Kapitel 22

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Akt II


Das Gegenwärtige

Dumpfes Neonlicht erhellte das sterile Zimmer und tauchte es in ein krankes Gelb. Die weißen Wände wirkten in dem Licht vergilbt und genauso alt, wie Mr. Gold sich fühlte. Er saß in seinem Bett, die Hände vor der Brust verschränkt, als der glatzköpfige Pfleger an Coras Bett saß und fröhlich vor sich hin pfiff. Das Pfeifen vermischte sich mit dem Gezeter der Frau, doch Randall zeigte sich unbeeindruckt. Rumpelstilzchen seufzte innerlich und konnte nicht benennen, welchen Lärm er nervtötender fand, welche der beiden Unarten er lieber heute als morgen den beiden austreiben wollte. Der Impuls aufzuspringen, etwas hartes zu greifen und erst auf Randall und dann auf Cora so lange einzuschlagen bis sie verstummten, zündete irgendwo in den tiefsten Winkeln seines Verstandes, doch die Gefangenschaft und die Medikamente, die er regelmäßig bekam, ließen diesen Drang mehr und mehr verblassen. Sein Blick fiel auf das andere Bett. Die Frau in diesem schnappte sich den kleinen Becher mit Tabletten. Sie wirkte, als ob sie diesen dem Pfleger um die Ohren hauen wollte, doch Randalls Stimme bremsten ihr Vorhaben, bevor sie es ausführen konnte.„Zwing mich nicht, dich intravenös ruhig zu stellen, Cora. Mach es uns beiden doch nicht so schwer, meine Liebe. Nimm die Tabletten und es wird dir bald besser gehen!"Die Angesprochen schaute auf den Mann mit der Haut wie Ebenholz, als suchte sie in seinem Gesicht nach etwas, das ihn lügen strafte, doch dann lehnte sie sich zurück und führte den Becher an ihre Lippen. Mit einem Zug leerte sie diesen, schluckte und öffnete ihren Mund. Randall nickte nur und wandte sich seinem anderen Patienten zu. Auch diesem reichte er einen Becher Beruhigungs- und Schlaftabletten. Der Dunkle leistete jedoch keinerlei Widerstand. Er reichte den Pfleger den leeren Becher zurück, der ihn daraufhin ansprach:„Du hast über Rückenschmerzen geklagt, Dunkler. Dreh dich auf die Seite, ich habe da etwas für dich!"Mr. Gold kam der Aufforderung nach, drehte sich zur Seite und wandte seinen Rücken Randall zu. Der großgewachsene, schwarze Mann griff auf den kleinen Wagen, der zwischen den beiden Betten stand und nahm eine Spritze heraus. Gekonnt entfernte er die Verpackung und schraubte die Spritze an einen Kolben mit durchsichtiger Flüssigkeit.„Nicht erschrecken. Es pickst, aber danach werden die Schmerzen verschwunden sein.", erklärte er und setzte die Spritze direkt in die Lendenwirbel des Patienten. Rumple verzog keine Miene, als der Stich einen kurzen Schmerz vorausschickte und ein Brennen in dem Moment einsetzte, als die Flüssigkeit in seinen Körper drang. Als das erledigt war, wischte Randall sachte mit einem Wattebausch über den Einstich, schmiss die Spitze in die Tüte, die an dem Medikamentenwagen hing und forderte Rumple auf, sich wieder richtig hinzulegen. Schweigen breitete sich in dem Raum aus, welches vom Geräusch Coras gleichmäßigen Atems unterbrochen wurde. Randall tätigte einen prüfenden Blick auf die Patientin und wirkte zufrieden.„Ich hab ihre Dosis erhöht. So langsam glaube ich, dass ich deine Strafe hier viel zu streng angesetzt habe.", kicherte er und begann von neuem zu Pfeifen.„Du wirkt heute so gut gelaunt...mehr als sonst.", stellte der Patient fest.Und das ist oft schon nicht auszuhaltenDachte Rumple und hoffte, dass sein Kerkermeister heute gesprächig war.„Du hast Recht, Dunkler, heute ist ein fantastischer Tag.", begann Randall zu schwärmen und setzte sich zu seinem Patienten auf die Bettkante. Seinen Blick richtete er auf das ausgezerrte Gesicht des Mannes, dem die Jahre allmählich in dieses geschrieben waren.„Ich würde sagen, dass du dir den Jungen geholt hast, aber das kann nicht sein. Du wärst nicht hier, wenn dem so wäre."Der Pfleger lachte amüsiert auf und nickte ein paar Mal.„Du kennst mich, Rumple...Oh ja, du kennst mich. Ich habe den Jungen noch nicht. Es verlangt mich nach ihm, aber ich weiß mich zu beherrschen. Sie können nicht einfach von hier verschwinden und ich habe Geduld."Mr. Golds Augenbraue hob sich minimal. Er brauchte nicht weiter nachhaken, denn Randall offenbarte weiterhin, was ihm die Laune versüßte.„Ihre Seelen haben sich erkannt und jetzt, mein Lieber, jetzt lassen sie es sogar zu." Das Lächeln auf dem Gesicht des Glatzkopfes wurde fast schon selig, als weitersprach.„Du weißt, was geschieht wenn ich die Seele des Jungen habe.", es war keine Frage sondern eine Feststellung.Rumple nickte resigniert und als sein Gesprächspartner darauf zu warten schien, dass er es selbst aussprach, antwortete er:„Du brauchst nicht mehr nutzen was da ist. Du kannst jeden deinen Willen aufzwingen....auch...", er hielt inne und seufzte.„Ja, Dunkler. Auch dir. Und wenn ich dich kontrollieren kann, dann wirst du mich nie wieder einsperren. Ich werde tun und lassen können, was ich will. Mich von so viel Angst und Schrecken nähren, wie ich will." Die Aussicht auf die Erfüllung seiner tiefsten Sehnsüchte, zauberte ein kindliches Lächeln, voller Unschuld auf seine Lippen.„Aber die Macht wird schwinden, Boogey. Wie Nahrung, die verdaut wird."Ein Schmunzeln legte sich auf den Mund des schwarzen Mannes, als er einmal auflachte.„Ich weiß....aber ihr Körper ist noch kräftig...", machte er wie selbstverständlich. „Sie wird noch einige Schwangerschaften durchstehen, mir noch einige Seelen schenken, die ich sammeln kann."Mr. Golds Verstand begann zu schreien, doch auf seinem Gesicht sah man nichts von dem Sturm in seinem Innern. Für einige Sekunde verstummten beide und verweilten in ihren eigenen Gedanken. Gedanken an die Zukunft und was in dieser lag. „Warum machst du es dir so schwer, Boogie? Warum begraben wir nicht unsere Fehde? Du hast mich genug leiden lassen und ich habe verstanden, dass ich grausam gehandelt habe, als ich dich gefangen nahm. Besorge den Dolch und ich verspreche dir, dich nie wieder einzusperren. Komm schon, wie in alten Zeiten. Du wirst Angst und Schrecken verbreiten und ich bin wieder mein eigener Herr."Randalls dunkle Augen nahmen einen glasigen Ausdruck an, als schaute er direkt in die Vergangenheit von der Mr. Gold sprach. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, doch dann schüttelte er seinen Kopf und klärte seine Gedanken.„Ich kann den Dolch nicht berühren, das weißt du. Und dein Sohn fürchtet sich mehr davor, dir die Macht zurückzugeben, als dass er seine Familie haben will. Nein Dunkler, die alten Tage sind vorüber...."Randall erhob sich von dem Bett und machte sich zum Gehen bereit. Er griff nach dem Medikamentenwagen und schob ihn in Richtung der Tür. Als er diese erreicht hatte, ergriff Rumpelstilzchen von neuem das Wort. Nachdenklich hakte er nach:„Nur eins verstehe ich nicht. Warum wartest du darauf, dass sie von alleine zueinander finden? Warum nimmst du nicht die Seele und zwingst sie?" Randall blickte von der Tür auf seinen Patienten und seufzte:„Weiß der Dunkle das wirklich nicht?"Rumple verzog seine Lippen zu einer geraden Linie, die einem Lächeln nahe kam, als er zu verstehen begann.„Die Macht ist ein Teil von ihnen...", sprach er langsam. „...Sie sind...immun."Strahlend weiße Zähne setzten sich kontrastreich zu der schwarzen Haut ab, als Randall zufrieden lächelte.„Ich sehe, der Dunkle ist noch nicht ganz am Ende angelangt.", mit diesen Worten verließ er das Krankenzimmer und schloss hinter sich ab.Rumpelstilzchen starrte auf die Tür und versuchte seinen Verstand zum Arbeiten zu bringen, doch die Medikamente begannen bereits zu wirken. Watte füllte seinen Kopf, machte jeden Gedanke zäh. Noch einmal versuchte er sich aufzubäumen, versuchte er gegen das Gift in seinen Venen anzukämpfen und riss seine Augen auf. Im nächsten Moment fielen ihm diese zu und er schlief ein.Im anderen Bett öffnete Cora ihre Auge in dem Augenblick, in dem Mr. Golds Aufschnarchen in ihr Gehör drang. Geschmeidig wie eine Raubkatze setzte sie sich im Bett auf und öffnete ihre zur Faust geballten Hand. Ein triumphierendes Lächeln zierte ihr Gesicht, als sie die Pillen betrachtete, die sie gekonnt, in ihre Hände hatte gleiten lassen, bevor sie so tat, als würde sie den Becher leeren. Ihr Blick ging auf die schlafende Gestalt des Dunklen, während sich ihr Gesicht in einen Ausdruck von Missfallen und Enttäuschung wandelte.„Rumple, Rumple Rumple!", sie schwang ihre Beine aus dem Bett und erhob sich. Langsam schritt sie an das seinige und beugte sich zu ihm hinab. Ihre Hände glitten über seine Wange, als sie mit falscher Enttäuschung sprach:„Du dummer, dummer Junge. Du hast bis heute nicht gelernt, mit wem du eine Allianz schließen solltest." Gönnerhaft küsste sie seine Stirn. Ihr Atem glitt über seine alte Haut, wie ein Windhauch an einem letzten warmen Herbsttag.„So alt und doch so dumm, mein Lieber", seufzte sie und wandte sich wieder ihrem eigenem Bett zu, während sie weiter mit dem schlafenden Rumpelstilzchen sprach.„Eigentlich will ich dich nicht weiter aufziehen, denn ich darf dankbar sein. Ihr beide seid sehr gesprächig, wenn ihr glaubt, dass ich schlafe." Schwerfällig schob sie die Matratze zur Seite und legte einen ganzen Vorrat an Pillen frei.„Mir bleibt eigentlich nur eines zu tun, denn hiermit...", ihre Hand griff in den Ausschnitt ihres Nachthemdes, zog die benutzte Spritze heraus, welche sie vom Medikamentenwagen gestohlen hatte und deponierte sie zu den Pillen.„...Komme ich meiner eigenen Freiheit ein ganzes Stück näher." Die Frau mit den kastanienbraunen Haar lehnte sich gegen die Matratze und schob sie wieder zurück. Danach stieg sie in das Bett, lehnte sich gegen das Kopfteil und verschränkte ihre Arme vor die Brust.„Du hättest auf mich hören sollen, Rumple, als ich uns hier raus haben wollte. Du hättest aufstehen und dich nicht verkriechen sollen! Nun werde ich dich zurücklassen und es wir mird nicht einmal etwas ausmachen."Ihre Lippen zierte ein breites, falsches Grinsen, welches ihre Augen nicht erreicht.Oh ja, nicht das Geringste....

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