst. Eine Krankenschwester bringt dich zu ihrem Zimmer und wir warten derweil auf dich", sagt Hannah. „Danke", mehr bringe ich gerade nicht heraus, auch Marc nickt mir zu und geht dann ans Handy, als es klingelt. Ich folge derweil einer Krankenschwester zu dem Zimmer von Tracy, dort angekommen öffne ich langsam die Türe. Ich muss mir selbst Mut zu reden, als ich so regungslos und irgendwie leblos in diesem Bett sehe. Langsam gehe ich auf das Bett zu, doch ich habe keine Chance, die Tränen noch zurückzuhalten. Ich nehme vorsichtig ihre Hand in meine, doch diese fühlt sich so kalt an, was mir ein Schauer über den Rücken laufen lässt. Ich stehe da und schaue sie nur an, zu etwas anderes bin ich nicht fähig, zu sehr steckt mir alles in den Knochen. Ich würde alles machen, nur damit sie wieder Gesund wird. Ich gebe ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und flüstere ein leises: „Ich liebe dich!", als sich kurz darauf Türe öffnet und mich die Krankenschwester zurück zu Hannah und Marc bringt. Am liebsten wäre ich dortgeblieben. Sie soll nicht jetzt auch noch allein sein, nachdem was sie alles hinter sich hat. Doch ich muss sie allein lassen und das tut mir im Herzen weh.

Durch Tiefen und HöhenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt