Kapitel 31

770 57 19
                                    

Das Gelände des Motels hatten wir schnell verlassen und damit bekam ich wieder ein größeres Gefühl von Sicherheit. Es war mir einfach suspekt gewesen. 

Während Nero auf die Straße vor uns sah, fragte er: "Hast du eigentlich auch Hunger?"

Er dachte ernsthaft weiterhin an Essen. Obwohl wir all das hinter uns hatten, war sein Hauptproblem, dass er Hunger hatte. Klar, es war wirklich ein nerviges Gefühl, wenn es einen plagte, aber mir war jeglicher vergangen. 

Ich schlug mir eine Hand vors Gesicht und erklärte: "Ich habe gerade tausend andere Sorgen, das schlägt auf den Magen. Also nein, mein Magen schreit nicht nach Futter." Bei meiner Wortwahl musste er lachen, womit er mich beinahe ansteckte, aber eben nur fast. 

Die Hand nahm ich wieder herunter und widmete mich der Aussicht, die aus dem seitlichen Fenster die pure Dunkelheit war. Nach vorne zu sehen machte es kaum besser, denn dort lag nur die Straße.

Als Nero sich beruhigt hatte, fragte er: "Wieso überhaupt Sorgen? Du bist frei von Calvin, egal was jetzt kommt, es kann nicht mehr schlimmer werden."

"Schlimmer geht immer." Dieser Spruch war von alleine über meine Lippen gekommen, den hätte ich kein bisschen zurückhalten können. 

"Sag das nochmal und ich bin beleidigt, immerhin war ich derjenige der dich von dem Wahnsinnigen befreit hat und in Sicherheit bringt." 

Ja gut, das war tatsächlich auf diese Situation bezogen unpassend. Zumindest dürfte es bei Nero wesentlich angenehmer sein. Calvin war da ein ganz anderer Fall, trotzdem war nichts geklärt und ich hatte absolut keinen Plan wie es weiterging. 

Ich legte ihm eine Hand auf den Oberarm und drückte leicht zu. "Und dafür danke, aber ich frage mich einfach wie es weitergeht und ob es eine ewige Flucht sein wird. Es steht über allem ein großes Fragezeichen."

Kurz sah er zu mir und lächelte dabei leicht. "Egal was kommt, mich hast du auf jeden Fall auf deiner Seite." Das war lieb von ihm und ich würde dem Glauben schenken. Vermutlich sogar mehr als ich sollte.

Meine Hand zog ich wieder zurück und legte sie in meinen Schoß. Mit den Berührungen sollte ich es nicht übertreiben. Nach dem Kuscheln vorhin erst recht nicht.

Nero merkte noch an: "Für den Anfang werden wir die Lage beobachten und danach entscheiden wir weiter. Es hängt davon ab, wie sehr Calvin nach dir sucht oder was er deshalb veranstaltet. Einen richtigen Plan kann ich dir aktuell leider genauso wenig geben." 

Mit hoher Wahrscheinlichkeit drehte mein ehemaliger Verlobter jeden Kieselstein auf diesem Planeten um, bis er mich gefunden hatte. Wobei ich sehr darauf hoffte, dass er nie wieder in meine Nähe kam. Nur war der Preis dafür hoffentlich nicht, dass ich bis ans Ende meiner Tage eingesperrt war, damit er mir fernblieb. 

Ich seufzte und antwortete: "Trotzdem ein gigantisches Danke. Der Rest wird sich schon ergeben." 

"Das ist die richtige Einstellung. Optimismus kann nie schaden und tut der Seele gut."

"Dafür erleben Pessimisten wesentlich weniger Enttäuschungen. Es hat alles seine Vorteile und genauso seine Nachteile."

Ich lehnte meine Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und schloss meine Augen. Die Kälte tat gut und half meinem Kopf wenigstens etwas ruhiger zu werden.

"Ever, der erste Schritt zur Besserung ist gemacht." Damit hatte er durchaus recht und für den Moment würde ich es dabei belassen.

Diese kleine Ruhe zwischen uns fand ein schnelles Ende, denn Nero drückte auf das Gaspedal. Schon vorher hatte er eine eher hohe Geschwindigkeit an den Tag gelegt, nun wurde das rapide gesteigert.

Meine Augen riss ich entsetzt auf und hob den Kopf an, um zu ihm zu sehen. Ich fragte aufgebracht: "Willst du uns umbringen?" So stressig konnten wir es auch wieder nicht haben.

Seine Gesichtszüge waren sehr ernst und Nero wirkte angespannt, womit er mich ansteckte. Er meinte: "Wir haben Gesellschaft."

So viel zum Thema, dass ich in Sicherheit war. Offensichtlich hatte man uns doch eingeholt, besser gesagt hatte man uns gefunden.

Ich drehte mich um und konnte zwei Scheinwerfer entdecken, die in einer gewissen Entfernung hinter uns waren. Also verfolgte uns jemand. Entweder war es der Teufel in Person oder es war jemand von Calvins Männern.

Die kurze Pause im Motel war wohl doch eine blöde Idee gewesen. Damit hatten wir dem Feind die Gelegenheit geboten uns einzuholen.

Das Licht brannte in meinen Augen, weshalb ich mich nach vorne wandte und dabei fragte: "Was machen wir jetzt?"

"Keine Sorge, ich habe alles im Griff."

Ich biss meinen Kiefer zusammen, denn ansonsten wäre ich vermutlich explodiert und Nero müsste das ausbaden, obwohl er nur helfen wollte. Aber es war ausgesprochen schwer in dieser Lage gefasst zu bleiben.

Er fuhr fort: "Bevor du einen Nervenzusammenbruch bekommst, kann ich dich beruhigen, dass ich voraus gedacht habe."

Und wo blieb die genaue Erklärung?

Diese Worte waren wie ein leeres Versprechen, wenn man keine Details bekam. Außer er wollte darauf plädieren, dass ich mich besser aus seinem Job raushielt, weshalb ich keine weiteren Infos nötig hatte.

Dennoch lehnte ich mich zurück und antwortete: "Ja, dann kann ich mich entspannen und weiterhin in Optimismus erstrahlen." Dabei war ich zu exakt null Prozent entspannt, was er sich denken konnte.

"Schau einfach weiterhin geradeaus." Immer wenn jemand so etwas sagte, wollte man das exakte Gegenteil machen. Es war ein starker innerer Drang, welchen man erst bekämpfen musste.

Schwerer wurde es als hinter uns Lärm zu hören war. Der Autositz musste dran glauben, denn ich krallte mich seitlich daran fest. Egal was passiert war, es dürfte weder etwas Nettes noch etwas Freundliches gewesen sein.

In einem ruhigen Ton fragte ich: "Was war das?" Ich war erstaunt wie fest und gelassen meine Stimme klang.

"Willst du das wirklich wissen?" Was für eine dumme Frage das doch von ihm war. Immerhin hatte ich diese gestellt und verlangte damit eine Antwort.

Ich gab ein Grummeln von mir, was er richtig deutete und sagte: "Option eins ist es, dass meine Männer unseren Verfolger Vernunft beigebracht haben. Option zwei würde dir nicht gefallen."

Vernunft beigebracht dürfte eine Umschreibung sein, die sehr nett ausgedrückt war. Alleine der Krach teilte mir das mit.

Die andere Möglichkeit war vermutlich, dass unser Verfolger, Neros Männer ausgeschalten hatte.

An dem Punkt war es eine Unmöglichkeit es zu halten, weshalb ich mich umdrehte.

A Million Reasons | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt