K A P I T E L 46

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Auch wenn die erste Woche in der Werkstatt gut verlief, so fühlte sich Kenny wie auf heißen Kohlen. Der Moment zwischen ihr und Markus in seinem Büro war bis jetzt der einzige intime Moment der beiden gewesen. Sie wusste nicht ob es daran lag, dass sie nun für ihn arbeitete oder er sie lediglich in der Eingewöhnungszeit in ruhe lassen wollte. Egal was genau der Grund war wieso er ihr fern blieb, es trieb sie in den Wahnsinn.
Davon abgesehen, konnte sie sich nicht beschweren. Es zeigte sich wirklich, dass wenn man Spaß an seiner Arbeit hatte die Zeit wie im Flug verging. Selbst länger als geplant zu bleiben war kein Problem. Die Jungs stellten sicher sie hatte ihren Kaffee, brachten ihr etwas zu essen mit oder redeten zwischen Kundenterminen mit ihr. 
Es war einer dieser Tage welcher sich länger zog als geplant und sie erst spät nach Hause kam, den sie im Nachhinein am liebsten nicht erlebt hätte.

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"Er wird dir das Herz brechen.", perplex sah Kenny auf, hatte nicht erwartet um diese späte Zeit noch jemanden wach vorzufinden. Ihre Mutter stand in Nachthemd und Bademantel vor ihr, beide so glatt gebügelt, dass sie sich manchmal fragte ob sie überhaupt wirklich darin schlief. "Dieser Marco-" - "Markus.", fiel ihr Kenny sofort ins Wort und räusperte sich unangenehm. "Er heißt Markus, nicht Marco.", wiederholte sie ihre Worte mit festerer Stimme.
"Egal wie er heißt, er ist kriminell. Ich dachte du würdest endlich verstehen, mit wem du interagieren solltest und mit wem nicht." Irritiert und für einen Moment sprachlos öffnete sich der Mund der schwarzhaarigen. "Kriminell?", hinterfragte sie dann. "Deine Schwestern haben gehört in was für Kreisen er sich herum treibt." Kendras Kiefer spannte sich an, ihre Schwestern wusste wirklich nicht wann sie den Mund halten sollten. Allen voran weil sie selbst Freunde hatten, die deutlich schlimmeres taten als ein paar Straßenrennen. "Cynthia und Marie- Claire kenn ihn überhaupt nicht. Ich bin mir sicher sie haben nicht mal zwei Sätze mit ihm gewechselt.", erwiderte Kenny dann ruhig, auch wenn sie am liebsten losgeschrien hätte. Manchmal dachte sie wirklich ihre Mutter sie nicht glücklich solange sie Kenny nicht das genaue Gegenteil verspüren ließ. "Das ist nicht relevant. Er wird dich genauso benutzten wir es wahrscheinlich mit vielen Frauen zuvor getan hat. Ich kenne diese Art von Mann und versuche nur zu verhindern, dass du dich mit jemandem unter unserer Klasse abgibst." Und das traurigste an der ganzen Situation war, dass ihre Mutter wahrscheinlich anders reagiert hätte, wüsste sie Markus sei aus reichem Hause. Wüsste sie wie viel Geld er mit seiner Werkstatt machte, dass sie zu den besten in der Gegend gehörte. Aber egal wie Kendra argumentieren würde ohne diese Tatsache zu erwähne, wäre es nutzlos. Ihre Mutter hatte sich bereit eine Meinung gebildet und bestand auf dieser.

"Ich verstehe sowieso nicht, wieso du unbedingt Zeit mit Raban und seinen Freunden verbringen musst.", setzte sie hinterher. Natürlich konnte sie es nicht nur bei Markus belassen, sie zog direkt die ganze Gruppe und allen voran Raban mit rein."Er ist mein Cousin, wieso sollte ich nicht Zeit mit ihm verbringen wollen? Wir verstehen uns." , erwiderte die schwarzhaarige. Jede andere Mutter würde sich freuen, dass ihre Tochter sich so gut mit ihrer weiteren Familie verstand, doch Kendras Mutter war nicht wie andere. "Cousin hin oder her. Er ist genau so ein schlechter Umgang wie alle anderen dieser Gruppe." Kenny nickte resigniert, eine andere Antwort hatte sie nicht erwartet. "Wann lernst du endlich, dass du dich mit vernünftigen Menschen umgeben sollst?" Vorwürfe, nichts als Vorwürfe. Sie erinnerte sich nicht an das letzte Mal als ihre Mutter vernünftig mit ihre geredet hatte. Und sie wusste irgendwann würde eine Unterhaltung wie diese zu dem Streit führen welcher eskalieren würde.  "Ich bin neunzehn Jahre alt, ich kann mich umgeben mit wem ich möchte.", erwiderte sie dann stumpf. Es war wirklich spät und Kenny hatte keine Lust mehr eine Konversationen zu führen, welche sich anfühlte als würde sie gegen eine Wand sprechen. "Du wirst es nie lernen.", ihre Mutter schüttelte enttäuscht den Kopf. "Deine Schwestern machen nie solche Probleme wie du Kendra."

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"Kenny?", Rabans Stimme wirkte verschlafen, sofort überkam sie ein schlechtes Gewissen. "Hab ich dich geweckt?", hinterfragte sie sofort. "Ja.", erwiderte er simpel, sprach jedoch weiter bevor sie ihr eigentliches Vorhaben abbrechen konnte. "Aber ist wohl nicht ganz schlecht, ich bin nämlich überm Tisch eingeschlafen, dass hätte morgen sicher weh getan." Kendra schmunzelte, wäre nicht das erste Mal, dass er durch zu viel Arbeit bei dieser eingeschlafen war. "Was ist los, wieso rufst du dann?", fragte er dann nach ein paar Sekunden der Stille. "Wenn irgendetwas in der Werkstatt ist musst du es nur sagen, dann kriegen die einen-" - "Nein, nein.", unterbrach sie ihn sofort. "In der Werkstatt ist alles in Ordnung.", fügte sie hinzu. "Ich hab mich mit meiner Mutter gestritten.", murmelte Kenny dann. "Ziemlich heftig sogar.", setzt sie hinterher.
Vielleicht war es eine dumme Idee ihren Cousin anzurufen. Die beiden verstanden sich zwar immer mehr, doch es ging nie um solche Situationen und- "Bist du im Auto? Telefonierst du während du fährst?" - "Ja ich bin im Auto, ich musst da einfach raus. Ich hab die Fernsprechanlage an, keine Sorge.", beruhigte sie ihn sofort.
"Du weißt doch wo ich wohne, oder?" Irritiert zogen sich Kennys Augenbrauen zusammen und sie bejahte die Frage. "Und du hast einen Schlüssel also bis gleich." -  "Aber Julia-", begann Kenny zögernd. "Mum ist selbst nicht da und kommt wenn sie wieder kommt sowieso spät. Außerdem wird sie sich freuen, dass du den Schlüssel endlich benutzt."

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"Wie heißt es nochmal? Camelot?" Kenny folgte Raban nach draußen, direkt auf das alte Baumhaus zu. "Fast, aber Camelot ist bei Juli und Joschka.", verbesserte er seine Cousine. "Für ein Bier reicht es, es dürfte uns bestimmt noch halten.", murmelte er und teste mit etwas Gewicht die Holzleiter welche nach oben führte. "Bestimmt?", fragte Kenny misstrauisch und Raban lachte leise auf. "Na gut.", er reichte ihr die Getränke und begann dann zuerst hochzuklettern. "Wenn es mich aushält, dann mit Sicherheit auch dich.", murmelte er. Und tatsächlich knackte die Leiter zwar etwas, aber er kam ohne Probleme nach oben. "Na komm, werf hoch.", Kenny schmunzelte als er seinen Kopf heraus streckte und sich seine Haare langsam aus seinem Zopf lösten. Kenny machte einen Schritt zurück und holte mit den Flaschen aus. "Bitte schmeiß sie mir nicht ins Gesicht." - "Na gut." Innerhalb weniger Minuten hatte Raban die Flaschen neben sich stehen und half Kenny zu ihm hinauf.
"Nicht schlecht.", murmelte sie als sie neben ihrem Cousin platz nahm und ihre Beine im Freien baumelten. "Dann erzähl mal.", Raban öffnete das Bier und sah sie erwartend an. "Du weißt wie meine Mutter ist.", erwiderte Kenny zähneknirschend. "Wenigstens ist deine Mum normal geworden.", schmunzelte sie und Raban stimmte ihr belustigt zu. "Ja, wer hätte damit gerechnet.", erwiderte er.
"Sie glaubt Markus sei ein Krimineller." Raban verschluckte sie fast als Kenny plötzlich verriet worum es wirklich in dem Streit ging. "Bitte was?", fragte er dann perplex nach. "Cynthia und Marie- Claire haben sich wohl verplappert.", sie atmete genervt aus. "Ich weiß nicht genau was sie gesagt haben oder ob meine Mutter einfach nur etwas falsch aufgeschnappt hat, aber sie war fixiert darauf, dass er illegale Scheiße macht.", erzählte die schwarzhaarige. "Theoretisch gesehen macht Markus auch illegale Scheiße.", erwiderte Raban und sein Mundwinkel zuckte, lachte als Kenny ihn genervt schubste. "Aber da ich mir denken kann wie freundlich deine Mutter ihre Worte formuliert hat, wäre ich mit Sicherheit auch abgehauen.", Raban nahm einen kräftigen Schluck von seinem Bier. "Es ist einfach-", Kenny warf ihre Arme in die Luft, suchte nach den richtigen Worten. "Sie ist so überzeugt davon, dass nur ihre Meinung richtig ist und sie jeden perfekt einschätzen könnte. Dabei hat sie einfach nur einen verdammten Stock im Arsch." Der letzte Satz ließ Raban lachen und auch Kenny konnte nicht anders, auch wenn ihr eigentlich nicht nach Lachen zumute war. 

"Hat sie noch etwas gesagt was dich so aufgewühlt hat?", fragte Raban dann wieder ernster und schenkte Kenny sein e volle Aufmerksamkeit. Sofort wiederholten sich die Worte ihrer Mutter in ihren Gedanken, wie abwertend sie über Raban und praktisch jeden in seinem Umfeld geredet hatte. Und in diesem Moment bewies er, dass Kendras Mutter absolut nicht über ihn wusste und ihn komplett falsch einschätzte. Sie saßen zusammen Mitten in der Nacht in seinem alten Baumhaus und er hörte sich ihr Gemecker über ihre Mutter an welche sich sowieso ne ändern würde. Brachte sie trotz allem zum lachen.
"Nein.", erwiderte Kenny. "Hat sie nicht."

KENNY  | die wilden Kerle ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt