Kapitel 32

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Kapitel32


DasVerlorene



Seineigener Atem dröhnte in seinen Ohren, vermischte sich mit denSchluchzern, die aus seinem Mund strömten. Blindvor Tränen,rannte Roland fort von der Taverne, ohne eine wirkliches Ziel zuhaben. Alles woran er denken konnte war die Angst, die in seinenEingeweiden wühlte und sich in seinem Nacken festgesetzt hatte. DieSchreie seiner Mutter hallten in seinem Verstand und feuerten ihn an,immer weiter zu laufen. Seine Lungen schmerzten und sein Halsbrannte. Der kleine Junge beachtete die Schmerzen nicht; beachtetenicht die rote Flüssigkeit, die sein Obergewand tränkte. Dreckwirbelte auf, dort wo seine kleinen Füße auf den Boden trafen.Kleine Steinchen flogen davon, bis sich ein Geräusch in sein Gehörfraß, welches die Furcht in ihm nur verstärkte. Weinend versuchteer schneller zu laufen, als der Klang von Schritten hinter ihm immerlauter wurde, immer näher kamen. Roland brüllte und schluchzte undglaubte sich verloren, als starke Hände nach ihm packten und ihnaufhielten.


NEIN!!!!!

„NEIN!",schrie der kleine Junge und schlug wild um sich.
„Roland!ROLAND!" DerMann hielt den Jungen an beiden Schultern und besah sich mit Sorgeseinen Hals. Hinter ihm kamen zwei weitere Jungen zum Stehen undschaute nicht minder geschockt auf den Lockenkopf.
„Roland, ichbin's Lawrence...was ist passiert?"

„Erhat ihr weh getan...und Bailey auch und....nein...nein!"

DemLautenspieler und einer der ältesten Mitglieder der einstigenGeächteten, fehlte einen Moment die Sprache, als der Sohn seinesBosses die Nerven verlor. Er packte fester zu, um den Jungen zuberuhigen, doch Roland wehrte sich, als wäre er ein Dämon, eineverhasste Schreckgestalt. Erst als Jeffs Stimme erklang, schienRoland aus dem Klammergriff seines Wahns befreit.
„Roland, allesgut.", machte der großgewachsene, schlacksigeJunge und legte seine Arme um die schmächtige Gestalt des Kleineren,als dieser sich gegen ihn warf. Gern hätten sie ihm Zeit gegebensich zu beruhigen, doch das Blut auf Rolands Gewand und die Worte desJungen, ließen Lawrence ihn wieder von Jeff reißen und mitNachdruck auf ihn einreden.
„Beruhig dich Roland und erzähl unswas passiert ist."

Rolands Oberkörper zuckte, als er versuchte der Order nachzukommen.Weinend überschlug er sich.
„Wi...Wi...Wi..Wir waren beiBailey......Räu...RÄÄUUBER....sie haben ihnen weh getan..."

Der Lautenspieler öffnete seinen Mund, doch brachte keinen Lautraus. Stattdessen ließ er von Roland, damit er sich wieder in dieArme seines Freundes flüchten konnte. Adrenalin füllte seine Venen,als er das eben Gehörte zu verarbeiten begann und so wandte er sichan die Jungen.

„Jeff,bring den Jungen nach Hause und hol Robin. Eddy, du kommst mit mirzur Taverne...sofort!" Bevor sie aufbrachen, holte Lawrence einTaschentuch aus seiner Tasche und reichte es Jeff.
„Vielleichtbringst du ihn doch erst zu einem Heiler..." DochRoland brüllte auf.
„NEIN, ICH WILL ZU MEINEM DADDY!"

Jeffnickte, kniete sich vor den Lockenkopf und presste das Taschentuchauf Rolands Hals.
„Ich bring dich zu deinem Daddy, aber dannmusst du das hier gut festhalten, okay. Der Schnitt sieht nicht sehrtief aus, komm!" Er zog Roland mit sich und kümmerte sich nichtmehr um die beiden anderen, die sich auf den Weg zur Taverne machte.Schnellen Schrittes brachte er den Jungen zu seinem Pferd, hievte ihnauf dieses und setzte sich gleich hinter Roland.
„Halt dasTaschentuch gut fest, Roland!", mahnte Jeff und gab seinem Pferddie Sporen. So schnell er konnte, preschte Jeff mit dem Jungen durchden Wald zum Herrenhaus. Rolands Weinen wurde nicht leiser, sondernintensivierte sich. Sein kleiner Körper zitterte, während seinkindlicher Verstand nicht mehr arbeiten wollte. Immer wieder sah erdas Blut im Gesicht der alten Frau. Ihm war, als würde er denschlechten Atem des Mannes noch riechen, die Kühle der Klinge nochspüren, doch dann brachen die Bilder über ihn ein und er hörte denverzweifelten Schrei seiner Mutter, die ihn fortjagte und gleichdarauf ihren Schmerzenslaut. Mit aller Kraft presste er dasTaschentuch gegen seinen Hals und wünschte sich nichts sehnlicher,als dass alles nur ein böser Traum war, dass es nur einer dieserdunklen Träume war, die ihn des Nachts heimsuchten und ihmvorgaukelten, dass er alles verlieren würde, was er sich so sehrgewünscht hatte.

UnvollkommenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt