Kapitel 24

830 74 12
                                    

In der Wohnung angekommen, zog Calvin mich bis ins Esszimmer. Das warf einige Fragen in mir auf und die Stille seit wir in der Wohnung waren, bereitete mir Sorgen.

Aber was wollte er im Esszimmer?

Warum ausgerechnet dieser Raum?

Offensichtlich hatte Calvin bereits einen Plan, denn er war zielstrebig dorthin gegangen.

Er zog grob einen Stuhl zurück und sagte in einem kalten Befehlston: "Setzen." Dabei ließ er meinen Arm los und ich kam dem nach, denn noch musste geklärt werden, was genau er meinte.

Innerlich hoffte ich weiterhin, dass es nichts mit Nero zu tun hatte. Ansonsten würde das mit seiner Eifersucht für mich böse enden.

Als ich mich auf den Stuhl gesetzt hatte, kniete mein Verlobter sich vor mich nieder und ich sah ihm automatisch in die Augen, dort war kein Funken Wärme zu finden. Es war beängstigend, wie emotionslos jemand aussehen konnte.

Eine Weile sahen wir einander nur an und umso länger das ging, desto unruhiger wurde ich. Ein Schweißausbruch fing an, der von großer innerer Angst begleitet wurde.

In einer ruhigen Tonlage, fing er schließlich an: "Also, Ever, ich gebe dir die Möglichkeit etwas dazu zu sagen."

Wow, wie nett von ihm.

Immer noch sah ich ihn unschuldig und verwirrt an, so als hätte ich absolut keine Ahnung, was er hatte oder was in ihn gefahren war.

Calvin strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und das war für diese Situation eine viel zu sanfte Geste. Bei dieser Berührung schüttete mein Körper mehr Adrenalin aus und das Verlangen davon zu laufen wurde stärker. Das Problem war, dass ich ihm so nie entkommen könnte.

Die Ader an seiner Stirn trat hervor, was alles über seinen Zustand aussagte. Calvin fuhr fort: "Leugne es nicht, denn das bringt nichts. Mit wem triffst du dich heimlich in einer Tiefgarage?"

Meine Mimik blieb dieselbe, obwohl mein Herz einen Schlag aussetzte und die Panik mich erreichte.

Etwas Gutes gab es in dem Ganzen, denn er hatte offensichtlich keine Vermutung wer es war. Allerdings sobald er wusste, dass Nero dort auf mich gewartet hatte, wäre ich praktisch tot.

Wie zur Hölle kam ich da raus?

Egal, ob es sinnlos wäre, aber ich würde versuchen mich rauszureden. Sofern mein Verlobter mich dort nicht persönlich gesehen hatte, könnte ich ihm mit viel Glück einreden, dass das eine Verwechslung gewesen sein musste.

Ich zog meine Augenbrauen zusammen und gab mein Bestes für einen verständnislosen Gesichtsausdruck.

Er packte mich grob am Kinn, aber diesen Schmerz ignorierte ich und fragte: "Was für eine Tiefgarage?" Es war etwas schwierig zu reden bei seinem Griff, dennoch bekam ich es hin und Calvin dürfte mich verstanden haben.

Die Hoffnung war noch nicht verloren, denn er musterte mich und hatte keinen Wutausbruch.

Hm, vielleicht würde mein Plan funktionieren.

Mein naiver Glaube wurde im Keim erstickt, denn er drückte fester zu, wodurch er mir das Sprechen unmöglich machte. Bei einem Verhör war das dumm, nur schien ihm das gerade egal zu sein. Calvin wollte mir weh tun und das setzte er gekonnt um.

"Ever, provoziere mich nicht."

Seine Hand ließ ab von mir, aber nur, damit er mit seiner Handfläche einen Schlag auf meine Wange traf. Dank der Wucht bewegte sich mein Kopf nach rechts und ich schloss meine Augen. Das Brennen setzte sofort ein, was ich ignorierte. Ich gab keinen Ton mir und hielt es aus.

Leider dürfte das erst der Anfang sein.

Mit einem Schlag auf meine andere Wange wurde mein Kopf in die andere Richtung befördert. Ich biss die Zähne zusammen und gab wieder keinen Ton von mir.

Calvin wurde weniger wütend, wenn er alles rauslassen konnte und ich meine Klappe hielt. Das war meine aktuelle Strategie, allerdings rasten meine Gedanken bereits, um eine bessere Lösung zu finden.

"Schau mich an!"

Seine viel zu laute Stimme ließ mich zusammen zucken und ich tat was er von mir verlangte. Normalerweise fiel es mir schwer in solchen Lagen den Blickkontakt zu halten, aber heute nicht. Denn mir kam Josephine in den Sinn.

Dieses Monster vor mir war Schuld am Tod meiner Schwester. Wegen ihm war sie tot und hatte in dieser furchtbaren Nacht einen Unfall.

All das war wegen ihm passiert.

Mein vorheriger Plan war damit verworfen, weshalb ich ihn anfunkelte. Die negativen Emotionen überrollten mich wie eine Welle und wenn ich dazu fähig wäre, würde ich ihn umbringen.

Calvin ließ sich davon kein bisschen beeindrucken und fragte etwas ruhiger: "Wer ist dein Liebhaber?"

Also hing er mir sofort Betrug an und zweifelte kein bisschen daran. Für ihn war das längst offensichtlich und von dieser falschen Überzeugung wäre er schwer abzubringen. Die Eifersucht hatte Besitz von ihm ergriffen und die weckte das Monster in ihm.

Er donnerte: "Wer?!"

Diesmal zuckte ich nicht zusammen, sah ihn kalt an und antwortete ernst: "Ich habe keinen Liebhaber und war stets treu." Ich war ihm zwar keine Erklärung schuldig, aber diese Worte waren automatisch über meine Lippen gekommen.

Es war als hätte ich nichts gesagt oder die Worte hatten ihn kaum erreicht, denn er fragte: "Ist es James?!"

Ernsthaft?

Der Mann meiner sogenannten besten Freundin?

Ich mag Luisa eher weniger gut gesinnt sein und die Beziehung zu Calvin war ein Zwang, dennoch hätte ich ihn nie betrogen. Unter anderem natürlich, weil er mir Angst machte. Aber auch in einem anderen Fall würde ich so etwas nie tun.

Nun war ich diejenige die austickte, weshalb ich rief: "Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt?! Ich habe dich nie hintergangen! Ich bin ein treuer Mensch!"

Wieder war es, als hätte ich keinen Ton von mir gegeben, zumindest ging er nicht weiter darauf ein und blieb in seinem Wahnsinn gefangen.

Calvin sagte spöttisch: "Aber mir weis machen, dass du brav bis zur Ehe warten möchtest. Deine Jungfräulichkeit ist dir angeblich heilig und ich habe dir diesen Scheiß abgekauft."

Ja, das hatte ich behauptet, damit er die Finger von mir ließ. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das gut geklappt, aber bei seinem momentanen Zustand war ich unsicher, was seine nächste Handlung wäre.

Wo blieb Nero?

Könnte er sich langsam Sorgen machen?

Vorhin hatte er Panik geschoben und Terror gemacht, weil ich nochmal in diese Wohnung wollte, trotzdem hatte er jetzt keinen Stress.

Ich versuchte die Wut beizubehalten, denn die gab mir den nötigen Mut. Das war einfach zu bewerkstelligen, da ich an Josephine dachte.

Ich schrie ihn an: "Du hast meine Schwester getötet!"

Entweder redeten wir ernsthaft aneinander vorbei oder er ignorierte jegliche Aussage von mir, denn er fragte todernst: "Mit wem hast du dich heute getroffen, Ever?!"

Die Ader an seiner Stirn trat stärker hervor, wovon ich mich kein bisschen beeindrucken ließ, zumindest versuchte ich es.

Eigentlich wollte ich nun ihn wieder anschreien, aber mir kam jemand zuvor, weshalb ich still blieb.

"Mit mir."

A Million Reasons | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt