Kapitel 19

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Kapitel 19


Das Verlorene



Randall war zufrieden, auch wenn er zur Zeit nur als Schatten existierte. Als Mensch hätte er mehr ausrichten können, doch er war sich sicher, dass die Zeit auf seiner Seite stand. Hätte seine menschliche Gestalt die Freiheit bekommen, so wäre es ihm ein Leichtes gewesen, zu bekommen, was er wollte. Es wäre so einfach, die dunklen Gedanken, die er in den Menschen heraufbeschwor, als etwas Helles, als etwas Reines zu verkaufen, denn wer würde noch an die Falschheit seiner Intentionen denken, wenn der nette, mitfühlende Mann mit einem Lächeln, ihre geheimen Wünsche, ihr dunkles Begehren befürwortete. Es für richtig und nicht schändlich hielt. Bestätigung war das Zauberwort und er wäre Willens ihnen alle diese Bestätigung zu geben, nur um seine Hände bald an das Neugeborene legen zu können.

So hatte er sich die Kinder geholt. Sie waren gewarnt, keinem Fremden zu folgen, keinem Fremden zu vertrauen. Aber war er noch ein Fremder, wenn er ihnen seinen Namen verriet? War er nicht ein Freund, wenn er sie darin bestätigte, dass sie nicht ungehorsam ihren Eltern gegenüber waren, sondern nur mit einem Freund mitgingen? Einen Freund, der mit ihnen seine Leckereien teilte. Seine Süßigkeiten, die viel verlockender waren, als alle Warnungen der Eltern.

Seine Masche gelang bei jedem Alter, denn Erwachsene, das wusste er, waren auch nur große Kinder.


Sein Schatten hatte sich in Rumpelstilzchens Verlies gewagt, hatte es gewagt dem Dunklen nach so langer Zeit wieder zu begegnen. Randall hatte geglaubt, dass er Wut empfinden würde, dass die Sucht nach Rache für seinen Verrat, ihn die Kontrolle verlieren lassen würde, doch dem war nicht so. Er war beseelt, ja fast schon enthusiastisch, als er endlich vor Rumple erschien, denn er hatte sich an sie gehangen. An die Eltern des Ungeboren, seiner begehrten Seele. Anfangs hatte er sich noch gefürchtet. So viel Zeit war in seiner erneuten Gefangenschaft vergangen, seit er sie wieder aufsuchen konnte. Zeit, in der so viel passieren konnte. Um so erleichterter war er, als er sehen konnte, dass Mutter und Kind wohlauf waren und noch etwas anderes konnte er sehen. Etwas, das ihn mit Wohlwollen erfüllte, denn die Seelen der Jungen hatten sich noch mehr mit denen der Eltern verwoben. Bald, würde nicht nur das Kind geboren werden, nein, bald würde er drei Seelen haben, nach denen es ihn verlangte. Viel fehlte nicht mehr und so beschloss er, weiter im Sherwood Forest zu verweilen.

Hin und wieder beschwor er düstere Gedanken in den ältesten Sohn, beschwor sogar Dunkelheit in die Blonde, nur damit sein Kerkermeister die Hoffnung weiter auf ihn setzte, dass er ihm helfen würde. Ein einfacher Trick um den Sohn des Dunklen bei Laune zu halten, doch die meiste Zeit lauerte er in der Dunkelheit und beobachtete voller Entzücken das Geschehen. Wie auch an diesem Abend. Der dunkle Schatten hatte sich im untersten Fach des Regals versteckt, dort wo kein Licht hin schien und hatte gelauscht. Gelauscht und Beobachtet, wie der kleine Junge begeistert an seiner Stiefmutter herumnestelte und versuchte die Schlafenszeit zu verschieben. Gelauscht und beobachtet, wie sie ihn mit milder Strenge, liebevoll ins Bett verfrachtete und ihm eine Geschichte gewährte bis seine Augen zu schwer wurden und er endlich einschlief, noch bevor sie ihre Erzählung beenden konnte.

Die Worte waren für ihn ohne Belang. Selbst das Bild der Frau, die sanft die Stirn des Jungen küsste und seiner schlafenden Gestalt eine gute Nacht wünschte, war ausgeblendet. Im tiefsten Innern seiner Dunkelheit hörte er das zarte Zerren zweier Seelen, die sich nacheinander ausstreckten. Sah in der Schwärze seines Dasein, die feinen bunten Stränge die sich berührten und zusammenflossen, als seien sie zwei kleine Flüsse, die sich vereinten. Für diesen Abend hatte er genug gesehen und so entschwand er in den dunkelblauen Himmel, der von der herannahenden Nacht kündete und ließ Regina und Roland zurück.

UnvollkommenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt