Kapitel 25

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Mich durchflutete die pure Erleichterung als ich Neros Stimme hörte. Mein Retter hatte es endlich für nötig gehalten nach mir zu sehen.
Sofern er es wirklich schaffte Calvin zu überwältigen, das war noch nicht gesagt.

Mein Blick schnellte zu ihm hinüber und er stand mit erhobener Waffe im Türrahmen. An sich war ich absolut kein Fan von Pistolen, aber in dem Fall war ich sehr dankbar dafür. Aktuell war sie notwendig, denn offensichtlich war mit meinem Verlobten, welcher angeblich ein Mafiaboss war, nicht zu spaßen.

Meine Augen wanderten wieder zu ihm, denn seine Reaktion darauf zu kennen, wäre von Vorteil. Falls er gleich vollkommen austickte, wollte ich mich darauf einstellen können.

Calvin hatte inne gehalten, aber sein geschockter Gesichtsausdruck wich schnell einem wütenden. Wobei Wut eine Untertreibung war, denn es gefiel ihm natürlich gar nicht, dass ich mich mit ausgerechnet diesem Mann getroffen hatte. Man sah ihm richtig an, dass er praktisch auf Mord aus war, nur hatte man mit Nero einen schweren Gegner.

Mein Verlobter fragte in einem viel zu ruhigen Ton: "Was zur Hölle erlaubst du dir ungefragt in meine Wohnung zu kommen?"

Ernsthaft?

Das war seine erste Frage?

Alles andere schien er zu ignorieren, allerdings hatte Calvin bis jetzt die Waffe noch nicht gesehen, da er Nero abgewandt war. Eigentlich war das ziemlich dumm, immerhin waren die beiden Feinde und da sollte man einander nie aus den Augen lassen.

Man konnte gut erkennen, dass die Bombe kurz vor dem Hochgehen war. Es konnte sich nur um Sekunden handeln, danach würde etwas kommen.

Nero antwortete unbeeindruckt und ernst: "Ich bin wegen Ever hier und werde sie jetzt mitnehmen. Wenn du willst, dass das friedlich abläuft, solltest du dich von ihr entfernen und das sage ich nur einmal."

Vermutlich wollte man mir ein brutales Erlebnis ersparen, weshalb noch ruhig gehandelt wurde. In meiner Abwesenheit würde das sicherlich ganz anders ablaufen.

Der Ritter in edler Rüstung mag bereits anwesend sein, aber mein Herz drohte aus meiner Brust zu springen so schnell schlug es. Nebenbei versuchte ich zu überlegen, was ich in dieser Situation tun könnte, um zu helfen. Nur war ich unerfahren in dem Gebiet und hatte keine Ahnung, wie man so etwas löste.

Calvin gab ein verächtliches Schnauben von sich. Entweder überspielte er seine wahren Gefühle oder Nero bereitete ihm wirklich keine Sorgen. Ich tippte stark auf das Erste.

Das Nächste passierte ausgesprochen schnell. Calvin zog eine Pistole, welche er in seinem Hosenbund getragen hatte und zeitgleich hatte er sich umgedreht, um sich seinem Feind zu widmen. Nero handelte genauso schnell, was mir durch einen lauten Knall bewusst wurde.

Von Calvin kam ein Schmerzschrei währene er zu Boden ging. Mein Hirn zählte eins und eins zusammen, was mich darauf hinwies, dass Calvin angeschossen wurde.

Ich gab mir keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn nun musste ich etwas tun und konnte nicht weiterhin hier dumm rumsitzen.

Keine Ahnung, woher genau meine Reaktionsfähigkeit kam, aber ich schoss vom Stuhl auf, beugte mich auf den Boden und schnappte die Waffe, welche Calvin hatte fallen lassen.

Wenn mir eins klar war, dann das der Feind niemals eine Pistole haben sollte. Wenn doch, dann sollte man sie ihm entwenden.

Mein Verlobter gab ein Schmerzensstöhnen von sich und ich wollte zu Nero eilen, welcher mir bereits entgegen kam. Diese unsagbare Erleichterung in mir ihn in meiner Nähe zu haben konnte ich nicht in Worte fassen.

Er war wirklich gekommen und hatte mich von diesem Wahnsinnigen befreit.

Allerdings griff Calvin nach meinem Knöchel und hielt ihn fest, was mich beinahe hinfallen ließ, jedoch konnte ich mein Gleichgewicht wiederfinden.

Ich hätte ihn ja anschreien können, dass er mich gefälligst loslassen sollte, aber handelte stattdessen. Mit meinem zweiten Fuß, trat ich auf sein Handgelenk und das hatte den gewünschten Effekt, denn er ließ mich sofort los. Er gab einen weiteren erbärmlichen Laut von sich, was ich ignorierte und schnell aus seiner Reichweite trat.

Nero hörte ich eiskalt sagen: "Ab jetzt fasst du Ever nie wieder an, ansonsten hat das Konsequenzen."

Er kam bereits bei mir an und schob mich mit einer Hand sofort hinter sich. Das war der Moment in dem ich mich wieder sicher fühlte, so sicher man sich in dieser Situation eben fühlen konnte.

Im Grunde hatte Nero sowieso die Oberhand, also konnte meine Angst sich mildern, dennoch blieb mein hektischer Herzschlag beständig.

Ich legte eine Hand auf Neros Rücken, denn seine Nähe beruhigte mich gerade und diese Berührung genauso. Vielleicht auch damit ich mich an seinem Oberteil festkrallen könnte, falls er sich von mir entfernen wollte. Ich empfand es nämlich als angenehm, dass er als lebender Schutzschild diente. Mich hinter ihm zu verstecken fühlte sich richtig an.

Calvin fing zu fluchen an und ich spähte doch hinter Nero hervor um mir den Patienten genauer anzusehen. Sein Fuß blutete, dort hatte ihn also der Schuss getroffen.

Vermutlich würde er das überleben. Ich mag kein Arzt sein, aber meist brachte einen diese Art von Verletzung nicht sofort um.

In derselben Tonlage wie vorhin sagte Nero: "Nächstes Mal wird Ever nicht anwesend sein und dann unterhalten wir uns mal richtig." Das dürfte eine Drohung sein, welche Gewalt involvierte.

Es gab keine weitere Minute darüber nachzudenken, denn Nero drehte sich um und sagte in einer sanfteren Stimme zu mir: "Gehen wir." Das musste er mir kein zweites Mal sagen, denn dem kam ich sehr gerne nach.

Ich drehte mich selbst um und eilte schon los, um ganz schnell von hier weg zu sein. Mein Retter würde mir bestimmt folgen, vor allem da es sein Vorschlag gewesen war und Nero mich offensichtlich beschützen wollte. Das funktionierte am besten, wenn man in der Nähe der besagter Person blieb.

Calvin rief wütend: "Ever! Bleib gefälligst hier!"

Genau, sonst noch was?

Er war von allen guten Geistern verlassen, wenn er dachte, dass ich ernsthaft bleiben würde. Die aktuelle Chance würde ich nutzen, um zumindest von ihm los zu sein.

Seine Worte ließen mich nicht mal mit der Wimper zucken und ich ging unbeirrt in Richtung Haustür weiter.

Erst als ich den Knall hinter mir hörte, sah ich automatisch nach hinten. Nero stand noch im Türrahmen und sah zurück zu Calvin, der einen weiteren Schmerzschrei von sich gab.

Sollte ich genauer nachfragen was los war?

Eher wohin genau Nero geschossen hatte?

Nein, das konnten wir später klären, momentan gab es einen anderen Fokus.

Ich zischte: "Nero, komm endlich. Ich will hier weg."

Er wandte sich tatsächlich ab und folgte mir endlich. Seine Mimik war sehr ernst und nebenbei antwortete er: "Wir müssen uns beeilen, denn bald dürften seine Männer kommen und denen sollten wir besser aus dem Weg gehen."

Ja, das klang sehr vernünftig.

"Ever! Ich werde dich finden!" Von einem Stöhnen aus Schmerz wurde das unterbrochen, aber danach ging es weiter: "Du entkommst mir nicht! Ich finde dich immer!"

Ich zog mir den Verlobungsring vom Finger und warf ihn einfach auf den Boden, als ich rief: "Nein, du siehst mich nie wieder, Calvin!"

Klar, ich könnte ihm noch Beleidigungen an den Kopf werfen, aber ich wollte einfach nur weg. Außerdem änderten Worte nichts an der Vergangenheit. Was passiert war, das war passiert.

Nero schob mich schon weiter und sagte: "Ich hoffe, dass du jetzt verstehst, warum ich es für eine dumme Idee hielt, dass du diese Wohnung nochmal betrittst."

Ja, das tat ich definitiv.

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